Jugendliche terrorisieren Bielefelder Stadtteil: Projekt steuert jetzt dagegen

Bielefeld. &bdquo;Jugendgang überfällt mehrere Opfer, Anwohner trauen sich abends nicht mehr aus dem Haus, 15 alkoholisierte Jugendliche zündeln an zwei Schulen und verursachen rund 350.000 Euro Sachschaden“: Die aktuellen Schlagzeilen aus Sennestadt sind bedrückend. Bielefeld kämpft mit einer sprunghaft angestiegenen Zahl von Straftaten, die Kinder oder Jugendliche begehen. Experten sehen bei kriminellen jungen Menschen oft einen Zusammenhang zur Benachteiligung im Bildungsprozess. Ein besonderes Projekt setzt genau bei positiven Bildungseffekten an. In Sennestadt, Baumheide, Stieghorst und im nördlichen Innenstadtrand seien besonders viele Kinder aufgrund ihrer sozialen Herkunft gefährdet, vom formalen Bildungssystem abgehängt zu werden und benötigten Unterstützung, sagt Christine Meier, Bereichsleiterin beim Verein BAJ. &bdquo;Besonders dann, wenn es in der Schule zu Motivationseinbrüchen, daraus resultierenden Lernschwierigkeiten oder gar unentschuldigten Fehlzeiten kommt.“ Der Verein steuert dagegen, ist mit dem Projekt &bdquo;Youschool“ einem Multi-Media-Truck als Lernort, vor Ort. Das Ziel: mit verschiedenen Angeboten 9- bis 16-Jährigen in puncto Sozialkompetenz, Regeleinhaltung, Konzentration, Durchhaltevermögen, Verbindlichkeit und Medienkompetenz zu stärken. Und dabei erfahren zu lassen, dass Lernen Spaß machen kann. Es erfüllend ist, selbst etwas Konstruktives zu gestalten, auf das man stolz sein kann. &bdquo;Wir sprechen vor allem die sozial benachteiligten Kinder und Jugendlichen an, die nachmittags nicht zur Kunst- und Musikschule oder zum Sport gehen“, berichtet Meier. An der Hans-Christian-Andersen-Grundschule ist &bdquo;Youschool“ als AG-Angebot im offenen Ganztag integriert. Wenn die pädagogischen Mitarbeiter Markus Sander und Benjamin Thierbach Dienstagsmittags nach dem Unterricht mit dem großen Truck auf den Schulhof kommen und mit ihnen coole Drachen mit funkelnden LED-Augen aus alten Dosen, Holzresten, Modelliermasse bauen, eigene Stopp-Motion-Filme drehen, Hörspiele aufnehmen oder Sport machen, sind alle begeistert dabei. Bielefeld will steigende Jugendkriminalität mit geballter Kompetenz angehen &bdquo;Ich fasse andere nicht ungefragt an, wir konzentrieren uns und sind leise, wir erschrecken andere nicht“: Auf einem Plakat haben die AG-Teilnehmer Regeln für ein gutes Miteinander notiert. Im Rahmen des Projekts, das noch bis zum Sommer läuft, hätte ein Großteil der Teilnehmer enorme Fortschritte hinsichtlich der Motivation für Bildungsprozesse gemacht, so Meier. Bei den Bastelangeboten kämen die Kinder zur Ruhe, trainierten Motorik und könnten so ihr Lernvermögen deutlich verbessern. &bdquo;Reflexions- und Sprachvermögen, Eigenverantwortung und -initiative und Problemlösefähigkeit konnten gesteigert werden“, ergänzt Meier. Noch bis Ende Juni wird das Projekt von der Stadt gefördert. Wie es dann weitergeht, sei noch offen. Aber die Stadt wolle ja das Thema steigende Jugendkriminalität mit geballter Kompetenz angehen. Präventionsangebote wie &bdquo;Youschool“ seien dabei äußerst hilfreich. Freiwilligkeit, Beziehungsaufbau, Verlässlichkeit, Geduld und wertschätzende Ansprache mache die Arbeit so erfolgreich. &bdquo;Die Schülerinnen und Schüler hier sind äußerst wissbegierig, neugierig und voller Energie und absolut nicht so wie die Jugendlichen, die in den aktuellen Berichten über die erschreckenden Vorfälle in Sennestadt beschrieben werden“, unterstreicht Meier. Viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund unter den Schulabbrechern Wichtig sei, das Potenzial zu fördern, damit’s nicht in die falsche Richtung losgeht, sagt auch der Bielefelder Bildungsexperte Mahmut Koyun. Vielen Kindern und Jugendlichen fehle Orientierung und Perspektive, das habe sich durch die Einschränkungen in der Coronazeit noch einmal zugespitzt. Sie sehe Zusammenhänge zwischen Schulabbrechern und Kriminalität, sagt auch die Bielefelder Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer. Aktuelle Polizeistatistiken belegen zudem einem &bdquo;alarmierender Anstieg bei ausländischen Verdächtigen unter den jugendlichen Straftätern“. Das sorgt auch in Bielefeld für Diskussion. Viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund wiederum seien unter den Schulabbrechern, so Koyun. Er lebt in Baumheide, kam selbst als 13-jähriges, jesidisches Flüchtlingskind ohne Sprachkenntnisse aus der Türkei nach Bielefeld, machte Abitur, studierte und promovierte und kümmert sich heute mit seinem Bildungsinstitut um auffällige Kinder und Jugendliche. Schule könne oftmals gar nicht alles auffangen und leisten, da fehle ja ohnehin schon Personal. &bdquo;Aber es gibt externe Träger, die unterstützen können. Dafür müsse die Kommune allerdings Geld bereitstellen. &bdquo;Aber das wäre auf jeden Fall eine Investition, die sich auszahlt“, sagt Koyun.

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