Hassbotschaften an Bielefelder Moscheen: 66 Bestellungen in unter drei Minuten

Bielefeld/Düsseldorf. Die Fälle von Hassbotschaften an Bielefelder Moscheen haben offenbar ein größeres Ausmaß als bisher angenommen. So sollen die Täter Dutzende weitere Male versucht haben, per Lieferdienst rassistische und beleidigende Botschaften an muslimische Gemeinden in Bielefeld zu schicken - die Bestellungen wurden jedoch nicht ausgeliefert. Das geht aus einem Bericht des NRW-Innenministeriums an den Innenausschuss hervor. Der Vorsitzender des Bündnis Islamischer Gemeinden (BIG) in Bielefeld, Cihad Kefeli, zeigte sich schockiert: &bdquo;Uns hat bisher nur die Spitze des Eisbergs erreicht.“ Kefeli berichtete zuvor von vier Gemeinden, die teils mehrfach solche Lieferungen erhalten hatten. Aus dem Bericht des Innenministeriums auf Antrag der SPD-Landtagsfraktion geht hervor, dass offenbar erstmals am Abend des 16. Dezembers fünf anonyme Essenbestellungen an Moscheen per Liefer-App aufgegeben wurden. Beauftragt wurden unterschiedliche Restaurants über die Lieferando-App. Die anonymen Auftraggeber nutzten Textfelder der Lieferbelege, um dort in drei Fällen Hassbotschaften - einmal auf deutsch und zweimal in türkisch - zu übermitteln. Die Polizei konnte den Inhaber des Mobilfunkanschlusses ermitteln. Ob es sich bei ihm um den Täter handelt, ist Gegenstand der Ermittlungen. Zu den von Lieferando übermittelten IP-Adressen allerdings liegen keine Verbindungsdaten mehr vor. Grund ist, dass die vorgeschriebene Speicherfrist bei Anfrage durch die Polizei bereits abgelaufen war. Gleich mehrere Fälle aufgefallen In der Folge sei es am 2. und am 8. Februar im Bielefelder Stadtgebiet zu weiteren – ähnlich gelagerten – Vorfällen gekommen, bei denen der oder die Täter die Lieferando App zur Tatbegehung an dieselbe Anschrift genutzt haben sollen. Die bisherigen Ermittlungen hätten ergeben, dass es am 2. Februar innerhalb eines Zeitraums von weniger als drei Minuten zu insgesamt 66 weiteren Bestellungen bei verschiedenen Restaurants gekommen sei, die offenbar weitestgehend nicht ausgeliefert wurden. Am Folgetag seien in einem Zeitraum von fünf Minuten mehr als 60 Bestellungen für einen weiteren Kunden aufgegeben worden. In 23 Fällen war das Anmerkungsfeld mit gleichlautenden Botschaften versehen. Am 6. und am 8. Februar sei es zu ähnlich gelagerten Bestellserien gekommen, bei denen als Auslieferungsanschrift ein islamischer Kulturverein und eine weitere Moschee in Bielefeld angegeben wurden. Man habe zu den Vorkommnissen im Wesentlichen ermitteln können, dass zwei der zur Ausübung der Daten genutzten E-Mail-Adressen von sogenannten Identitätsdiebstählen stammten, die frei zugänglich im Internet veröffentlicht worden seien. Nutzten Täter Nummer eines Bielefelders? Kefeli berichtet beispielsweise von einem Bielefelder, dessen Nummer im Internet zumindest zeitweise einsehbar gewesen sei. &bdquo;Die Täter nutzten unter anderem seine Nummer“, berichtet Kefeli. Die ermittelten IP-Adressen seien laut Bericht einem ausländischen Diensteanbieter zuzuordnen. Der jeweils enge zeitliche Zusammenhang einer derartigen Vielzahl von Bestellungen lege nahe, dass möglicherweise ein technisches Hilfsprogramm (&bdquo;Script“) verwendet worden sein könnte. Die Inhaber der verwendeten Mobilfunkanschlüsse zur Ausübung der Taten konnten in allen Fällen ermittelt werden. Seit Oktober 2023 ist es im gesamten Bundesgebiet zu ähnlich gelagerten Bestellungen mit volksverhetzendem und beleidigendem Inhalt im Anmerkungsfeld der Lieferando App gekommen. Der Polizei sind bislang in NRW eine mittlere dreistellige Anzahl an Taten bekannt geworden. Ein landes- und bundesweiter Austausch über die aktuellen Entwicklungen und kriminalpolizeilichen Erkenntnisse in der Sache findet laut Angabe des Landesinnenministeriums fortwährend statt. &bdquo;Perfide Form des antimuslimischen Rassismus“ nicht zulassen Kefeli bereiten die neuen Erkenntnisse aus dem Bericht große Sorgen. &bdquo;Vor allem die kriminelle Energie und das System, mit dem die Täter vorgingen. Aber auch die hohe Zahl an Versuchen. Das Ausmaß ist noch heftiger, als befürchtet“, sagt er. Das BIG sei weiter mit den Gemeinden im Austausch und leiste Sensibilisierungsarbeit. &bdquo;Auffällige Vorkommnisse sollen direkt zur Anzeige gebracht werden“, sagt Kefeli. Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Christina Kampmann aus Bielefeld, erwartet eine rasche Aufklärung des Fallen. &bdquo;Der Bericht zeigt, dass es sich bei der Versendung von Hassbotschaften an Muslime um ein bundesweites Phänomen handelt. Mit dem Ziel, Muslime einzuschüchtern und zu bedrohen.“ Sie betont: &bdquo;Diese perfide Form des antimuslimischen Rassismus dürfen wir nicht zulassen. Die betroffenen Gemeinden brauchen die Solidarität von Politik und Zivilgesellschaft und es braucht abgestimmt Maßnahmen, die Muslime besser vor solchen Tätern schützen.“

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