„Es muss das Helle geben“: Buchpreis-Anwärterin Iris Wolff begeistert in Bielefeld

Bielefeld. Die Organisatorin der 29. Literaturtage, Angelika Teller, ist &bdquo;Total überwältigt“: &bdquo;Selten haben wir so viele Leute gehabt, die für Literatur angestanden haben“. Magnet des Abends, verantwortlich für die komplett ausgebuchte Veranstaltung nebst vielen weiteren, online zugeschalteten Literaturfans, ist Iris Wolff. Die in Freiburg lebende Autorin ist in der deutschsprachigen Enklave Siebenbürgens im heutigen Rumänien geboren und aufgewachsen und seit ihrem Roman &bdquo;Leuchtende Schatten“ (2015) ein neuer Stern am deutschen Bücherhimmel. Meist skizziert sie die untergegangene Welt der in den 1990er Jahren scharenweise ausgewanderten Siebenbürger Sachsen, die öde Landstriche von eigenartiger Schönheit zurückließen. Dies in teils zauberhaft aus der Zeit gefallenen Sprache, teils schonungslos – aber zwischen den Zeilen. Aktuell ist die 47-Jährige für den Deutschen Buchpreis nominiert, jüngst erhielt sie den renommierten Uwe-Johnson-Preis. Im Gepäck für die Bielefelder Lesebühne hat sie ihren neuesten Roman &bdquo;Lichtungen“ – die Geschichte einer ungewöhnlichen Beziehung zwischen Lev und Kato. An dieser Freundschaft entlang – oder ist es Liebe? – erzählt sie von Ungeheuerlichkeiten hinter dem Eisernen Vorhang. Und nach dessen Fall, vom Untergang der Welt ihrer Kindheit. Es ist der Roadtrip eines Suchenden Im Vorwort zum Roman, einem Brief an ihre Buchhändler, schlägt Wolff vor, die &bdquo;Lichtungen“ wie ein Gemälde zu betrachten. Es mit seinen Figuren und Landschaften als Ganzes auf sich wirken zu lassen, um ihren Gehalt intuitiv und mit ganzem Herzen zu erfassen. Man könnte Plot und Erzähltechnik frei nach Sören Kierkegaards berühmtem Zitat beschreiben – dass man das Leben nur rückwärts verstehen kann, aber vorwärts leben muss. Lesen Sie auch: Bielefelder Literaturtage punkten auch mit provokanten Büchern Wolff erzählt die Geschichte von Lev und Kato vom Ende her. Der scheue, in der Enge seiner Heimat gefangene Lev und seine Jugendfreundin, die lebenshungrige Malerin Kato, könnten unterschiedlicher nicht sein. Lev überwindet sich und reist Kato bis nach Zürich nach, wo sie sich als Pflastermalerin verdingt. Es ist der Roadtrip eines Suchenden, aber auch die reiselustige Kato hat noch nicht gefunden, was sie sucht. Brillant sind solche typischen Iris-Wolff-Sätze, in denen sie mit exakt komponierten Worten ganze Panoramen entstehen lässt: &bdquo;Tom scherte sich nicht um Konventionen, hatte auf anziehende Weise keine Manieren, setzte sich über Dinge hinweg, an die sich im Tal alle hielten; trotzdem sahen sie neben ihm aus wie Hinterwäldler, Zurückgebliebene, fast grau, als würde Tom mit seinen grellen Shirts alle Farbe für sich beanspruchen.“ Sie lässt Ungesagtes hinter Gesagtem aufscheinen Wolff beherrscht die Kunst, detailreich zu beschreiben, ohne zu ermüden. Nur um plötzlich einen Gedanken einzustreuen, der einschlägt wie ein Blitz, augenblicklich ein Gespür gibt für Landstriche, Stimmungen, Emotionen. Sie macht sichtbar, was ihre Figuren geprägt hat, verhandelt zugleich die großen Themen von Heimat und Geschichte, von den Verwüstungen im Europa des 20. Jahrhunderts. Lesen Sie auch: NW-Interview mit Iris Wolff: "Die besten Sätze sind immer ein Geschenk" Die sanfte Schönheit der Sprache gibt dem Roman eine ruhige Fließgeschwindigkeit, lässt Ungesagtes hinter Gesagtem aufscheinen, lotet das Politische im Privaten aus. Im Gespräch mit Angelika Teller beschreibt Wolff ihren Blick auf die Welt: &bdquo;In jedem Leben gibt es Abwesenheiten und Verluste. Man darf sie nicht die Oberhand gewinnen lassen. Es muss das Helle, Verbindungen, die ganze lebendige Welt, Lichtungen eben, geben.“Sehr passend begleitet Pianist Nils Rabente den Abend mit mehreren Klavierstücken, einfühlsam und wie eine musikalische Kommentierung der Themen dieses beachtlichen Romans.

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