Bürokrise in Bielefeld: Räume leer trotz niedriger Mieten

Bielefeld. Gerät nach dem Markt für Einzelhandelsimmobilien, der unter dem anhaltenden Trend zum Online-Shopping und einer Serie von Pleiten leidet, bald auch das Geschäft mit Büroflächen unter Druck? Eine Befragung unter Projektentwicklern und Maklern, die in Bielefeld und Umgebung aktiv sind, ergibt ein gemischtes Bild. &bdquo;Die Büromieten werden in absehbarer Zeit sinken“, erwartet zum Beispiel der Bielefelder Makler Michael Fredebeul. Schon jetzt seien Wohnungsmieten oft höher als Büromieten, sagt Fredebeul. Für die oberen Etagen des Karstadt-Gebäudes würde er daher etwa zur Einrichtung von Wohnungen raten. Doch Fredebeul und seine Branchenkollegen empfehlen einen differenzierten Blick. Christoph Borchard, der Bielefelds Gesicht in den vergangenen Jahren als Projektentwickler mit einer ganzen Reihe markanter Gebäude und Komplexe (Bügeleisen am Adenauerplatz, Westend-Tower, Lenkwerk) maßgeblich mitgeprägt hat, diagnostiziert gegenwärtig eine Seitwärtsentwicklung am Büromarkt. In der Corona-Pandemie sei die Nachfrage nach Büroflächen zwar durch den Zwang zum Homeoffice reduziert worden, eine drastisch erhöhte Freisetzung von Büroräumen habe es aber nicht gegeben. Lesen Sie auch: Wohnungsmarkt in Bielefeld: In diesem Viertel sind die Mieten besonders hoch Dennoch hätten sich die Anforderungen geändert: Büros müssten heute zum Beispiel Coworking-Möglichkeiten für Teamarbeit bieten, Ruhebereiche vorweisen und gewisse Freizeit-Qualitäten haben. Um die nötige Wohlfühl-Atmosphäre zu erzeugen, &bdquo;reicht es nicht allein, eine Tischtennis-Platte aufzustellen“, sagt Borchard. Unmoderne Büros in Bielefeld kaum zu vermieten Ältere Flächen aus den 60er, 70er oder 80er Jahren, die den veränderten Vorstellungen nicht gerecht würden und auf tristen Fluren nur einen Raum neben dem anderen bieten, &bdquo;stehen vermehrt leer“. Wenn der alte Mieter ausziehe, seien solche unmodernen Bürofluchten kaum noch neu zu vermieten, &bdquo;egal zu welchem Preis“, warnt Borchard. Entsprechend weite Spannen gebe es bei den Mieten: In Bielefeld seien schon Flächen für fünf bis sieben Euro monatlich pro Quadratmeter zu bekommen – Büroräume, für die es dennoch nur geringe Nachfrage gebe. Im Neubaubereich reiche die Spanne etwa von 13 bis 18 Euro pro Monat. &bdquo;Im Bestand stagnieren die Mieten ohne die üblichen Steigerungen, aber im Neubaubereich liegen die Mieten heute um bis zu 20 Prozent höher als vor Corona“, sagt Borchard. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den neuen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld Homeoffice werde von den meisten Arbeitgebern nicht als kompletter Ersatz für Büroarbeitsplätze gewünscht. Die Sorge um die Bindung ans Unternehmen dürfte der Grund sein. An der Bahnhofstraße stehen viele Häuser zum Verkauf Jens Schramm von Heise Immobilien in Bielefeld verweist auf die große Bedeutung der Flächengrößen: &bdquo;Für Büros mit weniger als 300 Quadratmeter Größe ist die Nachfrage größer als das Angebot“, sagt der Experte für Gewerbeimmobilien. &bdquo;Flächen mit 150 Quadratmeter in der City sind weiterhin sehr begehrt“, weiß er. Größere Flächen von 500 bis 1.000 Quadratmetern hingegen &bdquo;stehen wie Beton, wenn sie nicht wie aus dem Ei gepellt sind“, weiß Schramm. Lesen Sie auch: Kaufen oder mieten in Bielefeld? Was lohnt sich auf dem Immobilienmarkt OWL Größere Unternehmen bauen ohnehin in der Regel neu, um den eigenen Bürobedarf passgenau zu decken. Immobilienbesitzer fürchten daher, dass gerade die Vermietung bestehender Gewerbeimmobilien schwieriger wird, weil der stationäre Einzelhandel in der Krise steckt und die Entwicklung des Büroimmobilienmarkts zugleich ungewiss ist. An der Bahnhofsstraße etwa, die eigentlich als Top-Adresse gilt, stünden wegen der Verunsicherung derzeit so viele Häuser zum Verkauf wie nie zuvor, so heißt es. Branchenkenner berichten zudem von Büro-Leerständen etwa am Niederwall oder an der Artur-Ladebeck-Straße. Gerald Staacke, der sich als Referent Stadt- und Regionalplanung bei der IHK Ostwestfalen etwa um den regelmäßig erscheinenden Mietpreisatlas kümmert, sieht die Entwicklung bisher aber unaufgeregt. &bdquo;Brauchen wir immer noch so viele Büros, obwohl immer mehr Arbeiten vom Homeoffice geleistet werden kann?“, fragt er und gibt selbst eine Antwort: &bdquo;Wahrscheinlich ja.“ Von Unternehmensseite sei auch in der jüngeren Vergangenheit ein weiterer Aufbau von Büroflächen gemeldet worden. Lesen Sie auch: Umzug von Seidensticker und Co.: Warum in OWL mehr Leerstände drohen könnten Das korrespondiere mit dem anhaltenden Aufbau von Arbeitsplätzen in den Bereichen Dienstleistung und Verwaltung. Berichte über große Leerstände gebe es selten, und die Nachfrageschwäche sei nicht so deutlich wie im Handel. Eigentümer müssen sich was einfallen lassen und investieren Staacke sieht zudem bisher auch keinen klaren Trend zur Umwandlung leerstehender Büros in Wohnungen. Das deckt sich mit der Einschätzung von Christoph Borchard: &bdquo;Es wird viel über die Umwandlung in Wohnungen gesprochen, aber in den wenigsten Fällen funktioniert das tatsächlich“, sagt Borchard. Zum Beispiel seien in Wohnhäusern meistens viel mehr &bdquo;Erschließungsstränge“ mit Treppenaufgängen nötig als in größeren Bürogebäuden. Auch die Versorgung mit Heizungen und Sanitäreinrichtungen müsse völlig neu organisiert werden: &bdquo;Ein Wohngebäude braucht fünfmal so viele Sanitärräume wie ein Bürogebäude.“ Fredebeul verweist darauf, dass beim Umbau die Erfüllung von Auflagen zu den Stellplätzen oder zum Brand- und Schallschutz zum Problem werden könne. Am Ende sei ein Neubau oft günstiger als ein kostenträchtiger Umbau. Lesen Sie auch: Verdoppelung der Miete schockiert Bielefelder – Das sollten Mieter unbedingt wissen Die Quintessenz: Wird eine Büroimmobilie zum Ladenhüter, dann müssen sich die Eigentümer &bdquo;etwas einfallen lassen“ und investieren. Viele Schlußfolgerungen liegen auf der Hand: Das schönste Büro ist schwer vermietbar, wenn es im dritten Stock eines Hauses ohne Aufzug liegt, Barrierefreiheit ist heute obligatorisch. Auch Energieeffizienz wird großgeschrieben. Jens Schramm sagt es unumwunden: &bdquo;Schlechte Lage und schlechte energetische Ausstattung – da will keiner rein.“

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