Das Wunder von der Bielefelder Südschule: Ausgesetztes Baby lebt jetzt in einer Familie

Bielefeld. Der Schock über das im Freien geborene und dort nackt zurückgelassene Baby, das Polizisten am 6. Januar bei Eiseskälte auf dem Gelände der Südschule in Brackwede fanden, ist noch immer nicht verdaut. Die &bdquo;Mordkommission Süd“ sucht weiterhin nach der Mutter, die Politik fragt sich, ob eine Babyklappe geholfen hätte, und die Bielefelder haben inzwischen mehr über das Angebot der anonymen &bdquo;vertraulichen Geburt“ in den Bielefelder Kliniken erfahren. Dabei gibt es inzwischen richtig gute Nachrichten. Wunder von der Südschule Das kleine Mädchen hat sich nach dem dramatischen Start ins Leben erstaunlich gut berappelt. Der gesetzliche Vormund des Mädchens bestätigt auf Anfrage, dass die Ärzte neurologisch bisher keine Schäden des Gehirns feststellen konnten. Insider sprechen von einem Wunder. Denn der aktuelle Gesundheitszustand des Findelkinds war wirklich nicht zu erwarten. Das Neugeborene war extrem unterkühlt, als Polizisten es nackt und versteckt im Gebüsch fanden. Die Retter mussten das Baby mehr als zwei Stunden lang reanimieren. &bdquo;Nach Auskunft der Ärzte geht so eine Reanimation an Babys spurloser vorbei als an Erwachsenen“, berichtet der Bielefelder Anwalt, der nicht namentlich in Erscheinung treten möchte. &bdquo;Hierbei sei dem Mädchen die Unterkühlung vielleicht sogar zugute gekommen.“ Laienhaft gesprochen sei das System des Mädchens dadurch extrem heruntergefahren und habe auf diese Weise neurologische Schäden größtmöglichst verhindert. &bdquo;Trotzdem schließt das nicht aus, dass nicht noch Probleme auftreten können“, sagt der Vormund. Bereitschaftspflege Vor zwei Wochen bereits konnte das Findelkind nach langer intensivmedizinischer Behandlung aus der Kinderklinik entlassen werden. Seitdem lebt das fünfeinhalb Wochen alte Baby in einer Bereitschaftspflegefamilie, in der es dem Mädchen sehr gut gehe. &bdquo;Wir befinden uns jetzt auf der Suche nach einer geeigneten Dauerpflegefamilie.“ Mit geeignet meint er Pflegeeltern, die mit dem sicherlich (vielleicht schon in der Schwangerschaft) erlittenen Trauma und einem möglichen Förderbedarf gut umgehen können. Das Ziel sei, diesen Wechsel so schnell wie möglich zu erreichen. &bdquo;Damit wollen wir verhindern, dass das Baby immer wieder neue Bindung zu Pflegeeltern aufnehmen muss. Ich habe die Hoffnung, dass der nächste Wechsel auch der letzte ist“, sagt der erfahrene Vormund. Dennoch bleibt auch für ihn die Tür offen, sollte sich die leibliche Mutter doch noch melden. Die Mutter Doch diese Mutter ist bisher den Behörden zumindest nicht bekannt. Wie Polizeisprecherin Hella Christoph mitteilte, hätten sich auch in letzter Zeit keine neuen Hinweise ergeben. Sollte sie doch noch Interesse an ihrem Kind zeigen, dann würde die Behörde sicherlich prüfen, ob die Mutter in der Lage ist, sich um das Kind zu kümmern und in welchem Umfang ein Umgang angebahnt und ermöglicht werden kann, sagt der Vormund. &bdquo;Wir sind da offen, aber trotzdem steht bei allen Entscheidungen das Kindeswohl immer an erster Stelle“, sagt der Bielefelder Anwalt. Lesen Sie dazu: Baby an Bielefelder Schule ausgesetzt: Jetzt gibt es erste Hinweise zur Mutter Ihre Situation Alle Expertinnen und Experten sind sich darüber einig, dass sich eine Mutter, die ihr neugeborenes Baby auf einem Schulhof aussetzt, in einer absoluten Ausnahmesituation befunden hat. Das betonen auch Sandra Frühauf (Diakonie Bielefeld), Simone Mansfeld (Pro Familia) und Doris Schlepper (SKF) von den drei Bielefelder Schwangerschaftsberatungsstellen. Für sie hätte es viele Möglichkeiten der Hilfe gegeben, sagen sie: &bdquo;Wir lassen Schwangere, Mütter und Eltern nicht alleine“, betont Simone Mansfeld. Sie berichtet von immer wieder ähnlichen Problemen, die Mütter mit Eintreten der Schwangerschaft überwältigen können: Überforderung &bdquo;Es ist möglich, dass bereits Kinder im Haushalt leben und ein weiteres Kind als nicht zu bewältigende Belastung erscheint.“ Besonders groß sei in solchen Fällen die Angst vor dem Jugendamt, weil die Mütter die Sorge umtreibt, die bereits vorhandene Kinder könnten in Obhut genommen werden. Dem Wunsch, sich Hilfe zu holen, steht dann ganz schnell die Angst vor dem staatlichen Eingreifen gegenüber. Angst vor Konsequenzen Auch Minderjährigkeit und die damit einhergehende Angst vor einer Verfolgung durch die eigene Familie oder die Sorge vor einer gesellschaftlichen Ächtung können weitere Gründe für eine so verzweifelte Tat sein. &bdquo;Es gibt junge Mütter, die um ihr Leben fürchten, seitdem sie schwanger sind“, berichtet Mansfeld von Pro Familia von den Erfahrungen in den Beratungsgesprächen. Betroffene versuchten dann, die Schwangerschaft zu verschleiern, manchen gelänge es sogar, die nahende Geburt selbst zu verdrängen. Die Folge sind dann Panikreaktionen und akute Krisen. Gefahr für Leib und Leben Auch die Mutter des aktuellen Mädchens könnte durch einen oder gleich mehrere dieser Gründe in die Verzweiflungstat getrieben worden sein. Die Expertinnen befürchten: &bdquo;Es ist möglich, dass die Ausnahmesituation für sie noch andauert und somit Gefahr für Leib und Leben nicht auszuschließen ist.“ Die Ermittlungen Wie berichtet ermittelt Polizei weiterhin wegen eines versuchten Tötungsdeliktes. Polizeisprecherin Hella Christoph betont aber auch: &bdquo;Vielleicht hat sie unter Druck gehandelt oder die Geburt fand spontan statt. Daher besteht trotz des schweren Tatvorwurfs, die Möglichkeit, dass die Vorwürfe später anders eingeschätzt werden.“ Jederzeit anonyme Hilfe Den Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftsberatungsstellen in Bielefeld ist es ein Anliegen zu zeigen, dass Beratung und Begleitung der Mutter jederzeit kurzfristig möglich sind. Das gelte auch für Personen aus ihrem näheren Umfeld – und für jede andere Person in einer ähnlichen Notlage. &bdquo;Wir sind weder dem Jugendamt noch der Polizei gegenüber auskunftspflichtig“, betonen sie. Im Jugendhilfeausschuss wurden die Probleme zuletzt auch thematisiert: Dort ist man zu dem Schluss gekommen, dass die Aufklärungsarbeit in Bielefeld weiter intensiviert werden müsse. Die Behörden und die Beratungsstellen wollen damit Menschen erreichen, die nicht ohne Weiteres erreichbar sind. Dabei gehe es auch um sprachliche und kulturelle Barrieren. Anonyme Geburt Ziel sei es, die anonyme &bdquo;vertrauliche Geburt“ als Option weiter bekannt zu machen. Die drei Beratungsstellen sind dafür erste Anlaufstellen. Dort werde das Verfahren eingeleitet und nach der Geburt auch abgeschlossen. &bdquo;Dabei bleiben Schwangerschaft und Mutterschaft immer geheim“, sagt Mansfeld. &bdquo;Das ist ganz wichtig.“ In der Klinik werde das Baby mit aller professionellen medizinischen Hilfe zur Welt gebracht – so wie es jede Mutter erwarten kann. Hilfe für Betroffene Wer selbst in so einer Situation steckt oder Fragen zur vertraulichen Geburt hat, meldet sich bei den Bielefelder Schwangerschaftsberatungsstellen: SKF, Tel. 0521 9619143, Turnerstraße 4, Diakonie für Bielefeld, Tel. 0521 98892 602, Paulusstraße 24-26 oder Pro Familia, Tel. 0521 124073, Stapenhorststraße 5. Lesen sie: Alle Artikel zum Baby von der Südschule

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