Das sind die häufigsten Todesursachen in Bielefeld

Bielefeld. Jeder dritte Mensch, der im vergangenen Jahr in Bielefeld aus dem Leben schied, hatte mit einer Erkrankung seines Kreislaufsystems zu kämpfen, jeder fünfte mit einem Krebsleiden. Dies rechnet Information und Technik NRW als Statistisches Landesamt in einer unlängst veröffentlichten Statistik vor, in der die häufigsten Todesursachen in Bielefeld aufgeschlüsselt wurden. Was im ersten Moment wie ein etwas makabres Zahlenwerk klingt, kann durchaus nützlich sein: Denn während jeder Verstorbene ein persönlicher Trauerfall für Familie und Angehörige und eine individuelle Krankheitsgeschichte darstellt, könnte die Summe aller Todesfälle und ihre Analyse durchaus Informationen über Erkrankungen und deren mögliche Einordnung geben. Was ist die häufigste Todesursache in Bielefeld? Insgesamt sind 2023 in Bielefeld 3.858 Personen gestorben, nahezu gleichviel Männer (1.900) wie Frauen (1.958). Im Jahr zuvor waren 4.071 Verstorbene zu beklagen, der Rückgang beträgt damit 5,2 Prozent. Und damit steht Bielefeld nicht allein: &bdquo;Die Sterblichkeit ist in NRW und im Bund in 2023 insgesamt leicht rückläufig gewesen“, sagt Christoph Stellbrink, Ärztlicher Direktor am Klinikum Bielefeld und Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin. Lesen Sie auch: Häufigste Todesursachen: Daran sterben die Menschen im Kreis Paderborn Im Vergleich zum Vorjahr gab es bei den Herz- und Kreislauferkrankungen einen Rückgang von 4,3 Prozent (1.089 Fälle 2023 im Vergleich zu 1.138 im Jahr 2022). Bei der zweithäufigsten Todesursache – den &bdquo;bösartigen Neubildungen“ – war wiederum ein Anstieg von 783 auf 875 Todesfällen (+11,7 Prozent) verzeichnet worden. Bei den &bdquo;psychischen und Verhaltensstörungen“, zu denen mit einem hohen Anteil Demenzerkrankungen gerechnet werden, blieben die Zahlen exakt gleich (316 Fälle). Rückläufig waren um 4,3 Prozent die Krankheiten des Atmungssystems, hier waren 2023 mit 297 Fällen fünf Tote weniger zu beklagen als im Vorjahr. Die weiteren Todesfälle – 1.281 an der Zahl – wurden von IT.NRW unter &bdquo;Sonstige“ zusammengefasst. Was sagen die Daten aus? Während die totalen Zahlen recht eindeutig sind, ist die Unterteilung der Todesfälle in die verschiedenen Ursachen deutlich diffuser. Die Statistiker von IT.NRW weisen selbst darauf hin, dass die Zuordnung &bdquo;ausschließlich auf den Angaben der die Leichenschau durchführenden und den Tod bescheinigenden Ärztinnen und Ärzte in den ausgestellten Todesbescheinigungen“ basiere. &bdquo;Hier ist die tatsächliche Todesursache oftmals eine Verkettung von Erkrankungen und es wird die letzte beziehungsweise die erkennbarste erfasst“, sagt Stellbrink. Jens Grothues, Mitglied des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, gibt ein konkretes Beispiel, warum die Todesarten oft eine Sache der Interpretation durch den Arzt ist: &bdquo;Wenn ein Krebspatient eine Lungenentzündung bekommt und stirbt, stirbt er dann an einer Lungenentzündung oder an einer Krebserkrankung?“ In anderen Bundesländern, etwa in Bremen, werden Verstorbene einer intensiven zweiten Qualifizierten Leichenschau durch einen Rechtsmediziner unterzogen – wodurch hier die Statistiken wesentlich präziser sind. Dennoch geben auch die Zahlen aus NRW einen Überblick darüber, mit welchen Leiden die Verstorbenen zu kämpfen hatten. Wie sind Anstiege und Rückgänge einzelner Todesursachen in Bielefeld zu erklären? Auffällig ist, dass in Bielefeld im Gegensatz zum Landestrend der Anteil der &bdquo;bösartigen Neubildungen“ – also Tumorerkrankungen – prozentual deutlich zugenommen hat. Mehr als jeder fünfte Todesfall (22,7 Prozent) ist auf diese Ursache zurückzuführen, das sind fast 12 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Christoph Stellbrink führt dies unter anderem auf den Umbau der Kliniklandschaft in der Region zurück. &bdquo;Die Etablierung des UK OWL als Universitätsklinikums in Bielefeld hat Auswirkungen auf die Krankheitsbilder und Fälle vor Ort, das sehen wir an den Tumorerkrankungen, die in unsere Zentren kommen.“ Das Klinikum Bielefeld habe mit den Zertifizierungen gerade im Onkologischen Bereich ein überregionales Alleinstellungsmerkmal. Jens Grothues mutmaßt zudem, dass ein weiterer Grund für den Anstieg der Krebserkrankungen sein könnte, dass viele Tumore während der Corona-Pandemie unentdeckt blieben, weil Patienten aus Angst vor Ansteckung Ärzte und Vorsorgeuntersuchungen gemieden haben könnten. Lesen Sie auch: Jung und krebskrank: Wie Betroffene in OWL einander unterstützen Corona könnte laut Jörg Schmitthenner, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin am Klinikum Bielefeld, auch eine Ursache für den leichten Anstieg bei den Todesfällen durch Krankheiten des Atmungssystems sein: 297 Menschen fielen ihnen zum Opfer, im Jahr zuvor waren es 292. &bdquo;Die Schutzmaßnahmen der Pandemie haben auch andere Erreger nicht durchkommen lassen, wodurch auch Krankheiten wie Keuchhusten wieder aufgetaucht sind“, so der Lungen-Spezialist. &bdquo;Es zeigt sich, dass wir anfälliger geworden sind und unser Immunsystem erst wieder trainiert werden muss.“ Allerdings hinterlasse auch die immer älter werdende Gesellschaft Spuren in diesem Bereich: Oft sei bei einem ohnehin schon alten und geschwächten Menschen eine Lungen- oder Atemwegserkrankung der Faktor, die der Körper dann nicht mehr schaffe. Lesen Sie auch: Nichts geht mehr: Junger Bielefelder nach Corona-Impfung schwer krank Konstant zurückgegangen ist in den vergangenen Jahren der Anteil der Todesfälle, die auf eine Krankheit des Kreislaufsystems zurückzuführen ist. 2018 waren es in Bielefeld noch 1.234 Fälle, 2022 bereits rund 100 weniger. 2023 wurden 1.089 Verstorbene der Ursache zugerechnet – was aber noch immer rund einem Drittel aller Todesfälle entspricht. Mit Blick auf diesen großen Anteil sieht Jens Grothues die Medizin und auch die Patienten selbst in der Pflicht: Sie sollten &bdquo;viel mehr Prävention betreiben“. Warum könnte Prävention helfen? Grothues wünscht sich, dass sich die Medizin in eine Richtung entwickelt, die mehr auf die Vermeidung als auf die Behandlung von Krankheiten setzt. Es habe große Fortschritte bei den Behandlungstechniken gegeben, aber nur wenige Fortschritte bei der Prävention. Aktuell sei das Gesundheitssystem eine Art Reparatursystem. &bdquo;Aber das ist langfristig nicht bezahlbar“, so Grothues. Auch Stellbrink sieht hier dringenden Nachholbedarf. &bdquo;Da sind wir in Deutschland noch nicht so gut wie in manchen anderen Ländern“, so der Ärztliche Direktor. &bdquo;Hier könnte das aktuell verabschiedete &bdquo;Gesunde Herz“-Gesetz ein sinnvoller Ansatz sein.“ Lesen Sie auch: Die häufigsten Todesursachen: Daran sterben die Menschen im Kreis Höxter Wichtig sei auch hier die gesundheitliche Aufklärung, die nach Möglichkeit schon an den Schulen beginnen solle. Denn letztlich seien die Menschen selbst gefordert, bewusst auf ihre Gesundheit zu achten – was dann am Ende wiederum direkte Auswirkungen auf die Todesursachen haben könnte. Ein Beispiel hierfür sei der Tabakkonsum, wie Jörg Schmitthenner hervorhebt. &bdquo;Rauchen ist in Deutschland noch immer eine geduldete gesellschaftliche Eigenschaft“, kritisiert der Mediziner. Viele Länder seien deutlich konsequenter darin, das Rauchen abzuschaffen. &bdquo;Und dadurch verringern sie die Folgen dieser Sucht, wie Lungenerkrankungen mit Todesfolge.“ Grothues unterstreicht dies: Wenn nicht mehr geraucht würde, könne dies auch dabei helfen, die Anzahl der Fälle chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen (COPD) deutlich zu senken. &bdquo;Das ist in vielfach eine vermeidbare Krankheit und stellt ein Risiko dar – genau wie Übergewicht“, so Grothues. Für diese Art der Medizin müsse aber am Ende jeder Patient an seiner eigenen Gesundheit mitarbeiten. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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