Nicht nur die Tiere leben gefährlich: Bielefelderinnen kämpfen gegen das Katzenelend

Bielefeld. Kater Filou (4) hat von seinem Beobachtungsposten auf dem Wellblechdach aus alles im Blick. Wer kommt, wer geht, wann das Essen gebracht wird – und auch die verdächtigen Kisten, in denen sich seine arglosen Mitbewohner fangen lassen, weggebracht werden und irgendwann wieder da sind; wie zuletzt das schwarz-weiße Pünktchen. Schon beängstigend, findet er das. Doch beängstigend ist vieles im Leben des Grautigers, der auf einem abgelegenen Stück Land im Bielefelder Osten lebt. Filou haust zusammen mit Krümel, Flummi, Bella, Pünktchen und weiteren Samtpfoten auf einer Grabeland-Parzelle, mitten zwischen kriechendem Grün, zwischen Bäumen, Büschen, Hütten und Schuppen. Anders als die meisten verwilderten Katzen in Deutschland (laut dem Deutschen Tierschutzbund gut zwei Millionen) und ein Großteil der geschätzt in Bielefeld lebenden 1.000 bis 3.000 werden sie von einer Gruppe von Bielefelderinnen und Bielefelder betreut: den &bdquo;Streunerkatzen“. Bielefelder Tierschützer betreuen über 240 Katzen Die kümmern sich stadtweit um rund 14 Futterstellen mit über 240 Minitigern. Die Tierschützer füttern sie, lassen sie kastrieren, entwurmen, tätowieren und registrieren. Das Tierheim Bielefeld stellt das Grundfutter, der dortige Tierarzt kastriert und behandelt sie. Doch vieles übernehmen die Freiwilligen auch selbst, den Kauf von hochwertigerem Futter etwa oder Arztkosten, wenn der Tierheim-Tierarzt nicht verfügbar ist. Und jetzt kommt der Winter, und mit ihm ist noch einiges mehr zu tun. Das vierköpfige Team der Grabeland-Futterstelle, die es seit rund fünf Jahren gibt, versorgt seine Schützlinge jeden Tag, bei Wind und Wetter. &bdquo;Seitdem es uns gibt, waren sie keinen Tag ohne Aufsicht“, sagt Cornelia Feierabend (70). Sie haben ihnen auch Styroporboxen gebaut, sie wetterfest gemacht und mit Stroh ausgelegt. Gegen das unbeständige Wetter helfen zudem gespendete Bettlaken und Handtücher. Mehr Verständnis für verwilderte Hauskatzen gewünscht &bdquo;Kitty war schon immer hier“, erinnert sich Stephanie Geuyen-Fister (47) an die Anfänge. Dann kam die rotschwarze Bella hinzu, und inzwischen lebt eine feste Gruppe von rund 20 Tieren hier. Zwei Katzen wurden sogar schon vermittelt. Doch das ist die Ausnahme – die meisten verwilderten Samtpfoten lassen sich nicht mehr sozialisieren. Die &bdquo;Streunerkatzen“-Aktiven wünschen sich ein größeres Bewusstsein der Bielefelder für dieses Problem und mehr Verständnis für ihre Arbeit. Denn nicht nur die Katzen leben gefährlich, zwei seien schon vergiftet und eine erschlagen worden, erzählen sie. Auch sie selbst seien schon bedroht und beschimpft worden. Das Elend und die Zahl der Streuner auf Dauer zu verringern könne nur durch konsequente Kastration erreicht werden, sind sich Tierschützer einig. Doch die meisten Bielefelder Halter gewährten ihren Tieren Freigang, kastriert aber seien längst nicht alle. &bdquo;Dabei ist das ein ganz wichtiger Punkt“, sagt Geuyen-Fister. Denn immer wieder entwischten Samtpfoten, würden irgendwo freigelassen oder mit Nachwuchs in einer Kiste ausgesetzt. Einige schafften den Weg zu einer der versteckten Katzenkolonien, und so könne es immer erneut zu unkontrolliertem Zuwachs kommen. &bdquo;Alle Straßenkatzen gehen auf Katzen aus einem Privathaushalt zurück, die nicht kastriert wurden“, erklärt der Tierschutzbund und verweist darauf, dass das Leid der Streuner sich über die Jahre zu einem der größten unbemerkten Tierschutzprobleme in Deutschland entwickelt habe. &bdquo;In der Öffentlichkeit ist die Brisanz des Themas aber noch nicht angekommen.“ Deshalb hat der Verein die Kampagne &bdquo;Jedes Katzenleben zählt“ ins Leben gerufen. Lesen Sie auch: Hohe Strafen drohen: Bielefelder müssen ihre Katzen kastrieren lassen In Bielefeld gibt es zwar schon seit 2018 eine Kastrationspflicht, die offiziell &bdquo;Verordnung zum Schutz frei lebender Katzen auf dem Gebiet der Stadt Bielefeld“ heißt. Doch sie wird bis heute von vielen Haltern ignoriert. Nicht artgerecht, zu teuer, nur Wohnungshaltung, lauten oft gehörte Argumente. Helmut Tiekötter, der Vorsitzende des Tierschutzvereins Bielefeld, kennt sie alle – überzeugend findet er keines. Er beobachtet seit langem, dass an den Futterstellen in Bielefeld immer wieder neue, unkastrierte Tiere auftauchen &bdquo;Da muss man schon unterstellen, dass die Leute da ihre Katzen entsorgen.“ Der Deutsche Tierschutzbund rechnet vor: Eine Katze habe im Jahr rund zwölf Nachkommen. Daraus würden im fünften Jahr über 19.000, und nach zehn Jahren könnten es schon 200 Millionen sein. Selbst wenn Katzen (eigentlich) nie aus der Wohnung dürften, rät Tiekötter deshalb dringend zur Kastration. Wer mehr tun möchte, kann die Bielefelder &bdquo;Streunerkatzen“ unterstützen bei ihrem Engagement für verwilderte Katzen, für Kastrationen und damit gegen eine unkontrollierte Vermehrung. Für ihre Arbeit vor Ort würden sich die &bdquo;Streunerkatzen“ besonders über Geld- und Futterspenden freuen. Mehr Infos unter steffi@mafi-online.de oder cornelia.feierabend@web.de.

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