Übers Ziel hinaus: Bielefelds Taubenkonzept droht zur Farce zu werden

Man kann sagen, sie haben sich nicht besonders geschickt angestellt. Man kann auch sagen, sie sind übers Ziel hinausgeschossen. Ein offener Brief von Taubenfreunden gegen den Einsatz einer Verhütungspille für Stadttauben hat in dieser Woche für Aufsehen gesorgt. In ihm wird berichtet, Geschäftsleute aus dem Umfeld des Taubenwagens an der Mindener Straße würden das Vorgehen der Tierschützer unterstützen. Die Taubenfreunde setzen darauf, die Eier der Tauben gegen Attrappen auszutauschen, um den Bestand zu regulieren. Den Brief, der an Politik und Medien ging, zieren die Logos der Geschäfte. Doch hat sich herausgestellt: Zwar haben die Tierschützer mit einzelnen Geschäftsleuten gesprochen. Nicht alle aber haben ihre Zustimmung zu einer Veröffentlichung gegeben, schon gar nicht dazu, dass ihre Logos verwandt werden. Lesen Sie auch: Jetzt steht fest: Verhütungspille für Bielefelds Stadttauben kommt In dem Schreiben wird denn auch niemand mit seinem Namen genannt. Auch die Tierschützer selbst halten mit ihren Namen hinter dem Berg. Ihrer Sache haben die Taubenfreunde mit der Aktion mehr geschadet als genutzt. Der Widerstand gegen die Reduzierung des Taubenbestandes nehme bizarre Züge an, hat Jan Maik Schlifter (FDP) die Entwicklung kommentiert. Damit hat er recht. Das sind die Folgen der Taubenpopulation in Bielefeld Für die einen sind Tauben liebenswerte, intelligente und anpassungsfähige Tiere, andere verunglimpfen sie als &bdquo;Ratten der Lüfte“. Bis zu 1.500 Tauben tummeln sich in der Bielefelder Innenstadt. Doppelt so viele wie noch vor ein paar Jahren, schätzt die Verwaltung. Für viele Bürger seien sie zu einer Plage geworden. Jede einzelne Taube produziert zwölf Kilo Kot im Jahr. Der findet sich dann oft auf Dächern und Balkonen wieder, verursacht nicht unbeträchtliche Schäden. Die Beschwerden darüber hätten deutlich zugenommen, heißt es aus dem Rathaus. Deshalb soll die Zahl der Tauben eingedämmt werden. Das Veterinär- und Gesundheitsamt hat dafür ein Konzept entwickelt, das zunächst auf drei Jahre beschränkt sein soll. Es wurde von der Bezirksvertretung Mitte bereits gebilligt und sollte am Dienstag eigentlich vom Sozial- und Gesundheitsausschuss des Rates bestätigt werden. Diese Maßnahmen plant die Stadt Bielefeld Neben einem Fütterungsverbot für Privatleute soll von der Stadt an zwei Stellen, am Niederwall und am Taubenwagen an der Mindener Straße, ein mit Ovistop behandelter Mais verfüttert werden. Das Medikament wird eigentlich in der Geflügelzucht eingesetzt, soll Darminfektionen verhindern, mindert aber auch die Fruchtbarkeit der Tiere, wirkt also ähnlich wie eine Verhütungspille. Die Tierschützer sprechen von einer unkontrollierbaren chemischen Keule, mit der auch andere Vogelarten geschädigt werden könnten. Die städtischen Veterinäre widersprechen, verweisen auf positive Erfahrungen in vielen anderen Städten. Lesen Sie auch: &bdquo;Das ist Tierquälerei“: Stadt Bielefeld startet Tauben-Experiment mit Medikament Auch in der rot-grün-roten Rathauskoalition ist der Ovistop-Einsatz umstritten. Nicht zuletzt deshalb ist der Beschluss erneut verschoben worden. Am liebsten sähe es der Tierschutzverein, wenn ein zweiter Taubenwagen aufgestellt würde. Der stehe schon bereit. In Augsburg werde ein ähnliches Konzept mit Taubenhäusern erfolgreich praktiziert. Die Politik sollte endlich entscheiden Augsburg mit einer vergleichbar hohen Einwohnerzahl wie Bielefeld und ähnlich hoher Taubenpopulation müsse 18 Taubenhäuser errichten, um die Population nach dieser Methode nachhaltig zu begrenzen, halten die Stadt-Veterinäre dagegen. Am Ende hat die Politik das Sagen. Sie sollte es endlich entscheiden, denn sonst droht die Regulierung des Taubenbestandes zur Farce zu werden. Dass es zu viele Tauben in der Stadt gibt, ist allen klar. Im hessischen Limburg haben sich die Einwohner am vergangenen Sonntag in einem Bürgerentscheid übrigens für eine viel radikalere Lösung entschieden. Dort sollen die Tauben betäubt, ihnen dann von einem Falkner das Genick gebrochen werden. Das ist unethisch, die Verhütungspille für Tauben wäre es nicht. Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Meinung unter michael.schlaeger@nw.de

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