„Insta-Moms“ auf Social Media: Bielefelder Forscherin kritisiert Internet-Trend

Bielefeld. In Zeiten von Social Media bleibt kaum ein Lebensbereich unausgeleuchtet. Manche Kanäle befassen sich ausschließlich mit dem Familienleben. Ein echtes Phänomen sind sogenannte &bdquo;Insta-Moms“, benannt nach Instagram als Ausgabekanal. Betrieben werden diese Seiten von Frauen, die ihre Mutterschaft idealtypisch inszenieren. Eine Bielefelder Wissenschaftlerin hat sich mit solchen Portalen befasst. Oft, so eins ihrer Ergebnisse, erweisen sich diese nicht als Ermutigung, sondern als Quelle von Minderwertigkeitsgefühlen. Zwei Beispiele: Zu sanften Klängen aus dem Off sieht man eine adrette Mutter mit ihren ebenso adretten, gut erzogenen Kindern beim Backen zum Advent. Sie gibt Tipps zur Anleitung der Kids und für Rezepte. Die Wangen glühen, der Ofen auch, die Katze schnurrt. Auf dem Tisch stehen Produkte einer Backzutatenfirma. Szenenwechsel: Eine junge Frau filmt sich dabei, wie sie auf das Ergebnis ihres Schwangerschaftstests wartet. Überraschung – er ist positiv. Die Freude der werdenden Mutter erreicht nahezu in Echtzeit genauso zuverlässig die Follower(-innen) ihres Kanals, wie der Herstellername des Schwangerschaftstests. Insta-Moms sind kein Randphänomen, Tausende verfolgen Kanäle &bdquo;Familyfluencer“ oder Insta-Moms nennt sich das Phänomen, das sich auch in Deutschland ausbreitet. Amanda Edler, selbst dreifache Mutter und Sozialarbeiterin, absolvierte den Studiengang Gender Studies. Auf dem Weg zum Doktortitel befasst sie sich mit &bdquo;Elternschaft und Familie im Kontext von Mediatisierung und Social Media“. So war der Titel ihres spannenden Vortrags bei einer Fachtagung der AWO-Freiwilligenakademie. &bdquo;Die Mütter teilen ihren Care-Arbeitsalltag und das Muttersein auf den Social-Media-Plattformen, machen so diese Arbeit zwar sichtbar, aber inszenieren sie auch idealtypisch. Geld verdienen sie mit Werbung und Produktplatzierung“, definiert Edler. Manche Profile zeigten stärker den Familienalltag – den Weg zur Kita, die Frau bei der Essenszubereitung, die Kinder auf dem Weg in die Badewanne. Andere nähmen die Mutter in den Fokus. Manche bezögen Kinder und Partner ein, andere fokussierten auf die Frau und ihre Themen wie Fitness, Selbstfindung, Abnehmen, Lifestyle, Haushalts-, Ernährungs- und Erziehungstipps. Lesen Sie auch: Care-Arbeit: Was sich bei Vätern ändern muss &bdquo;Allen gemeinsam ist, dass sie eine Balance zwischen Geschäft und Alltäglichkeit suchen und finden müssen, um auf die User authentisch zu wirken“, führt Edler aus. Dazu werden Alltagssituationen abgefilmt, die beim Betrachter den Eindruck erwecken sollen, er sei immer &bdquo;dabei“. Insta-Moms zeigen meist traditionelles Familienbild Und was sagt die Forschung über die Wirkung der Insta-Moms und Familyfluencer auf immer mehr Frauen? Edler: &bdquo;Die allgegenwärtige Nutzung von Social Media lässt sich als charakteristisch für einen Kulturwandel beschreiben. Wir haben es also nicht mit einem Randphänomen zu tun, viele Tausende Menschen folgen diesen Kanälen.“ Althergebrachte Strukturen würden abgelöst durch solche neuen Strukturen von Öffentlichkeit. Sie begründeten ein neues Verständnis davon, was als &bdquo;normal“ gelte. Da junge Eltern Orientierung suchten, griffen sie immer stärker auf diese neuen Medien zurück, da die alten Kanäle immer mehr an Einfluss verlieren würden. Insta-Moms und Familyfluencer erzeugten bei ihren Followern ein Gefühl, &bdquo;eine von uns zu sein“, was wiederum ihre Bereitschaft erhöhe, Werbung zu akzeptieren. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Megan Hawthorne aka The Belle of the Budget (@megan.hawthorne) Das Phänomen sei ambivalent – einerseits werde Care-Arbeit sichtbarer, die jungen Mütter kämen in den Austausch, verdienten eigenes Geld durch das Business. Sie kämen aus der Isolation heraus, die die Mutterrolle mit sich bringen kann. Andererseits zeigten die Profile meist ein Bild von Familie, das durch &bdquo;heteronormative Geschlechtlichkeit“ gekennzeichnet sei – mit dem Mann als Ernährer. &bdquo;Die meisten dieser Kanäle zeigen ein sehr traditionelles Familienbild. Profile homosexueller Paare oder Alleinerziehender haben weit weniger Reichweite“, so Edler. Die Inszenierung von Mutterschaft als &bdquo;idealisiertes weibliches Lebenskonzept“ werde auf die Spitze getrieben. Insta-Moms können Unzufriedenheit erzeugen Kaum abgebildet auf den Hochglanzkanälen wird die gesellschaftliche Debatte über die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit, die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die zunehmende Zahl von Mütter-Burn-outs mit steigenden Kuraufenthalten. Dieser Masse an Profilen, die ein recht einheitliches Bild von Familie, Mutterschaft und Partnerschaft zeichnen, könnten sich gerade junge Mütter kaum entziehen: &bdquo;Sie geraten in einen Sog.“ Die Bildsprache leistet ein Übriges – weichgespülte Farben, romantische Musik, adrette Interieurs, Schwangerschaft, inszeniert in nahezu jungfräulicher Weise. Lesen Sie auch: Immer mehr Eltern im Kreis Gütersloh leiden unter Dauerstress Was folgt daraus? &bdquo;Die meisten dieser Profile haben keinen empowernden Effekt, im Gegenteil. Eher erzeugen sie Unzufriedenheit und emotionale Instabilität“, so Edler. Ihre Botschaften machten Druck, verstärkten das Gefühl, nicht zu genügen. Dass das Leben der erfolgreichsten Influencer, die sich große Häuser, dicke Autos, vielleicht eine Nanny leisten können, etwas mit der eigenen Realität zu tun hätten, sei ein Irrglaube. &bdquo;Es ist der Job der Familiyfluencer, zu konsumieren, zu bewerben, zu verkaufen. Konsum, Mutterschaft und Familie werden verwoben.“ Bilder aus dem Internet haben Einfluss auf Frauen Die Bilderfluten aus dem Internet hätten enormen Einfluss auf Frauen, die sich in der sensiblen Phase der Familiengründung befänden und sich mit der moralisch aufgeladenen Mutterrolle auseinandersetzen müssten. &bdquo;Man sollte sie damit nicht allein lassen, sondern beim Einordnen helfen“, appelliert Edler. Und schließt die Forderung an, neben Kindern und Jugendlichen auch Erwachsene in ihrer Medienkompetenz zu trainieren. Weitere Probleme täten sich beim &bdquo;Sharenting“ auf, dem Einbinden der Kinder, deren Recht auf Privatsphäre ignoriert werde. Namen, Alter, Schulweg, Hobbys, Krankheiten – es gibt Kanäle, die das ungeniert in die Welt blasen. &bdquo;Kinder sind Teil des Geldverdienens, die Angebote generieren mehr Reichweite, wenn Gesichter gezeigt werden“, betont Edler. Hier brauche es dringend neue Gesetze zum Schutz von Kindern. Die langfristigen Konsequenzen können bitter sein: In den USA – häufig Vorläufer hiesiger Entwicklungen – lassen sich erste Fälle beobachten, in denen herangewachsene &bdquo;Models“ von einst mit ihren durchaus ausbeuterisch agierenden Eltern brechen.

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