Adoption für Bielefelder Baby möglich: Ausgesetztes Kind kommt in Pflegefamilie

Bielefeld. Das an der Südschule ausgesetzte Baby ist über den Berg. &bdquo;Der Zustand hat sich stabilisiert“, teilte die Polizei am Dienstag mit. Auch Sozialdezernent Ingo Nürnberger berichtet: &bdquo;Nach Angaben der Klinik sind die Vitalfunktionen in Ordnung, Folgeschäden aber noch nicht abzuschätzen.“ Das Neugeborene hatte starke Unterkühlungen erlitten, bevor es am Samstag von Polizeibeamten nackt auf dem Schulhof in Brackwede gefunden worden war. Während die &bdquo;Mordkommission Süd“ derzeit ersten Zeugenhinweise nachgeht, um die Mutter zu finden, wird das Kind in der Kinderklinik Bethel versorgt. &bdquo;Eine Bereitschaftspflege steht aber schon parat“, sagt Anke Berkemeyer, die im Jugendamt den Bereich Erzieherische Hilfen leitet. Das Neugeborene wurde vom Jugendamt formal in Obhut genommen. Je nach dem Gesundheitszustand des Kindes werde die Bereitschaftspflege möglicherweise noch in der Klinik Kontakt zu dem Baby aufnehmen. Parallel werde durch das Familiengericht ein Vormund benannt. Der muss dann in Abstimmung mit dem Jugendamt entscheiden, ob und wann das Kind in eine dauerhafte Pflege kommt, bei der es sich auch um eine sogenannte Adoptionspflege handeln kann. Das bedeutet, dass die Pflegefamilie nach etwa einem Jahr die Möglichkeit hat, das Kind zu adoptieren. Anonyme Geburten sind in Bielefeld möglich Dies sei das gängige Verfahren in Fällen, in denen sich Mütter aus welchen Gründen auch immer dazu entschließen, ihr Kind wegzugeben, erläutert Berkemeyer. Damit dabei Kind und Mutter optimal betreut werden können, gebe es in Bielefeld ein breites Hilfs- und Beratungsangebot, betont Sozialdezernent Nürnberger. Auch das sei ein Grund dafür, dass es in Bielefeld keine Babyklappe, sondern seit 2014 das Angebot von vertraulichen und sogar anonymen Geburten im Klinikum Mitte (Babytown) und im Kinderzentrum des Evangelischen Klinikums Bethel gebe. Werner Bader, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe im Klinikum Mitte, erklärt, worum es geht. Als Gynäkologe im St. Ansgar-Krankenhaus in Höxter hatte er eine der Babyklappen in OWL mitinitiiert: &bdquo;Als sie 2007 in Betrieb ging, richtete sich der Fokus der Politik, der Justiz aber auch der Geburtshelfer noch auf die Zahl der ausgesetzten und getöteten Kinder. Die sollte verkleinert werden.“ Babyklappen hatten nur geringen Erfolg Als Bader 2012 ins Klinikum Bielefeld wechselte, gab es bereits eine andere Diskussion. &bdquo;Der neue Fokus lag auf der Hilfe für Kind und Mutter - man wollte trotz ihrer Notlage eine sichere Versorgung der Mutter gewährleisten“. Denn ohne medizinische Versorgung sei nach einer Alleingeburt auch die Mutter in Gefahr. Weil eine erste Studie außerdem gezeigt hätte, dass rund 100 Babyklappen in Deutschland keinen Rückgang der toten Kinder erwirken konnten - zwischen 2000 und 2010 registrierten die Jugendämter lediglich 278 Babys in den Klappen - seien &bdquo;vertrauliche Geburten“ das Mittel der Wahl geworden, so Bader. Mütter könnten auch komplett anonym bleiben, so der Arzt. Doch dieses besondere Angebot werde sehr selten genutzt, sagt Sandra Gruß, Sprecherin des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB): &bdquo;In den vergangenen drei Jahren gab es bei uns lediglich eine anonyme Geburt - im Jahr 2021.“ Unter Pseudonym ins Krankenhaus Sechs &bdquo;vertrauliche Geburten“ gab es seit 2014 in Bielefeld, so das Jugendamt. Dazu können sich Schwangere nach einer psychosozialen Beratung, aber auch spontan entscheiden. Dabei hinterlässt die Mutter Informationen (Vor- und Zuname, Geburtsdatum und Anschrift) für das Kind. Wendet sich die Schwangere an eine Beratungsstelle, bekommt sie dort ein Pseudonym, mit dem sie dann im Krankenhaus auftritt. &bdquo;Die Standesamtsaufsicht legt nach der Geburt den Vor- und Familiennamen des Kindes fest. Die Geburt wird anschließend im Geburtenregister ohne Angaben zu Mutter und Vater beurkundet“, sagt Anke Berkemeyer. Die Echtpersonalien würden bei Bundesfamilienministerium hinterlegt, so dass das Kind ab dem 16. Lebensjahr sein Recht auf Kenntnis der Abstammung geltend machen kann. Ab dem 15. Lebensjahr kann die Mutter allerdings eine dauerhafte Anonymität beantragen. &bdquo;Die vertrauliche Geburt ist von der Justiz akzeptiert und wird von den Krankenkassenträgern bezahlt“, sagt Bader. &bdquo;Die anonyme Geburt ist eine Leistung der Kliniken.“ Die zahlreichen Unterstützungsangebote zeigen offenbar Wirkung. &bdquo;Viele Mütter switchen nach der Geburt um und behalten das Kind doch.“ An der Teutoburger Straße registrierten die Geburtshelferinnen und -helfer im Jahr 2023 nur eine anonyme und eine vertrauliche Geburt: &bdquo;Also zum Glück ein seltenes Ereignis, bedenkt man die Gesamtzahl der Entbindungen pro Jahr“, sagt Bader. 4.201 Neugeborene wurden 2023 in Bielefeld registriert. Der Mutter soll geholfen werden Der aktuelle Fall ist für Sozialdezernent Ingo Nürnberger Anlass, zu überlegen, ob man die Einrichtung einer Babyklappe in Bielefeld mit allen beteiligten Kliniken und Beratungsstellen noch einmal diskutieren müsse. Er hofft, dass sich die Mutter des Babys von der Südschule noch meldet. &bdquo;Wir bieten auch nach der Geburt umfangreiche Hilfen an und würden sie gerne unterstützen.“ Jetzt werde geprüft, wie man die unterschiedlichen Angebote noch bekannter machen könne. &bdquo;Klar ist aber, dass wir nie alle erreichen werden, vor allem nicht Menschen in absoluten Ausnahmesituationen“, so Nürnberger. Eine Übersicht mit Kontakten des Pflegekinderdienstes steht auf der Website der Stadt Bielefeld. Zahlreiche Beratungsangebote nennt auch der Psychosoziale Wegweiser Bielefeld.

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