Kleine Bielefelder Privatschule als Trutzburg gegen Mobbing, Schulangst und Sozialphobie

Bielefeld. Clay hat heftige Zeiten hinter sich: Mobbing, wochenlang überhaupt nicht mehr in der Schule, Klinikaufenthalt. Für ihn sei Schule von Anfang an mit einem negativen Gefühl verbunden, sagt der 16-Jährige. &bdquo;Ich war schon immer ein schüchternes Kind und wurde von den anderen geärgert, auch schon in der Grundschule.“ Nach seinem Wechsel an die Privatschule an der Pottenau im Herbst vergangenen Jahres gehe es deutlich besser - dank kleiner Klassen und viel Verständnis. Clay hat wieder Ziele, möchte Erzieher werden und dafür im kommenden Jahr seinen Realschulabschluss machen. Privatschule an der Pottenau: Klingt erst einmal elitär. Wer ein nobles Internat erwartet, stutzt schon am unscheinbaren Eingang, der von der gleichnamigen Nebenstraße zur Herforder in die Räume einer ehemaligen Fahrradfabrik führt. Kinder und Lehrer, die hier lernen und lehren, haben ganz andere Sorgen: Magersucht, Mobbing, Schulangst, Sozialphobie oder Versetzungsgefährdung. Mit Corona habe das noch einmal deutlich zugenommen, sagt Sabine Heidemann, die die anerkannte Ergänzungsschule seit Gründung vor 25 Jahren leitet. &bdquo;Für viele junge Menschen ist das hier die letzte Chance auf einen Abschluss.“ Statt über 30 nur 15 Schüler in der Klasse Als er sich auf der weiterführenden Schule, einem Bielefelder Gymnasium, vor etwa zwei Jahren als Trans geoutet hat, sei alles noch einmal deutlich schlimmer geworden, sagt Clay. Er sei oft komisch angeguckt, extra weiterhin mit seinem alten Namen, den er abgelegt hatte, angesprochen und gemobbt worden. Hinzu komme eine Sozialphobie. Vor gut einem Jahr, mit Beginn des neuen Halbjahres, sei er dann gar nicht mehr in die Schule gegangen. &bdquo;Ich war dann auch einige Monate in der Klinik, danach haben wir zusammen mit dem Jugendamt nach einer Alternativen geschaut“, berichtet der Neuntklässler. &bdquo;Ich wollte nicht mehr auf ein Gymnasium, das war mir zu stressig.“ Aber an den Realschulen habe es nirgendwo einen Platz für ihn gegeben. So sei er dann nach den Herbstferien an die Privatschule an der Pottenau gekommen, habe erst einmal drei Tage lang hospitiert. Statt vorher über 30 seien es jetzt nur 15 Schüler. Das mache vieles deutlich leichter. Mehr zum Thema Schule: &bdquo;Fluch und Segen“: So verändert ChatGPT das Schulleben in Bielefeld Klar, er stehe morgens immer noch nicht begeistert auf. Aber das gehe ja fast allen Schülern so. Und zumindest habe er nicht ständig mehr Bauchschmerzen davor. Englisch mache ihm richtig Spaß. Und auch ein Ziel hat er vor Augen: im kommenden Jahr den Realschulabschluss zu machen. Die Prüfungen müssen die Schüler an externen Schulen ablegen. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Privatschule An der Pottenau (@privatschule_pottenau) Schwänzen funktioniert an der Privatschule nicht &bdquo;Wir bereiten unsere Schüler, die entweder den Real- oder den Hauptschulabschluss machen, natürlich inhaltlich gut darauf vor, unterrichten entsprechend des Lehrplans des Landes“, sagt Lehrerin Julia Schroeder. &bdquo;Aber wir haben auch viele Freiheiten, haben jetzt zum Beispiel das Fach Gesundheit eingeführt, wo wir uns auch damit beschäftigen, was Depressionen sind, was hinter Schulangst steckt und welche anderen psychischen Erkrankungen es gibt.“ Das sei oft immer ein Tabuthema, man gelte in der Gesellschaft schnell als schwach. &bdquo;Hier ist nicht plötzlich alles gut, das ist ein Prozess“, sagt Schröder. &bdquo;Aber wir vermitteln den Kindern vor allem auch, dass nicht jeder einem etwas Schlechtes will und sprechen darüber, was den Menschen denn eigentlich ausmacht.“ Leon (17) lebt in einer Pflegefamilie, ist seit sechs Jahren auf der Privatschule mit insgesamt nur etwa 60 Schülern. Auch er sei in seiner alten Schule im Kreis Herford gemobbt worden, habe starke Konzentrationsschwierigkeiten gehabt, aber auch &bdquo;einfach immer viel Quatsch, Stress und Ärger gemacht“, sagt er rückblickend. Es habe viele Gespräche mit seinen Eltern und dem Jugendamt gegeben. &bdquo;Am Ende hat entweder immer die Mitarbeiterin oder meine Mutter geweint“, sagt Leon. Schule sei einfach nur unnötig und bringe ihm nichts, das sei lange Zeit seine Einstellung gewesen. Lesen Sie auch: Bielefelder Schüler gehen auf die Barrikaden: &bdquo;Das macht uns alle krank“ Schwänzen funktioniere aber an der Privatschule nicht mehr. &bdquo;Wir kontrollieren jeden Morgen, ob alle da sind, haken sonst sofort nach“, sagt Schröder. Zu sehen, wie sich die Schüler zum Positiven entwickelten, sei der schönste Lohn für ihre Arbeit, sagen sie und auch Heidemann. So wie bei Leon, der in diesem Jahr seinen Realschulabschluss macht und sich auch schon einen Platz für ein Soziales Jahr in Bethel gesichert hat. Jugendamt übernimmt 680 Euro monatliches Schulgeld Für einen Großteil der Kinder übernimmt das Jugendamt das monatliche Schulgeld von 680 Euro (für Selbstzahler 580 Euro), berichtet Heidemann. &bdquo;Einige machen im Anschluss an anderen Schulen dann noch ihr Abitur und gehen beeindruckende Wege.“ So wie ein ehemaliger Schüler, der heute als Facharzt in einem Bielefelder Krankenhaus arbeitet. &bdquo;Er hat unserer Schule seine Doktorarbeit gewidmet.“

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