40.000 Teilnehmer: Bielefelder erleben Heeper und Herforder Straße autofrei

Bielefeld. Erst kamen Kälte und Schnee und dann doch noch die Sonne. Am Sonntag, 21. April, war bis 18 Uhr der nördliche Teil der Herforder Straße (die B61 zwischen Herford und Bielefeld) und der östliche Teil der Heeper Straße komplett autofrei. Nach Schätzungen der Stadt nutzten 35.000 bis 40.000 radbegeisterte Bielefelder und Herforder, aber auch Inline-Skater, Rollschuhläufer, Roller- und Tandem-Freunde die einmalige Gelegenheit, den Kurs von Herford über Brake und Heepen bis zur Radrennbahn ganz ohne Autoverkehr zu beradeln. Die zwischendurch aufwärmende Sonne sorgte für gute Stimmung auf der 13 Kilometer langen Radstrecke. Von 10 bis 18 Uhr waren die Straßen für den Autoverkehr voll gesperrt. 70 THW-Einsatzkräfte aus Bielefeld, 35 Verkehrskadetten aus Köln, Dortmund, Kleve und Bielefeld und zahlreiche ehrenamtliche Retter des Roten Kreuzes hielten den Weg frei für den zumindest heute breitesten Radweg der Stadt. Begleitet wurden die Aktion von verschiedenen Mitmachaktionen und einer Rallye, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einer Station zur nächsten führte. Barbara Choryan zog ein zufriedenes Fazit, auch weil am Ende das Wetter sich trotz der morgendlichen Schneeflocken von seiner schönen Aprilseite zeigte. Eisradeln mit dem Oberbürgermeister Oberbürgermeister Pit Clausen und Verkehrsdezernent Martin Adamski starteten gleich um 10 Uhr mit ihrer gemütlichen Radtour an der Radrennbahn in Richtung Heepen. &bdquo;Als ich morgens aus dem Fenster blickte, habe ich gedacht: Das darf nicht wahr sein. Alles voller Schnee.“ Trotz der ungastlichen Kälte schlossen sich einige Bielefelder zum Eisradeln mit dem Oberbürgermeister an, sie stellten Fragen oder genossen einfach die Fahrt in der Gemeinschaft. Auch Mithat Gören und seine Tochter Finja (12) sind mit von der Partie. Die Schülerin wollte den Oberbürgermeister mal von der Nähe erleben. &bdquo;Außerdem sind wir beide große Radler“, berichtet der Vater. &bdquo;Ich finde es gut, dass die Stadt hier was macht. Das Radfahren in der Stadt ist teilweise immer noch nicht ohne“, sagt der Heeper. Er glaubt, dass für den Radverkehr noch viele Jahre etwas zu tun sein wird. &bdquo;Da werden wir noch viel erleben“, ghofft er. In Brake traf der Oberbürgermeister seinen Herforder Kollegen Tim Kähler, wo beide Bürgermeister zur Eröffnung ein paar Worte an die Wartenden richteten, bevor ein kostenfreies Frühstücksbüffet eröffnet wurde. Nachdem die Veranstaltung &bdquo;Ohne Auto mobil“ bislang jeweils im zweijährigen Turnus im Herbst stattgefunden hatte, war sie diesmal in den Frühling verlegt worden. &bdquo;Wir möchten den Schwung der beginnenden Freiluftsaison nutzen“, hatte Olaf Lewald, Leiter des Amtes für Verkehr, erklärt. Auch das Konzept sei überarbeitet worden. Dass es ausgerechnet an jenem Morgen im April aber schneien würde, damit hatte niemand gerechnet: &bdquo;So schlecht ist das Wetter gar nicht“, betont Clausen in Brake. &bdquo;Es regnet nicht - wie vor zwei Jahren - und die Sonne kommt auch immer wieder raus. Es ist nur ein bisschen kalt.“ Pit Clausen ruft in der Verkehrswende-Disskussion zu mehr Gelassenheit auf Entsprechend vergnügt sprachen die beiden kommunalen Verwaltungsleiter über die Verkehrswende, die Möglichkeiten, die eine Verbesserung des Radwegenetzes bedeute und die hasserfüllten Reaktionen, wenn es zum Thema Verkehrswende komme: &bdquo;Ich verstehe die Aufregung nicht ganz. Wir wollen weder die Autos abschaffen noch verteufeln. Es ist aber auch unsere Pflicht, unseren Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. Und dazu gehört ganz klar die Förderung von Radverkehr und ÖPNV“, so Clausen. Er rief deshalb zu ein wenig mehr Gelassenheit in den Debatten auf. Auch die Schreie nach den Kosten seien schwer nachvollziehbar. &bdquo;Wenn man die Millionen Euro sieht, die immer noch für die Autos ausgegeben werden und dann die Hunderttausende für die Radwege, der wird bemerken, dass da immer noch eine größere Unwucht herrscht. Wir wollen beides - Autoverkehr und eine Verbesserung für die klimafreundlichen Verkehrsmöglichkeiten.“ Zumindest am autofreien Sonntag mussten sich die Autofahrer trotzdem rechts und links der gesperrten Wegstrecken auf Sackgassen und Umleitungen gefasst machen. Größere negative Erlebnisse erfuhr Barbara Choryan, Nahverkehrsbeauftragte der Stadt, aber nicht. &bdquo;Ich habe hier nur fröhliche und zufriedene Menschen gesehen“, berichtete sie am Abend. Den ganzen Tag über - von 10 Uhr an - seien die Strecke schon gut besucht gewesen. Deshalb komme das Amt auf die Schätzung von 35.000 bis 40.000 Teilnehmern. Die Heeper Straße ist ab Radrennbahn für das Event gesperrt Die insgesamt 13 Kilometer lange Strecke begann in Bielefeld an der Radrennbahn und führte über den Tieplatz in Heepen weiter zur Veranstaltungsfläche in Brake (an der Herforder Straße Ecke Braker Straße) und über den Stedefreunder Krug, Mercedes-Benz Senger bis zum Parkplatz der &bdquo;Westfalen Weser Energie“ in Herford. Der Fokus wurde in diesem Jahr - der achten Wiederholung des autofreien Tages - noch stärker auf die Mobilität gerichtet und so gab es auf insgesamt sechs Veranstaltungsplätzen viele spannende Mitmachangebote für alle Altersgruppen. Lesen Sie auch: Startschuss für Ausbau der Herforder Straße in Bielefeld Der Aktivitäten-Schwerpunkt für Freizeitaktionen lag in Bielefeld an der Radrennbahn. Hier konnten Kinder spielerisch verschiedene Mobilitätsformen kennenlernen, während Eltern in unmittelbarer Nähe Sitzmöglichkeiten, musikalische Unterhaltung und ein gastronomisches Angebot fanden. Neben dem Stand von &bdquo;Bielefeld fährt Rad“ gab es weitere Infostände von Bielefelder Vereinen und Institutionen rund um das Thema autofreie Mobilität. Sogar eine mobile Waschanlage für Fahrräder stand kostenfrei zur Verfügung. Großer Nein-Protest zum Straßenbau in der Johannisbachaue Doch beim Thema Verkehr gibt es nicht nur Protest von den Autofahrern. Am Rande der autofreien Herforder Straße riefen zahlreiche Bielefelder Umweltverbände um 14 Uhr zu einer Protestaktion auf: Dabei zeigten die Aktivisten mit Bändern die Dimension der aktuell geplanten Anschlusskreuzung (kommend von der Ostwestfalenstraße: L712n), die auf Höhe Grafenheider Straße die Herforder Straße erreicht, &bdquo;Es zeigt, wie viel Natur der wertvollen Johannisbachaue durch den Bau der Megakreuzung zerstört wird“, heißt es in einer Mitteilung der Klimaschutz- und Verkehrswendegruppen. Mit etwa 50 Radfahrern bildeten die Gruppen einen großen &bdquo;Nein“-Schriftzug. Die Umweltverbände forderten Land und Stadt dazu auf, nicht an der veralteten Planung (Planungsbeginn vor 20 Jahren) festzuhalten: &bdquo;Der nun geplante Radschnellweg war damals überhaupt nicht vorgesehen“, sagt Bernd Küffner. Den Radweg nun einfach zwischen den sieben bis acht Fahrspuren unterzubringen, entspricht nicht den Versprechungen an die Klimaschutzziele. Auf den Hinweis, dass das Planfeststellungsverfahren zur L712n bereits durch alle gerichtlichen Instanzen hindurch geprüft und genehmigt wurde, sagt Küffner: &bdquo;Das, was Land und Stadt vorliegen haben, ist Baurecht und nicht Baupflicht. Wir erwarten nichts anderes, als dass die Verantwortlichen ihre Planungen verkleinern. Kleiner geht immer.“ Martin Schmelz ergänzt: &bdquo;Es ist nicht mehr zeitgemäß, den Verkehr an der Autobahn abzuholen und in die Innenstädte zu lotsen.“ Städte wie Oslo, London und Paris hätten gezeigt, dass City-Maut-Lösungen, den individuellen Verkehr aus den Innenstädten fernhalten, das bringe dort sogar mehr Platz für den weiterhin nötigen Logistik-Verkehr. Stadt Bielefeld sieht keine Alternative zur L712n Aus Sicht von Oberbürgermeister Pit Clausen gibt es keine Alternativen zu der nun geplanten L712n. Lediglich beim Ausbau der Herforder Straße sei noch ein wenig Bewegung. Aber alles gehe dort auch nicht mehr: &bdquo;Neueste Verkehrsfluss-Zahlen haben gezeigt, dass der Weg zwischen Talbrückenstraße und Grafenheider Straße vierspurig ausgebaut werden muss, um den Verkehr dort aufnehmen zu können“, ergänzt Fachdezernent Adamski. Seine Hoffnung sei deshalb, dass die städtischen Planungen dazu möglichst schnell vorangetrieben werden können, damit 2030, wenn die Arbeiten der L712n die Herforder Straße erreichen werden, dann auch der Radschnellweg nach Herford möglichst gleichzeitig integriert werden kann. Die enge Zusammenarbeit der Kommunen Herford und Bielefeld wurde am Sonntag mit einem gemeinsamen Aktionsplatz in Brake unterstrichen (Höhe Braker Straße). Hier konnten Interessierte die Leih-Lastenrädern beider Städte probefahren und mehr über die Mobilität in den Kommunen erfahren. Live-Musik, Comedy, Akrobatik entlang der Strecke Natürlich war auch auf der Strecke für beste Unterhaltung gesorgt: Mit etwas Glück traf man während der Radtour auf einen Comedy-Polizisten oder Akrobatik-Shows. Dank eines mobilen DJs auf einem besonderen Gefährt sowie Live-Musik herrschte auf dem gesamten Weg gute Stimmung, hie es von den Veranstaltern. Vor allem die Rallye sei bei Klein und Groß sehr gut angekommen, so Choryan. Die Teilnehmer mussten von einem Veranstaltungsplatz zum nächsten fahren und dort Stempel sammeln. Pro Standort gab es einen. Wer vier zusammen hatte, konnte sich eine besondere Belohnung abholen. Sammelkarten lagen an verschiedenen Ständen aus, außerdem gab es Schlüsselbandanhänger solange der Vorrat reichte. Viele Radler nutzten auch das Angebot des Heeper Frühlings im Zentrum des Stadtteils, wo Livemusik und Bratwurst eine perfekte Einladung für eine Radtour-Pause boten. Straßensperrungen in Bielefeld am Sonntag, 21. April Folgende Straßen waren laut der Stadtverwaltung von 9.30 Uhr bis 18.15 Uhr für den Autoverkehr gesperrt: Heeper Straße östlich der Straße Am Venn, Vogteistraße, Schelpmilser Weg, Heidenheimer Straße, Heilbronner Straße und die Herforder Straße beziehungsweise Bielefelder Straße (B61) bis zur Stadtgrenze. Auf Herforder Stadtgebiet wurde die Sperrung der B61 bis zum Fürstenauplatz weiter geführt. Umleitungen wurden rund um die Strecke ausgeschildert. Für die Veranstaltung war ein Auskunftstelefon eingerichtet, dort konnten kurzfristige Ausnahmegenehmigungen für die gesperrte Strecke beantragt werden. Neben dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und dem Technischen Hilfswerk (THW), die sich für die Sicherheit und Verkehrsführung verantwortlich zeigten, waren zahlreiche Ordnerinnen und Ordner von den Verkehrskadetten als Streckenposten vor Ort und sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Auch in diesem Jahr war &bdquo;Ohne Auto mobil“ nicht ohne großzügige Unterstützung von Sponsoren möglich: Neben der Förderung durch das NRW-Ministerium gehören die AOK Nordwest, die Herforder Brauerei sowie Wellteam zu den Unterstützern. Noch mehr Information zu Programm, Ablauf, Sperrungen gibt es auf der Webseite zur Veranstaltung.

Meistgelesen