Bielefelds goldene Karstadt-Zeiten: Hauseigene Krankenschwester und Promis als Kunden

Bielefeld. Viele Eigenheiten aus der Anfangszeit von Karstadt, von denen Jürgen Zelt erzählt, sind heutzutage fast unvorstellbar. Das Kaufhaus beschäftigte eine eigene Krankenschwester für die Mitarbeiter. Zur Entsorgung der Warenkartons hatte es eine eigene Müllverbrennungsanlage im Keller. In jedem Aufzug gab es einen Aufzugführer, der den Kunden die jeweilige Etage und das dort verfügbare Sortiment ansagte. Und zur Weihnachtszeit betrieb Karstadt auf der Dachterrasse jedes Jahr eine eigene Eisbahn. Zelt arbeitete 48 Jahre in der Foto-Abteilung des Warenhauses. Als er seinen Ausbildungsvertrag bei Karstadt unterschrieb, da war das Gebäude noch in Bau. Der Termin zur Unterzeichnung fand in einem Bauwagen auf dem Innenhof statt. Wenige Wochen später, am 23. April 1964 öffnete Karstadt erstmals die Türen. Der damals 15-jährige Zelt war einer der mehr als 1.200 Mitarbeiter und einer von 132 Auszubildenden. Er lernte zunächst für drei Jahre in der Foto-Abteilung. Dieser blieb er durch mehrere Umstrukturierungen und Namenswechsel bis zu seinem Abschied 2012 erhalten. Zu Beginn wurde großer Wert auf Dekoration gelegt Zum Ende von Karstadt arbeiteten noch 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesamten Warenhaus. Zur Anfangszeit waren alleine 50 Beschäftigte für die Dekoration verantwortlich. In der Weihnachtszeit dekorierten sie das ganze Geschäft festlich. &bdquo;Die Umgestaltung dauerte 14 Tage“, berichtet Zelt. Im Laufe der Jahre hätte die Weihnachtsdekoration allerdings nachgelassen und das Dekorationsteam wurde verkleinert. Aber auch dann ließ sich die Karstadt-Geschäftsleitung immer wieder Ideen einfallen, um den Umsatz anzukurbeln. &bdquo;Anfang der 2000er-Jahre konnten die Kunden ihre Filme abends abgeben und am nächsten Morgen schon die entwickelten Bilder abholen“, erinnert sich Zelt. Um zu betonen, wie schnell das ist, wurde in die Fußgängerzone vor dem Haupteingang ein Formel 1-Auto inklusive Rennfahrer aufgestellt. Passend dazu der Name der schnellen Entwicklungsmethode: &bdquo;Formel 1“. Die Fotoabteilung war zu Beginn im Erdgeschoss angesiedelt, &bdquo;zusammen mit der Uhrenabteilung“, sagt Zelt. 1984 erfolgt der erste große Umbau und im Keller entstand die große Multimedia-Abteilung für Fernseher, Computer, CDs und eben Fotoapparate. &bdquo;Das war in Westfalen die größte Multimedia-Abteilung, mit Dortmund zusammen“, erklärt Zelt. Zum Umbau hatte Karstadt in Bielefeld nur noch 570 Beschäftigte. Bis 1989 stieg diese Zahl jedoch wieder auf 675. &bdquo;Der Umbau hat sich gelohnt“, sagt er rückblickend. Viele bekannte Kunden im Karstadt-Kaufhaus Der 75-Jährige erzählt davon, wie von seinen Vorgesetzten viel Wert auf sogenannte &bdquo;Renomee-Kunden“ gelegt wurde. &bdquo;Familie Delius hat immer bei uns eingekauft. Auch Frau Rau war mal da.“ Christina Rau, die Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau, kommt aus Bielefeld und ist eine geborene Delius. Der Arminia-Fan erinnert sich auch daran, wie er dem DSC-Stürmer Artur Wichniarek eine Digitalkamera verkauft hat. Und selbst der brasilianische Stürmer Marcio Amoroso hat bei ihm eingekauft. Der Stürmer war wegen einer Vertragsstreitigkeit mit Borussia Dortmund bei seinem Bielefelder Anwalt - und besuchte im Anschluss Karstadt an der Bahnhofstraße. Zu den prominenten Kunden zählt Zelt auch den ehemaligen Chefarzt der Anästhesie im Klösterchen, Dr. Wilhelm Heinze. Dieser fühlte sich durch die Karstadt-Foto-Abteilung offenbar gut beraten. &bdquo;Ich musste an der Leiste operiert werden. Das sollte im Januar passieren, als niemand im Urlaub war“, erzählt der gebürtige Bielefelder, &bdquo;Dr. Heinze hat dann aus dem Urlaub im Klösterchen angerufen und mir den passenden Termin organisiert.“ Im Gegenzug habe Zelt dann 1975 bei der Eröffnung des neuen Bettenhochhauses des Franziskus-Hospitals Fotos gemacht. Enttäuschender Abschied nach 48 Jahren Während seiner 48 Jahre bei Karstadt ist Zelt immer gerne zur Arbeit gegangen. Allerdings änderten sich die Bedingungen im Laufe der Zeit. &bdquo;Zu Beginn wurden wir über Tarif bezahlt. Es gab 13 Monatsgehälter, Urlaubsgeld und Zulagen“, erinnert sich Zelt. Diese wurden eingestellt, als es dem Warenhaus finanziell schlechter ging. &bdquo;Die meisten Besitzer wollten ja nur Geld rausziehen“, sagt er. Zelts Zeit bei dem Kaufhaus endete schließlich 2012. Durch Sparmaßnahmen in Folge der ersten Insolvenz verabschiedete er sich frühzeitig in die Rente. &bdquo;Früher“, sagt Zelt, &bdquo;gab es große Verabschiedungsfeiern mit Essen für alle Mitarbeiter.“ Er erhielt zum Abschied allerdings nur eine Flasche Wein von der Geschäftsleitung. Kurz danach wurde die Multimedia-Abteilung aufgelöst. Zwölf Jahre später endete die Karstadt-Zeit in Bielefeld endgültig. Wenige Tage vor der endgültigen Schließung war er noch einmal im Karstadt-Haus. &bdquo;Vier oder fünf Kolleginnen kannte ich noch“, sagt er. Er ist noch einmal durch das ganze Haus gegangen und hat es sich in Ruhe angeschaut. Durch den geplanten Umbau wird das Haus kaum wiederzuerkennen sein. Als Erinnerung bleiben Zelt zwei große Fotoalben mit Bildern aus dem Arbeitsalltag und von den zahlreichen Firmenfeiern sowie Zeitungsausschnitte aus den vergangenen 60 Jahren.

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