Bundesrichter kassieren Bielefelder Mordurteil: Ehefrau mit 36 Messerstichen getötet

Bielefeld/Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Mordurteil gegen den Bielefelder Valery H. gekippt. Er war im März 2023 wegen Mordes an seiner Ehefrau zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Bielefelder Landgericht war damals zu der Überzeugung gekommen, dass der 51-Jährige die Wehr- und Arglosigkeit seiner Ehefrau ausgenutzt hatte, als diese am Morgen des 31. Juli 2022 zu einer Aussprache ins gemeinsame Haus am Piepenstrang zurückkehrte. H. stach damals im Eingang des gemeinsamen Wohnhauses laut rechtsmedizinischem Gutachten 36-mal mit Messern auf seine trennungswillige Ehefrau ein. Die 49-Jährige verblutete noch am Tatort. Der Femizid sorgte damals für großes Entsetzen in Bielefeld – weil es bereits eine Vorgeschichte mit wiederholten Gewaltausbrüchen gegeben hatte, aber auch, weil Valery H. zwei Tage vor der Tat versucht hatte, sich wegen seiner Alkoholabhängigkeit in eine Psychiatrie einweisen zu lassen. Zwei Tage vor der Tat wollte sich der Täter einweisen lassen Weil er aber trotz hoher Alkoholisierung ansprechbar war, bat man ihn, sich am kommenden Montag in der Ambulanz vorzustellen. Zu spät. Am Sonntagmorgen rief H. die Rettung, weil er seine Ehefrau getötet hatte. Der Sohn des Täters hatte später – wie berichtet – die Psychiatrie in Bethel wegen unterlassener Hilfeleistung angezeigt. Das Ermittlungsverfahren wurde aber Ende 2023 eingestellt. Lesen Sie dazu: Getötete Ehefrau: Warum das Bielefelder Hilfesystem versagte Nun hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil aufgehoben. H.s Verteidiger Martin Mauntel und Jerrit Schöll hatten damals Revision eingereicht und nun auf höchster richterlicher Ebene damit Erfolg. Die entscheidende Frage in dem Revisionsverfahren war die Beurteilung der Tat als Mord. Das Gericht sah hier das Merkmal der Heimtücke als erfüllt an. Wie berichtet, hatte selbst die ermittelnde Staatsanwältin nach Beendigung der Beweisaufnahme nur noch eine Verurteilung wegen Totschlags gefordert (Haftforderung: zwölf Jahre). Bundesrichter erkennen Rechtsfehler im Bielefelder Urteil Auch die Verteidigung hatte auf Totschlag plädiert. Doch die Richter des Schwurgerichts sahen es als erwiesen an, dass das Opfer im Zustand der Arg- und Wehrlosigkeit getötet wurde. Das erfüllt dann das Mordmerkmal der Heimtücke. Nach Ansicht des 4. Strafsenats beim BGH ist der Bielefelder Schuldspruch rechtsfehlerhaft, weil nicht eindeutig festgestellt worden sei, ob der Angeklagte seine Ehefrau tatsächlich bereits mit den ersten Angriffen tödlich verletzte. Nur in dieser Phase könne juristisch von Arg- und Wehrlosigkeit ausgegangen werden. Laut BGH fehlten dazu aber die entscheidenden Feststellungen in der Urteilsbegründung. Offensichtlich waren die Fragen zur Reihenfolge und den Folgen der einzelnen Angriffe sowie einer möglichen Gegenwehr des Opfers nicht ausreichend erläutert worden. Die Wertungen des Gerichts seien daher nicht ausreichend durch Beweise untermauert, so die Begründung des BGH. Valery H. ließ sein Opfer liegen, kehrte aber wieder zurück und stach erneut zu Weil das Gericht von einem zweiaktigen Tatgeschehen ausgegangen ist, sei auch ein Totschlag nicht ausgeschlossen, so die Bundesrichter. Der Täter ist demnach nach seinen ersten Angriffen kurzzeitig aus dem Haus gegangen, kehrte dann aber zurück und hat ein zweites Mal auf sein Opfer eingestochen. Wäre die Ehefrau zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen, sei es möglich, dass das Opfer nicht mehr arg- und wehrlos war. Darüber hinaus bemängelt der BGH, dass die Bielefelder Richter den hohen Alkoholisierungsgrad (2,7 Promille) des Täters nicht in der notwendigen Ausführlichkeit erörtert haben. Auch wenn Valery H. als Alkoholiker einen hohen Pegel gewohnt war, könnte sein Zustand Einfluss auf sein &bdquo;Ausnutzungsbewusstsein“ gehabt haben. Heimtücke lässt sich nur bejahen, wenn der Täter sich auch darüber bewusst ist, dass er sein Opfer überrascht. Dieses &bdquo;Ausnutzungsbewusstsein“ kann bei erheblich alkoholisierten Tätern fehlen. Mordfall muss komplett neu verhandelt werden Durch die nun in Karlsruhe gefällte Entscheidung (Az.: 4 StR 253/23) muss das Verfahren nun komplett neu aufgerollt werden. Die Richter einer anderen Kammer des Bielefelder Landgerichts müssen nun die bemängelten Punkte ganz besonders in den Fokus rücken, um am Ende eindeutig sagen zu können, ob Valery H. wegen Mordes oder wegen Totschlags zu verurteilen ist.

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