Bielefelder Wissenschaftler im Kampf gegen Mukoviszidose

Bielefeld. Als Max 14 Jahre alt war, wog er nur 30 Kilo. Trotz hochkalorischer Nahrung nahm er kaum zu. Zähflüssiger Schleim, besonders auf der Lunge, erschwerte sein Atmen, lähmte das Allgemeinbefinden. Max Beckmann hat einen Gendefekt, der dafür sorgt, dass die Körpersekrete des Jungen zähflüssig sind, potenzieller Nährboden für Krankheitserreger. Strikte Hygiene prägte den Alltag von Max, der seit seiner Geburt an der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leidet. Durch die vergleichsweise späte Diagnose habe seine Lebenserwartung bei nur 14 Jahren gelegen, sagt er. &bdquo;Ständig war da die Angst, dass ich mich mit Bakterien infizieren könnte. Oder, noch schlimmer, mir einen Pilz einfange, der mein Leben akut bedroht hätte“, erinnert sich der heute 21-jährige Student der Bioinformatik und Genomforschung an seine Kindheit. Er musste auf Vieles verzichten Denn Wasser – für Gesunde ein &bdquo;Lebenselixier“- ist für an Mukoviszidose Erkrankte eine tickende Zeitbombe. &bdquo;Bäche, Wasserpistolen beim Spielen, sogar die Wasserhähne und Toilettenspülungen in der Schule waren hochgefährlich. Ich musste den Gefahren so gut wie möglich aus dem Weg gehen“, schildert Beckmann. Das Resultat: Er musste auf Vieles verzichten, habe stets eine &bdquo;Sonderrolle“ eingenommen. &bdquo;Die Isolation der Coronakrise ist für Mukoviszidose-Betroffene der Normalzustand“, sagt er. Als Max 15, 16 Jahre alt war, kam die Trendwende – in Gestalt eines besonderen Medikaments. Mithilfe von Immunmodulatoren, die auf seinen spezifischen Gendefekt ?F508 zugeschnitten sind, werden seine Symptome seither deutlich verringert. Eine Art Befreiungsschlag. Ohne das Medikament, das etwa 16.000 Euro im Monat kostet und von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt wird, wären ein fast normales Leben und das Studium für Max kaum möglich. Inzwischen kann er sogar Hände schütteln, eine öffentliche Toilette benutzen, ohne ein unkalkulierbares Risiko einzugehen. Er und seine Eltern sind sehr engagiert in der Aufklärung und Selbsthilfe. Max schrieb seine Bio- Facharbeit in der Oberstufe über die Immunmodulation. Doch aktuell hilft Max am Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Uni Bielefeld einer Gruppe Studierender beim Erreichen eines noch höheren Ziels – der Reparatur mutierter Gene, die zu der Krankheit führen. Als Berater einer Arbeitsgruppe, die mit dem Thema zum weltberühmten iGEM (international Genetically Engineered Machine)-Wettbewerb antreten will, veranstaltet vom berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston. Lesen Sie auch: Vier Millionen Deutsche leiden unter Seltenen Krankheiten Die 14-köpfige Bielefelder Gruppe formierte sich im Januar, tagte im Februar und arbeitet nun strukturiert und arbeitsteilig an nichts weniger als einer potenziellen Gentherapie für Mukoviszidose-Kranke. Ein ehrgeiziges Vorhaben. Zu diesem Wettbewerb gehören nicht nur Laborarbeit und Forschung, sondern auch diverse Aspekte der Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Team-Mitglied Liliana Sanfilippo (22), Bioinformatik-Studentin, hatte den Kommilitonen in der Unihalle getroffen und kam mit ihm ins Gespräch. Danach stellte sie der thematisch noch unentschlossenen Gruppe das Thema vor. &bdquo;Diese Arbeit ist unfassbar kostbar, sie gibt Hoffnung“ Die Nachwuchswissenschaftler werden von den CeBiTec-Forschern Jörn Kalinowski und Christian Müller betreut. Über frei zugängliche Forschungsergebnisse im Netz und Veröffentlichungen in Fachmagazinen, über viel Recherche und Gespräche mit Experten, entwickelte sich ein Forschungsdesign, mit dem sie punkten wollen. Wenige Wochen vor der Abgabe von Homepage und Video, ist die Gruppe geradezu enthusiastisch. Eigens für die Präsentation beim Wettbewerb Ende Oktober in Paris ließen sich die Bachelor- und Masterstudierenden T-Shirts drucken. Darauf prangt die schematische Darstellung ihres Forschungsvorhabens und der kämpferische Slogan &bdquo;Fight Cystic Fibrosis“. Mittels eines besonderen Verfahrens, genannt &bdquo;Prime Editing“, soll dieser Kampf gewonnen werden. Lesen Sie auch: Bielefelder Uniteam holt Goldmedaille beim iGEM-Wettbewerb Eine Methode, die – vereinfacht ausgedrückt – den Einsatz der Genschere CRISPR/Cas mit einem weiteren Protein verbinde, das die Reparatur des mutierten DNA-Abschnitts vornehme, erklärt Teammitglied Philip Mundt (22). Und weiter: &bdquo;Die Medikamente, die Max nimmt, verbessern seine Situation, die Gentherapie könnte den Defekt reparieren. Das wäre doch viel smarter.“ &bdquo;Ich bin sehr stolz auf dieses Team“ Natürlich wurde das Verfahren nicht an der Uni Bielefeld erfunden, schon 2019 sei erstmals seitens des Broad Instituts von MIT und Harvard dazu publiziert worden. Doch die Bielefelder verfeinern es, sorgen für den Transport des Reparaturproteins an die richtige Stelle – all das freilich zunächst nur im Reagenzglas und in der Petrischale im Labor. Eine weitere Herausforderung, so Christian Michalek: &bdquo;Die großen Bestandteile des Prime Editing müssen verkleinert werden, um sie als mRNA in einem Nanopartikel an Lungenzellen als Wirkort der Therapie zu bringen.“ Die Verabreichung könne über Inhalation geschehen. Eine Sprühtrocknung soll die Partikel zur temperaturunabhängigen Lagerung stabilisieren, damit die Therapie auch in Entwicklungsländern zugänglich wird. Auch daran arbeiten die Nachwuchsforscher, hier bereits in Kooperation mit der Fachfirma RNhale. Klar ist ihnen, dass sie am Ende wohl kein fertiges Produkt in Händen halten werden: &bdquo;Aber wir geben den Anstoß zu weiterer Forschung, wenn wir nachweisen, dass es im Labor funktioniert“, sagt Mundt. Bis zur Marktreife könne sowas im Anschluss an die Forschung noch weitere zehn Jahre der klinischen Testung dauern. Und wie schaut Max auf die Nachwuchsforscher, die er berät: &bdquo;Sie sind sehr fleißig. Ihre Arbeit ist unfassbar kostbar und gibt Hoffnung für Betroffene.“ Egal also, ob sie bei der iGEM erfolgreich sein werden – also den BioBrick holen oder nicht – Max haben sie längst für sich gewonnen: &bdquo;Ich bin sehr stolz auf dieses Team“, sagt der und schaut zufrieden in die Runde.

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