Schutzsuchender in Bielefeld trotz Kirchenasyls auf offener Straße verhaftet

Bielefeld. Die Zeit drängt. Am Donnerstag, 20. Juni, soll der 24-jährige Georgier N. ein Flugzeug besteigen und in sein Heimatland ausreisen, in dem er und seine Familie seit Jahren drangsaliert, physischer und seelischer Gewalt ausgesetzt seien, sagen seine Bielefelder Unterstützer. Weil sein Vater sich geweigert habe, zugunsten der aserbaidschanisch-georgischen Mafia Unschuldige zu belasten. Er hatte ein Gewaltdelikt beobachtet und sollte die Täter mit seiner Aussage entlasten, die Opfer belasten. Danach war die Familie praktisch &bdquo;vogelfrei“ und immer wieder tätlichen Angriffen ausgesetzt, N.’s Schwester sei sogar kurzzeitig entführt worden. Die Familie floh vor der Gewalt 2017 nach Deutschland, wurde zurückgeführt, N. reiste illegal wieder ein. Georgien gilt zurzeit laut den deutschen Behörden als &bdquo;sicheres Herkunftsland“, was Asylersuchen erschwert. Seit März erlangte N. Kirchenasyl in der Süsterkirchen-Gemeinde, nachdem sein Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt worden war. Gegen diesen Bescheid läuft eine Klage beim Verwaltungsgericht Minden, die aber keine aufschiebende Wirkung hat. Um zu verhindern, dass N. ausgewiesen wird, während das Verfahren noch läuft, erfolgte das Kirchenasyl. Am 28. Mai indes wurde N. in der Altstadt von der Straße weg, auf Veranlassung eines Mitarbeiters der Bielefelder Ausländerbehörde, verhaftet. Noch am Abend mit Hand- und Fußfesseln zur JVA Büren Er hatte eine seltene Gelegenheit genutzt und mit seiner Schwester (die als Studentin eine Duldung genießt) einen kurzen Gang durch die Altstadt gemacht. Friederike Kasack, ehrenamtliche Asylhelferin in der Süsterkirchen-Gemeinde: &bdquo;Er traf unvermittelt auf einen Mitarbeiter des Ausländeramtes, den er kannte, grüßte arglos. Der Mitarbeiter rief die Stadtwache, die den jungen Mann festsetzte, mit dem Argument, er sei wegen Einreisevergehen zur Fahndung ausgeschrieben. Lesen Sie auch: Wie Bielefelds Kirchenasyl diesen Flüchtling 2019 retten konnte &bdquo;N. konnte nicht einmal das Nötigste aus seiner Unterkunft holen. Er wurde einem Haftrichter vorgeführt und noch am selben Abend mit Hand- und Fußfesseln in die Abschiebehaftanstalt Büren verlegt“, berichtet Kasack. Dort müsse er nun auf seine Ausreise warten, was dem nachweislich wegen seiner Lage psychisch angegriffenen Asylsuchenden hochgradig belaste. N. habe sich &bdquo;in einem vermeintlich sicheren Rahmen des Kirchenasyls“ befunden, einer seit Jahrzehnten etablierten Praxis der Kirchengemeinden zum Schutz vor unrechtmäßiger Abschiebung. &bdquo;Er würde gerne eine Ausbildung zum Altenpfleger machen“ Weil sie von der bedrohlichen Lage des jungen Mannes überzeugt sind, hatte der Arbeitskreis Kirchenasyl in der Süsterkirchen-Gemeinde ihn ins Kirchenasyl genommen. Dessen Mitglieder und auch das unterstützende Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche NRW sind überzeugt, dass sein Fall einer weiteren Prüfung bedarf. Konkret bedeute das, dass er bis zum Abschluss seines Asylverfahrens in den Räumen des Kirchenasyls Schutz genießt. &bdquo;Dass er sich im Kirchenasyl befindet, haben wir selbstverständlich den städtischen Behörden gemeldet. Dann ist es gängige Praxis, in gegenseitigem Respekt die Entscheidung der Gerichte abzuwarten“, so Kasack. Vermutlich habe der Behördenmitarbeiter N.s kurzzeitiges Heraustreten aus dem geschlossenen Raum als Zugriffsanlass betrachtet. Der junge Mannes sei nach Jahren in Deutschland &bdquo;gut integriert, der deutschen Sprache mächtig und besonders begabt im Umgang mit alten Menschen“, sagen seine Unterstützer. Kasack: &bdquo;Er würde liebend gerne eine Ausbildung zum Altenpfleger machen.“&bdquo;Wenn der Haftantrag nicht aufgehoben wird und er nicht zurückkehren kann in sein Domizil, wird er ausreisen müssen“, so Kasack, die mit anderen Unterstützern tägliche Besuche in der Haftanstalt unternimmt, um den jungen Mann, der als suizidgefährdet gilt, zu stabilisieren. Psychiatrische Gutachten belegen besondere Belastung Inzwischen kämpft auch die Rechtsanwältin Zübeyde Duyar für den Georgier, hat Eilanträge in Richtung der Ausländerbehörde Bielefeld und an das Verwaltungsgericht Minden gestellt, den Petitionsausschuss des NRW-Landtags angerufen. Darin hat sie auch auf die Reiseunfähigkeit von N. verwiesen. Sie fügte psychiatrische Gutachten aus Bethel bei, die eine Amtsärztin der Stadt Bielefeld bestätigt hatte und die ihm besondere psychische Belastung attestieren. Diese Papiere hätten den Behörden allerdings schon vorher vorgelegen, aber keine Beachtung gefunden. Laut Unterstützerkreis sei es bisher nicht gelungen, eine persönliche Anhörung zu erwirken. Schreiben an OB Pit Clausen und seinen Stellvertreter Sozialdezernent Ingo Nürnberger blieben unbeantwortet. Auch für die Neue Westfälische waren Vertreter der Stadt so kurzfristig, bis zum Redaktionsschluss, nicht erreichbar.

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