Katja Lange-Müller eröffnete die Bielefelder Literaturtage mit viel Witz und Esprit

Bielefeld. Jetzt sind sie da, die meist tristen, grauen Herbsttage - doch zum 29. Mal versprechen die Literaturtage der Stadtbibliothek Abhilfe: Bei einem guten Buch, wahlweise einem Glas Wein und dazu musikalischer Untermalung lesen elf Autorinnen und Autoren aus ihren aktuellen Werken. Sechs weibliche und vier männliche Autoren, darunter eine italienische Autorin. Zu den zehn Romanen gesellt sich ein Sachbuch über die Flucht der Intellektuellen in der Nazi-Zeit. Erneut hat Literaturtage-Leiterin Angelika Teller ein spannendes Fest der modernen Literatur für die ersten Herbstwochen arrangiert. Den Auftakt machte die mit vielen Preisen ausgezeichnete Schriftstellerin Katja Lange-Müller. Passender zum Motto der Literaturtage hätte die Wahl mit der Berlinerin nicht ausfallen können, die ihr neues Buch &bdquo;Unser Ole“ mitbrachte. Denn das Motto &bdquo;Am Ende ist es für die Literatur unwichtig, ob eine Geschichte passiert ist oder nicht“, unterschreibt auch die 73-Jährige, die bei ihren Büchern oft nach einer möglichen autobiografischen Note gefragt wird: &bdquo;Es ist völlig egal, ob es passiert ist oder voll erfunden. Das Setting und die Konstellationen sind absolut vorstellbar, das macht es aus.“ In ihrem neuen Roman &bdquo;Unser Ole“ finden sich drei Frauen und der 18-jährige Hüne Ole - kognitiv beeinträchtigt, mit einem IQ um die 45 - in einem Haus zu einer WG zusammen. Ida zieht aus Not zu Elvira, die Hilfe bei der Betreuung ihres Enkels Ole benötigt. Oles Mutter Manuela, die ihn seit seiner Geburt nicht mehr gesehen hat, taucht nach einem tragischen Ereignis wieder auf. Die Geschichte beleuchtet die komplizierten, verletzten Beziehungen zwischen den Nachkriegsgenerationen . &bdquo;Widersprüchliche Menschen, Verhältnisse und Charaktere“ Nach jeder Lesepassage gab Lange-Müller Einblicke in den Schaffensprozess und ihre Gedanken. So habe sie den Roman während der Corona-Zeit begonnen, &bdquo;schlecht gelaunt wie meine Protagonisten - meistens jedenfalls.“ Mit ihrer direkten Berliner Art brachte sie das Publikum in der Zentralbibliothek am Neumarkt oft zum Lachen. Lesen Sie auch: Letzte Ausstellung im Bielefelder Kunstforum mit dem Maler Cornelius Völker Aufgewachsen ist Katja Lange-Müller in der DDR. Ihre Mutter Inge Lange war hochrangige SED-Politikerin und eine der wenigen Frauen an der Spitze des Regimes. 1984 reiste die Schriftstellerin aus nach West-Berlin, zuvor hatte sie am heutigen Literaturinstitut Leipzig das Schreiben gelernt. Reichlich Preise hat die 75-Jährige in ihrem Schriftstellerleben abgeräumt, darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis, den Günter-Grass-Preis und den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. Von ihrem Humor konnten sich die 100 Besucherinnen und Besucher der Lesung nun überzeugen. Das Publikum konnte nach der Lesung eigene Fragen stellen. So berichtet Lange-Müller dann von ihrem Weg zur Schriftstellerin. Was sie noch heute am Schreiben reize? &bdquo;Es sind die Widersprüche. Widersprüchliche Menschen, Verhältnisse, Charaktere. Es ist die Einheit und der Kampf der Gegensätze.“ Lesen Sie auch: Endlich zugesagt: Ex-Bundespräsident nimmt Einladung in Bielefelder Buchhandlung an Zehn weitere Events der 29. Bielefelder Literaturtage mit hochkarätigen Autoren werden bis Mitte November folgen. Alle Veranstaltungen beginnen um 20 Uhr in der Stadtbibliothek und werden musikalisch begleitet. Als Nächstes liest Iris Wolff am Dienstag, 8. Oktober, aus ihrem Roman &bdquo;Lichtungen“, ausgezeichnet mit dem Uwe-Johnson-Preis und auf der Shortlist vom Deutschen Buchpreis 2024. Drei Tage später folgt Uwe Wittstock mit seinem Sachbuch &bdquo;Marseille 1940“. In dem Werk widmet sich der bekannte Literaturkritiker den aus Nazi-Deutschland ins französische Exil geflohenen Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich und der unerwartet schnellen Kapitulation der französischen Armee avanciert die Hafenstadt Marseille zum Hort von Hoffnung und Unglück.

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