„Es gibt kein Falschabbiegen“: Filmprojekt begleitet vier Bielefelder seit 30 Jahren

Bielefeld. Der Film startet mit einem Seufzer und einer Erkenntnis von Bielefelder Stefan Knust: &bdquo;Mir war immer wichtig, ein freies, selbstbestimmtes Leben zu leben. Und ich bereue nichts. Ich würde es immer wieder so machen“. Doch der Blick, der nicht ganz frei von Traurigkeit ist, offenbart dem Zuschauer – ganz so einfach ist es nicht. Seit 30 Jahren ziehen drei Männer und eine Frau für ein besonderes Filmprojekt Zwischenbilanz, reflektieren sich, ihr Leben, Brüche, Erfolge, Hoffnungen, Enttäuschungen vor der Kamera. Jetzt haben die Protagonisten die 60 überschritten, und die entstandene Langzeitdoku feiert Premiere im Lichtwerk. Für die Zuschauer wird der Kinobesuch auch zur Begegnung mit sich selbst. Diese tiefe Selbstbetrachtung suchen die meisten Menschen erst im Alter: Für &bdquo;Wege und Umwege – die Kunst zu leben“ (2023) haben Grafikdesigner Joachim Rensing, Künstler Stefan Knust, der ärztliche Psychotherapeut André Stuhm-Spieker und Bio-Fachverkäuferin und Malerin Maria Garofalo im Jahr 1990 mit dreißig Jahren zum ersten Mal den analytischen Blick auf sich selbst gerichtet: Wer war ich? Wer bin ich? Wo will ich hin und was ist mir wichtig? Erste Interviewsitzung an der Uni Bielefeld im Jahr 1990 &bdquo;Ich habe damals als Dozent an der Universität Bielefeld ein Seminar angeboten, in dem die Studierenden lernen sollten, wie man Interviews richtig führt“, erzählt der ehemalige Dozent, WDR-Journalist, Filmemacher und Theaterautor Walter Blohm (82). Von ursprünglich elf Befragten, die die Studierenden für das Filmprojekt aus dem Bekannten- und Freundeskreis rekrutierten, sind vier geblieben, die Blohm und sein Filmteam alle zehn Jahre für Folgeinterviews vor die Kamera holten. &bdquo;Warum diese vier? Weil sich gezeigt hat, dass sie besonders authentisch antworten konnten, sie vor der Kamera wirken und weil es trotz aller Unterschiede ein verbindendes Element in ihrem Leben gibt – die Kunst.“ Ihre Lebensbeobachtungen sind der Stoff für vier Filme. Auf den Ausgangsfilm &bdquo;Typisch 30“ unter Blohms Regie folgt zunächst Anfang der 2000er &bdquo;Gestern 30 – heute 40“ als gemeinsames Filmprojekt mit Michael Ströter. 2012 bitten Blohm und Ströter die vier Bielefelder – jetzt um die 50 – erneut zum Interview für &bdquo;30-40-50. Wie sich Menschen verändern“. Für &bdquo;Wege und Umwege“ ist nun das Rohmaterial von vier Interviewsitzungen aus vier Lebensphasen zu einem beeindruckenden Generationsporträt zusammengeflossen. Ein Psychotherapeut, eine Künstlerin, ein Grafikdesigner, ein Maler &bdquo;Mit jetzt 60 Jahren hat sich das Lebensgefühl der vier Befragten wieder verändert“, sagt Ströter. &bdquo;Religion, Altern und Tod sind als neue Themen aufgetaucht. Andere Themen nehmen mehr Raum ein als zuvor.“ Um die Lebenslinien aus heutiger Perspektive nachzuzeichnen, sind die Karten völlig neu gemischt worden. So seien jetzt auch Filmschnipsel aus den 1990ern zu sehen, die in den bisherigen Filmen nicht verwendet wurden, erklärt Blohm. Lesen Sie auch: Bielefelder Wegbereiter des Arthouse-Kinos geht in den Ruhestand Was sich aus Sicht der Filmer über die Jahre im Leben der Menschen, die sie begleiten, geändert hat? &bdquo;Alle vier haben irgendwie ihre eigene Mitte gefunden“, findet Blohm. Auch die vier Protagonisten sind sich einig, heute fühle sich das Leben besser an, als mit 30, sei weniger geprägt von Unsicherheiten und Zweifeln. Premiere am 25. Februar im Lichtwerk im Ravensberger Park &bdquo;Es gibt kein Falschabbiegen“, sagt Maria Garofalo (heute 63) im Film, die mit zwölf Jahren mit ihrer Familie aus Sizilien nach Bielefeld kam. &bdquo;Es hat alles einen Sinn. Ja, der Weg. Der muss auch manchmal krumm und schief und falsch sein. Damit man erkennt, was ist daran falsch.“ Wenn sie sich in den alten Filmaufnahmen sehe, denke sie oft: Wer ist das? &bdquo;Es fühlt sich an, wie eine komplett andere Person, nicht wie ein Leben, sondern wie viele Leben“, erzählt die Bielefelderin beim Treffen im Lichtwerk. Joachim Rensing, der sich nicht hatte vorstellen können, einmal Kinder in eine Welt voller Kriege und Probleme zu setzen, ist heute Vater eines Sohnes, der am Sonntag zur Premiere kommen wird. André Stuhm-Spieker, der mit einem vom Krieg traumatisierten Vater aufwuchs, wurde statt Chirurg, letztendlich Psychotherapeut. Er sagt: &bdquo;Heute sehe ich, wie depressiv ich mit 30 war. Damals hat es sich einfach nach gequältem Durchhalten angefühlt.“ Halt habe ihm aber in allen Lebensphasen die Kunst gegeben, die Fotografie. Zum Thema: TV-Krimikommissarin aus Bielefeld präsentiert ihren ersten eigenen Film Der Film von Blohm und Ströter ermöglicht aber nicht nur einen geradezu intimen Einblick in das Innenleben von vier Menschen. Er fordert seine Zuschauer auch dazu auf, die eigenen Lebenswege zu betrachten und sich in den Fragen, Sorgen, Hoffnungen der vier Bielefelder ein Stück weit wiederzuerkennen. Zu sehen ist &bdquo;Wege und Umwege. Die Kunst zu leben“ erstmals am Sonntag, 25. Februar, 12 Uhr im Lichtwerk sowie am Sonntag, 3. März, um 17 Uhr. Weitere Vorstellungstermine sind in Planung.

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