Fünf skurrile Erlebnisse aus 50 Jahren Ikea: Schraubst Du noch oder wohnst Du schon?

Bielefeld/Elching/Stockholm. Ausgerechnet in dem kleinen Eching bei München wurde am 17. Oktober 1974 die erste deutsche Filiale des schwedischen Möbelhauses eröffnet, das seitdem Generationen von Familien mit Möbeln, Teelichtern und Hotdogs, aber auch mit ernsten Krisen in der Aufbauphase versorgte. Der Erfolg gab Ingvar Kamprads Ikea recht. Eching wurde bald nur noch &bdquo;Elching“ genannt und heute ist der Möbelgigant aus den meisten deutschen Wohnungen nicht mehr wegzudenken. Die Lokalredaktion hat anlässlich dieses Unternehmens-Jubiläums in ganz persönlichen Erinnerungen zu dem revolutionären Möbelhaus gekramt: 1) Ich brauche nur Servietten Ariane Mönikes Ich brauche nur Servietten – so fängt es eigentlich immer an. Ich könnte also mit einem 1-Euro-Stück in der Hosentasche rein zu Ikea, quasi so, als würde ich mir ein Brötchen beim Bäcker um die Ecke holen. Aber nein, natürlich habe ich mein komplettes Portemonnaie mit EC-Karte dabei. Denn es wird nicht bei Servietten bleiben. Der Rundgang in der Möbel-Ausstellung ist immer der Anfang. Ich könnte auch Treppe rauf und auf der anderen Seite wieder runtergehen, um direkt zum &bdquo;Firlefanz“ zu kommen, aber nein, vielleicht gibt es ja noch was zu sehen. Die Ikea-Tasche über die Schulter geworfen, gehe ich also den Pfeilen nach durch die psychologisch sehr ausgeklügelt geführte Ausstellung. Wie aus Kleinbedarf ein voller Einkaufswagen wird Die Versuchung ist groß: Linker Hand weiße Decken, rechter Hand Teelichter. So geht es munter weiter. Ah, ein neues Kissen könnte auch mal wieder her. Rein in die Tasche. Unten, in der Markthalle oder besser der &bdquo;Ich brauche eigentlich auch nichts“-Abteilung angekommen, nehme ich doch lieber einen Wagen. Wer weiß, was noch kommt. Also die Ikea-Tasche in den Wagen und weiter geht’s. Ah, neue Wassergläser. Rein in den Wagen. Und die Tassen haben irgendwie ein neues Design. Auch rein, die alten sind schon so verschrammt. Auch hier geht es so weiter, wie es oben angefangen hat. Am Ende ist der Wagen voll. Ab zur Kasse. Aber Moment, da kommt ja noch was. Genau, die Fundgrube. Mit dem Wagen habe ich da keine Chance, aber macht ja nichts. Der bleibt draußen, ich gehe rein. Eine Blumenvase für 1,99 Euro. Die muss auch noch mit. Jetzt aber zur Kasse. Mit einem Euro wäre ich nicht hingekommen, am Ende sind es knapp 100. Eigentlich wie immer. 2) Ziemlich beste Feinde Michael Schläger Nein, &bdquo;Fritz“ und ich, wir wurden keine dicken Freunde. Vielleicht lag es daran, dass der Ikea-Kleiderschrank nicht einen dieser herrlich-verschwurbelt schwedischen Namen wie Poäng, Klippan oder Ektorp trug, sondern einen urdeutschen. Vielleicht lag es an den zig Einzelteilen, einschließlich des unvermeidlichen Sechskantschlüssels, die vor seinem Aufbau im Schlafzimmer ausgebreitet lagen. Vielleicht lag es an der Größe des Objekts. Fritz würde nicht als Solitär dort stehen, sondern zwei Anbauten erhalten. Die hießen Fritz 50a und b und sollten sich ganz einfach anschrauben lassen. Sollten. Aus der &bdquo;Ich mach das mal eben an einem Sonntagnachmittag“-Beschäftigung wurde eine 24-Stunden-Aktion, nur unterbrochen von einem kurzen, unruhigen Nachtschlaf. Und am nächsten Morgen hingen die Türen immer noch genauso schief an Fritz wie am Abend zuvor. Meine persönliche Schmach mit Kleiderschrank Fritz Am schlimmsten aber waren die auf Rollen gelagerten Einschubfächer, die sich in dem wackeligen Gebilde einfach nicht halten wollten und gerade montiert mit lautem Getöse zusammenkrachten. Das passierte übrigens auch nach Abschluss des Projektes immer mal wieder. Völlig unvermittelt und meistens nachts. Irgendwann habe ich die Schubladen aus Fritz verbannt und durch zwei Einlegeböden ersetzt. Dann war Ruhe. Am größten aber war die Schmach, als wir eines Tages umzogen. Das ließen wir von einem Profiteam machen. Mit dabei ein Möbeltischler. Der zerlegte Fritz innerhalb von weniger als 30 Minuten in seine Einzelteile und baute ihn an seinem neuen Standort ebenso schnell wieder auf. Was er über die Qualität des Möbelstücks anmerkte, will ich hier verschweigen. Lesen Sie auch: Großprojekt: Für Ikea werden in Bielefeld kilometerweit Straßen aufgerissen Ok, mit &bdquo;Fritz“ und mir ist es nichts geworden. Dafür sind Billy und ich bis heute gute Kumpel. Das Regal hat schon unseren Bücherschatz beherbergt, später dem Playmobil-Bauernhof im Kinderzimmer ein Ruheplätzchen gegeben und tut auch jetzt als Ablage auf dem Dachboden noch immer gute Dienste. Billy ist der Klassiker unter den Ikea-Möbeln. 1979 wurde das Produkt eingeführt. Bis 2023 wurde es mehr als 140 Millionen Mal verkauft, laut dem Möbelhersteller geht alle fünf Sekunden weltweit ein Billy-Regal durch die schwedische Kasse. @josestipps Kennt ihr schon diesen Tipp? #kleinkind #kleinkindmama #mamatipps #ikeahack #lebenmitkindern #momhack ? Originalton - JosesTipps 3) Pannen-Aufbau: So kaschiere ich meine Fehlbarkeit Jens Reichenbach Meine Frau kann Ikea-Möbel aufbauen und entsprechend wenig Probleme hatten wir mit den oft schwer zu entziffernden Aufbauanleitungen. Als Mann im Haus hatte ich natürlich den Ehrgeiz, ihr darin nicht nachzustehen. Wir haben inzwischen Billy, Malm, Pax und so manche andere unbekanntere schwedische Möbel-Produkte bei uns im Haus und so gab es auch Momente des Aufbaus, die ohne Aufsicht meiner Frau stattfanden. Während die mit einem Tischler-Praktikum und einem Beruf in der Möbelbranche alles Nützliche für diese Aufgaben mitbrachte, hatte ich nur meinen Do-it-yourself-Ehrgeiz und dieses Baumarkt-Glühen in den Augen. Tipp-Ex-Pinsel über die ausgebrochene Stelle Doch meine Finger, die außer Stift und Tastatur wenig sonst filigran bewegen können, sind keine großen Ikea-Hilfen. Die Nägel für die Schrankrückwände gehen in 50 Prozent der Fälle schief ins Holz und drücken sich so leider allzu sichtbar nach oben in den Regalboden oder brechen sogar kleine Ecken der Pressspanplatte heraus. Wie soll ich das Kaschieren, damit die Frau nichts merkt? Mein Tipp lautet: ein paar Tupfer mit dem Tipp-Ex-Pinsel. Leider hatte ich die Böden aber auch nicht richtig herum eingesetzt. Wer kommt denn auch auf die Idee, dass nur eine Kante weiß beschichtet ist und die Rückseite nicht. Das offene Holz entlarvte meine Fehlbarkeit und meine Frau tätschelte mir liebevoll den Kopf und verbat sich von nun an solche Alleingänge. 4) Youtube, TikTok und Co. sind nichts dagegen Trotzdem habe ich ein nahezu liebevolles Verhältnis zu dem Möbelhaus und den Besuchen der Elchwelt. Das liegt an den tollen Namen der Produkte, die oft einfach Wohligkeit und schwedische Bullerbü-Atmosphäre andeuten. Etwa die Holzkiste Knagglig hört sich schon so an wie ein wärmendes Lagerfeuer. Es gibt aber auch echte Lacher. Erinnern Sie sich noch an die Apfeltorte mit dem wohlklingenden Namen &bdquo;Äppelkaka“, an die Eierbecher &bdquo;Kackling“ oder die Klobürste &bdquo;Viren“. Rote Ohren gab es eher, wenn die Kinder fragten, warum die Matratze &bdquo;Hamarvik“ heißt oder die Schuhablage &bdquo;Lustifik“. Sehr sprechend war der Name des Babybadetuches &bdquo;Stänka“ und auch der Sessel &bdquo;Poäng“ deutet darauf hin, wo sich der Po eng anschmiegen soll. Ehekrisen und Fahrzeugvergewaltigungen Aber genug der Häme über wahrscheinlich völlig harmlose schwedische Begriffe, die im Deutschen eben andere, verwirrende Assoziationen auslösen. Meine liebste Beschäftigung ist und bleibt der Besuch des Obergeschoss-Restaurants, möglichst mit Blick auf den Parkplatz. Was sich da vor den kleinen Kofferräumen der modernen Klein- und Mittelklassewagen abspielt, ist besser als Youtube, TikTok und all der andere Videokram. Auf diesem Parkplatz sind nach unserer Beobachtung schon Ehen in tiefe Krisen gestürzt und Fahrzeug-Innenräume auf massivste vergewaltigt worden. Da gehen Menschen, die sich lieben oder zumindest in eine Familie gehören an und schimpfen und pesten und verzweifeln. Als Außenstehender ist es ein anhaltender Slapstick, für die Betroffenen ist es aber schwere Kopfarbeit. Wie kommen das große Eckige und das kleine Runde hinein? Einen Tipp hat der Kollege mit dem französischen Fahrzeug-Klassiker: 5) Rotes Sofa ragt aus blauer Ente Stefan Gerold Der Anruf des Kumpels aus der Handball-Mannschaft, der vorteilhafterweise bei Ikea arbeitete, kam unverhofft. &bdquo;Du suchst doch dieses rote Chaiselongue, was bei uns immer ausverkauft ist? Wir haben gerade eins da: Zweite Wahl, 50 Mark und es ist deins. Musst es nur genau jetzt abholen!“ 50 Mark? Wahnsinn, das kostet sonst das 12-fache, meldete sich sofort mein Reduziert-Gen und schon saß ich im Auto. Damals war Ikea noch in Löhne beheimatet und ich zog gerade in ein bekanntes Handball-Dorf just über den Wiehen. Im schwedischen Möbelhaus angekommen, stand ich alsbald vor einem Problem: Diese rote Chaiselongue, also eine Art Sofa, passte nicht in meine Ente – an die begrenzten Ladekapazitäten meines französischen Kultautos hatte ich in der Eile nicht gedacht. Der Handball-Kumpel hatte bei IKEA aber schon ganz andere kreative Möbel-Zuladungen gesehen und empfahl, das Rolldach meiner Ente zu öffnen und das gute Möbelstück oben rausschauen zu lassen. Im tiefsten Winter und offenem Dach durch den Ort Das war die Lösung. Im tiefsten Winter machte ich mich mit offenem Dach schwer frierend, aber glücklich gen Heimat. Natürlich musste ich durchs ganze Dorf fahren und war ganz froh, dass bei dieser Kälte kaum jemand auf der Straße war. Abends nach dem Handball-Training machten wir wie immer noch einen Boxenstopp in der Vereinskneipe. Kaum hatte ich die Tür geöffnet, klang mir schon Gejohle und mein neuer Spitzname &bdquo;Der rote Baron“ entgegen. Dass da einer mit einer blauen Ente, mit aus dem offenen Dach herausragendem roten Chaiselongue im tiefsten Winter durchs Dorf flanierte, das war so auch noch nicht vorgekommen – und hatte sich natürlich wie ein Lauffeuer verbreitet. Hatte ich vorher etwas Schwierigkeiten, das Wort Chaiselongue auszusprechen, so waren diese am Ende des ebenso denkwürdigen wie trunkreichen Abends wie weggewischt: Scheselongsch – ist doch ganz einfach. Lesen Sie auch: Greenpeace wirft Ikea Zerstörung von Wäldern in Rumänien vor Wir suchen Ihre Ikea-Erinnerungen Nicht nur die NW-Lokalredaktion verbindet mit Ikea Persönliches, Bewegendes und Unvergessliches. Welche Erinnerungen haben Sie an das schwedische Möbelhaus und seine Tücken. Wir freuen uns auf Ihre Zusendungen unter: bielefeld@nw.de

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