Ärger um riesiges Bauprojekt in Bielefeld: Anwohner auf den Barrikaden

Bielefeld. Große Aufregung herrscht unter den Anwohnern der Buschkampsiedlung in Bielefeld-Senne. Ein ausgedehntes Bauvorhaben im Schellingweg ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie beklagen Falschaussagen, fehlende Transparenz und haben Angst vor Überschwemmungen. Die &bdquo;NW“ spricht mit Bauträgern, dem Bauamt und dem Bezirksbürgermeister. Martin Wolf wohnt in dritter Generation in der Straße, die überwiegend von Einfamilienhäusern auf großzügigen Grundstücken geprägt ist. Mitten in der Siedlung hat ein Nachbar seine 4.000 Quadratmeter verkauft, die Hälfte war bis vor drei Jahren noch waldähnlich bewachsen. &bdquo;Er hat uns erzählt, der neue Besitzer möchte dort zwei Einfamilienhäuser für die Eltern und Schwiegereltern bauen.“ Inzwischen zeigt das Ausmaß der Baustelle ein anderes Vorhaben: Vier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 22 Wohneinheiten und Tiefgarage entstehen auf der Fläche. &bdquo;Alles wurde abgeholzt und die Grundstücksgrenzen bis auf den letzten Meter ausgebaggert“, so der direkte Grundstücksnachbar verärgert. Für diese ruhige Gegend sei es eine &bdquo;Super-Baustelle“. Am meisten stören die rund 40 Anwohner die fehlenden Informationen im Vorfeld über das Vorhaben. Erhöhtes Gefährdungspotenzial durch Bauvorhaben Aber auch ihre Bedenken sind vielfältig. Der Schellingweg liegt in einer Senke. Laut der Starkregenkarte der Stadt gibt es hier ein erhöhtes Gefährdungspotenzial. Tieferliegende Anwohner sind in Sorge: &bdquo;Wir möchten wissen, wohin das Oberflächenwasser versickern soll.“ Gleichzeitig bezweifelt Wolf, dass Wasser- und Stromleitungen in der Straße für die zusätzliche Last ausreichen: &bdquo;Morgens beim Duschen merke ich schon jetzt Druckschwankungen.“ Lesen Sie auch: Diese Immobilien werden im September in Bielefeld zwangsversteigert Auch von erheblichen Belästigungen sprechen die Anwohner: &bdquo;Unsere Gläser im Gang zittern, wenn die Muldenkipper und Bagger hier morgens ab 6 Uhr durch die kleine Straße fahren.“ Eine Beschwerde beim Ordnungsamt habe den frühmorgendlichen Baubeginn kurzzeitig auf 7 Uhr verschoben. &bdquo;Das hat aber nicht lange gehalten – hier ist in den letzten zwei Wochen so viel gehupt worden wie in 40 Jahren nicht“, so Wolf. Die Nachbarschaft im Schellingweg hat viele Bedenken Lärmschutz, Parksituation, Bauverkehr – die Nachbarschaft äußert viele Bedenken. Auch ob es dringend benötigter bezahlbarer Wohnraum oder &bdquo;überteuerte Eigentumswohnungen, die dann leer stehen“ sind. Ein Bauschild mit Informationen zu den Verantwortlichen habe er vergeblich gesucht. Inzwischen hat Wolf mit ausführenden Baufirmen gesprochen und den Bauherren ermittelt. Es handelt sich um die an der Welle in Bielefeld ansässige Unique Properties GmbH. Das Unternehmen Bollweg und Partner aus Rietberg führt Bau, Vermarktung und Betrieb aus einer Hand aus. Zum Thema: Bauen und Wohnen in Bielefeld – alle Nachrichten und Hintergrundberichte auf der großen Themenseite im Überblick Geschäftsführer Robin Bollweg: &bdquo;Natürlich haben wir bei der Planung des Grundstücks auf ökonomische Gesichtspunkte geachtet, diese standen bei dem Projekt aber nicht im Vordergrund. Aus dem Grund haben wir das Grundstück auch nicht komplett ausgereizt, viel mehr wurden die Bebauung entzerrt und die Baukörper an die Siedlung angepasst.“ Für eine Bebauung mit Einfamilienhäusern wäre so viel Platz allerdings zu schade. &bdquo;Mietwohnungen sind das, was gerade fehlt“, sagt er. Fertigstellung der Wohnanlage für 2025 geplant Die ausführenden Firmen haben das Baufeld geräumt, die Einmessung gemacht und gehen jetzt in die Tiefe. Die Fertigstellung der Wohnanlage ist für Herbst 2025 geplant. Im KfW-40-Standard gehören eine Wärmepumpe und eine Solaranlage für das warme Wasser dazu. So sollen die Nebenkosten niedrig sein. Bollweg bezeichnet die Wohnungen als gehobenen Standard: 70 bis 80 Quadratmeter, mit Aufzug, Fußbodenheizung, bodentiefen Fenstern, Freisitz und Wallboxen in der Tiefgarage. &bdquo;Wir werden auch eine Gartenanlage schaffen und uns bei der Vermietung am örtlichen Marktpreis orientieren“, sagt er. Die Wohnungen sollen in Kürze schon zur Vermietung angeboten werden. Bollweg: &bdquo;Wir haben sogar schon Anfragen aus der unmittelbaren Nachbarschaft – Interessenten, die sich im fortgeschrittenen Alter bewusst verkleinern wollen.“ Lesen Sie auch: Mieterhöhung über 70 Prozent – Bielefelder Anwalt gibt Nachbarschaft wichtige Tipps Eine Entwässerungsgenehmigung der Stadt liegt vor; diese wurde im Rahmen des Energiekonzeptes bereits berechnet. &bdquo;Wir werden nicht die gesamte Fläche versiegeln und mit einer Muldenversickerung arbeiten“, erklärt der Unternehmer. So äußert sich der Bezirksbürgermeister Auch Bezirksbürgermeister Stefan Mahne (CDU) war inzwischen vor Ort. Er steht mit den Bewohnern im Dialog. Das hydrologische Gutachten hat er gesehen. &bdquo;Die Hochwassergefahr ist auf die versiegelte Straße zurückzuführen; die Versickerung auf den jeweiligen Grundstücken muss durch entsprechende Anlagen sichergestellt werden“, so Mahne. Zu den Energiesorgen heißt es aus dem Bauamt: &bdquo;Sofern der Strombedarf innerhalb eines Siedlungsbereichs stark zunimmt, sind die Versorger gehalten, diese Bedarfe abzudecken. Eine Baugenehmigung kann nicht aufgrund mangelnder Trinkwasser- oder Strommengen versagt werden.“ Die ausführenden Firmen halten sich laut Bollweg an das Immissionsschutzgesetz und versuchen, möglichst alles auf dem Baufeld abzuwickeln. &bdquo;Aber die Erde müssen wir abfahren, da kommen wir nicht drumherum“, sagt er. Gleichzeitig verspricht er, die Handwerker für die engen Straßenverhältnisse, entsprechend angepasste Geschwindigkeit und vermeidbaren Lärm zu sensibilisieren. Ein gemeinsamer Austausch vor Ort hat inzwischen stattgefunden. &bdquo;Ich bin für jeden weiteren Vorschlag offen, die Anwohner haben unsere Kontaktdaten bekommen“, sagt er. Es gibt keinen gültigen Bebauungsplan Mindestens eine entscheidende Frage bleibt: Fügt sich das Vorhaben verträglich in die Nachbarschaft ein? Offenbar ist der Interpretationsspielraum groß. Stefan Mahne erklärt, dass es für die Buschkampsiedlung derzeit fünf Bebauungspläne gibt. &bdquo;Sie alle sind von 2019 noch im Entwurfsstadium und wurden nicht vorangetrieben“, so der Bezirksbürgermeister. Dem Grund ist Mahne nun auf der Spur: &bdquo;Solange kein Bebauungsplan verabschiedet ist, gilt das Baurecht nach Gesetzbuch, und dabei können wir nur begrenzt Einfluss nehmen.“ Lesen Sie auch: 450 Wohnungen – riesiges Neubaugebiet mit besonderem Flair in Bielefeld Immer mehr Anwohner finden sich damit ab. &bdquo;Wir können das Bauvorhaben nicht mehr verhindern und haben gesetzlich keine Handhabe.“ Das Bauschild steht inzwischen. Vorübergehend sei es auf der Baustelle ruhig. Baustopp: &bdquo;Es soll statische Probleme mit den Grundstücksgrenzen und dem sandigen Boden geben“, sagt Wolf. Dem widerspricht Bollweg. Es werde lediglich auf einen neuen Termin vom Tiefbauer gewartet. Die unmittelbaren Anwohner haben trotzdem Angst, ihre Grundstücke könnten absacken. Ruhe wird auf lange Sicht in der Siedlung nicht einkehren. Die Nachverdichtung schreitet unaufhörlich voran. &bdquo;Die Senne ist ein boomender Stadtteil, überall wird neuer Wohnraum erforderlich“, so Mahne. Neue Kita entsteht in direkter Nachbarschaft Auf dem ehemaligen Tennisplatz direkt neben der neuen Wohnanlage entsteht eine vierzügige Kindertagesstätte. Das wurde gerade erst in der Bezirksvertretung beschlossen. Die Parkplatz- und Verkehrssituation wird noch geprüft. &bdquo;Wir müssen ein Konzept erarbeiten, wie der Schellingweg das verkraften soll“, sagt Mahne.

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