Bielefelder Frauenpower im OP: Chirurgin mischt Männerdomäne auf

Bielefeld. Mit cooler Hochsteckfrisur, Nasenring und 13 silbern glänzenden Steckern im rechten Ohr, knallroten Wollsocken zum weißen Ärztekittel und einem lockeren Spruch auf den Lippen ist schon der erste Eindruck besonders. Wer Anna Catharina Sellmeier, geschäftsführende Oberärztin der Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie im Evangelischen Klinikum Bethel, kennenlernt, merkt schnell: Sie ist eine Ärztin mit besonderer Mission und Leidenschaft, die für guten Geist sorgt in der sonst noch immer stark von Männern dominierten Fachrichtung. Obwohl die Medizin immer weiblicher wird – rund 70 Prozent aller Studierenden in der Humanmedizin sind laut Statistischem Bundesamt Frauen – sind es laut Bundesärztekammer in der Chirurgie nur rund 20 Prozent. Das ist in Bethel bereits ganz anders. &bdquo;Manchmal ist der Patient der einzige Mann bei uns im OP. Wir sind hier bei uns mehr Frauen als Männer, brauchen fast schon eine Männerquote“, sagt die 45-Jährige. Wichtig sei in ihrem Team aber nicht das Geschlecht, sondern die fachliche Kompetenz und das Engagement. Ausbildung als Rettungsassistentin Mit ihrem Beispiel und ihrem Führungsstil will sie jungen Frauen Mut machen für ihr Fach. &bdquo;Es gibt keine Grenzen, nur weil man eine Frau ist“: Das habe ihr ihre Mutter mit auf den Weg gegeben. Chirurgie sei echt anstrengend, fordere sehr viel, sei aber auch extrem spannend und gebe einem &bdquo;irrsinnig viel“. Wenn besonders komplizierte Operationen glücken und man schwerstverletzten Menschen helfen kann. So wie der 22-jährigen Kathleen Heinsohn, die sich nach einem schweren Verkehrsunfall und 40 Operationen wieder zurück ins Leben gekämpft hat. &bdquo;Das Skalpell in die Hand zu nehmen“ liege nicht jedem, sagt Sellmeier, die aus Münster kommt, dort Medizin studiert und zuvor eine Ausbildung als Rettungsassistentin gemacht hat. Aber man merke in der Ausbildung sehr schnell, ob man geeignet ist. Sie habe eigentlich Kardiologin werden wollen. Im Praktischen Jahr sei sie dann aber &bdquo;in der Chirurgie hängengeblieben“. Sie habe einen tollen leitenden Oberarzt – heute ihr Chef in Bethel – gehabt und gemerkt, &bdquo;das liegt mir, das kann ich einfach gut“. Als Tochter eines &bdquo;Chirurgen alter Schule“ habe sie zudem genau gewusst, worauf sie sich einlässt. Viel Arbeit, wenig Zuhause, die Klinik kommt immer zuerst: So sei es seinerzeit gewesen. &bdquo;Wenig life, viel work“, sagt Sellmeier. Dass es auch anders geht und der Beruf auch für junge Eltern möglich sei, will sie vermitteln. Dass auch Väter aus ihrem Team zuhause bleiben, um sich ums kranke Kind zu kümmern, sei ganz normal. Fachkompetenz, guter Job und Empathie zählen, nicht das Geschlecht Auch sei es ein besonderer Männerschlag, der auf der Unfallchirurgie in Bethel arbeitet. &bdquo;Alle haben starke, selbstbewusste, tolle und intelligente Frauen, die in unterschiedlichen Bereichen ganz viel stemmen an ihrer Seite und sind es deshalb gewöhnt, auf Augenhöhe mit den Kolleginnen zu arbeiten“, ergänzt Sellmeier, die seit 2013 in Bielefeld lebt und arbeitet. Vieles habe sich schon getan in den vergangenen Jahren. Aber sie werde tatsächlich immer noch mal von Patienten bei Vorgesprächen zu wichtigen OPs gefragt, ob sie das denn auch kann. Unfallchirurgen seien ein bestimmter Menschenschlag: Teamorientiert, mit hohem Anspruch an sich selbst, eher locker im Umgang, &bdquo;herzlich und handfest und nicht so verkopft“. Man müsse häufig sehr schnell reagieren, trage eine sehr hohe Verantwortung. Das im Team aufzufangen, sei ihr ganz wichtig. Und den Patienten im Ganzen zu sehen, nicht nur den Arm oder das Bein. Sich ihm wirklich zuzuwenden, sich Zeit zu nehmen, auch wenn die eigentlich gar nicht da ist. Wie es ist, sich nicht richtig wahr- und ernst genommen zu fühlen, habe sie selbst als Patient sehr negativ erlebt. Verschiedene Playlists, mit Rock ’n’ Roll und Heavy Metal Im OP helfe Musik dabei, gute Stimmung zu erzeugen, die sich positiv auf alle auswirke. Bei der hohen Arbeitsbelastung und den überall nicht einfachen Umständen in den Kliniken sei das ein wichtiger Faktor. &bdquo;Ich habe eine Box und verschiedene Playlists, mit Rock ’n’ Roll und Heavy Metall“, verrät Sellmeier. Da berücksichtige sie auch die Vorlieben der Kollegen. Nur Schlager und Techno hätten bei ihr keine Chance. &bdquo;Die Patienten werden vorgewarnt, wenn sie – je nach Narkose – wach sind.“ Kraft tankt die Unfallchirurgin am Ende des Tages beim lockeren Plausch mit Kollegen oder einer Runde durch die Patientenzimmer. Nach Feierabend zuhause, beim Lesen – und vor allem auch durch Gespräche mit ihrem Ehemann. &bdquo;Oder auch durch Wahrnehmung von Kleinigkeiten, wie ein wärmender Sonnenstrahl oder die besonders gute Luft auf dem Weg zum Parkhaus“, ergänzt Anna Catharina Sellmeier.

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