16-jährige Bielefelderin wird in der Bahn belästigt - und niemand hilft

Bielefeld. Eine 16-jährige Bielefelderin sitzt in der Linie 3 der Stadtbahn und traut ihren Augen kaum. In dem voll besetzten Zug sitzt schräg gegenüber ein Mann, grinst die Jugendliche an und massiert sich durch die Jogginghose ungeniert seinen Schritt. Sie ist angewidert und schaut weg, doch der Mann starrt sie weiter an, sucht ständig den Blickkontakt mit ihr. Niemand in dem voll besetzten Zug reagiert auf das widerliche Verhalten des Unbekannten. Die 16-Jährige bleibt hilflos zurück, ist wie gelähmt. Der Vorfall ereignete sich laut Polizei am Freitag, 27. Oktober, zwischen 14 und 15 Uhr in der Linie 3 von Babenhausen-Süd in Richtung Innenstadt. Die Eltern der 16-Jährigen sind entsetzt. Zuerst über das widerliche Verhalten des Mannes, aber schließlich auch über die fehlende Reaktion der Fahrgäste. &bdquo;Wir wollen diesen Vorfall zum Anlass nehmen, die Menschen zu sensibilisieren, wachzurütteln und zu mehr Zivilcourage aufzurufen“, schreibt die Mutter per Mail. Die Familie erstattete umgehend Anzeige, die Polizei ermittelt seitdem wegen einer Beleidigung auf sexueller Basis oder wegen Erregung eines öffentlichen Ärgernisses. Gesicherte Videoaufnahmen in der Bielefelder Stadtbahn sind wertlos Doch ob der Mann ausfindig gemacht werden kann, ist zweifelhaft: Aus bisher unbekannten Gründen sind die Aufnahmen der Überwachungskameras in der Bahn von einem falschen Zeitpunkt gespeichert worden. Da alle anderen Aufnahmen nach 48 Stunden schon gelöscht werden, war eine nachträgliche Überprüfung nicht mehr möglich. Laut Polizeisprecherin Siedschlag liegt zwar Bildmaterial von der Tat vor. Dieses zeige aber nicht das Gesicht des Mannes. Die Familie der 16-Jährigen hofft nun, dass sich doch noch Zeugen melden, die das Geschehen beobachtet, fotografiert oder gefilmt haben. Eine Frau mit Baby könnte eine wichtige Zeugin sein Der Unbekannte hatte sich schon an der Haltestelle Babenhausen-Süd dem Mädchen unangenehm genähert. Obwohl überall Platz gewesen sei, habe er sich dicht zwischen ihr und einem Mülleimer vorbeigedrängelt. Als sie beide in der Bahn gegenüber sitzen, geht er weiter: Nun massiert er ungeniert sein Glied. &bdquo;Zwei Plätze weiter saß eine Frau mit Baby, sie sprach kurz mit dem Mann“, berichtet die 16-Jährige. Möglicherweise habe sie ihn &bdquo;aufgrund seines ekelhaften Verhaltens“ angesprochen, hofft nun die Mutter. Die Tochter hatte ihre Kopfhörer auf und konnte deshalb das Gespräch nicht hören. Doch auch der Wortwechsel bringt den Täter nicht von seinem Tun ab, dabei starrt er die 16-Jährige weiter direkt an. &bdquo;Was wäre in einer leeren Bahn passiert? Bei Dunkelheit? Wir möchten es uns nicht vorstellen.“ Zwei Stationen vorm Jahnplatz soll sich der Mann so hingestellt haben, dass jeder seine Erektion durch die Jogginghose sehen konnte. &bdquo;Niemand sagt etwas, niemand reagiert“, sagt die Mutter. Draußen vom Bahnsteig winkt er der 16-Jährigen noch grinsend durch das Fenster zu. Die Eltern sind fassungslos: &bdquo;Seitdem hat unsere Tochter Angst, alleine mit der Bahn zu fahren. Es macht uns wütend, dass so etwas mitten am Tag in einer voll besetzten Bahn passiert, ohne dass sich jemand an den Fahrer wendet, oder die Polizei ruft.“ Niemand habe die 16-Jährige gefragt, ob sie Hilfe braucht. &bdquo;Sie selbst war nicht in der Lage aufzustehen, wegzugehen, um Hilfe zu bitten. Was wäre in einer leeren Bahn passiert? Bei Dunkelheit? Abends? Wir möchten es uns nicht vorstellen.“ Polizei Bielefeld: Jeder kann helfen, niemand mus sich in Gefahr bringen Polizeisprecherin Sarah Siedschlag betont, dass jeder in so einer Situation helfen könne. &bdquo;Man kann die Person ansprechen, sich dazu vielleicht auch zusammentun oder zumindest über die Sprechanlage Kontakt zum Fahrer herstellen.“ Denn auch das sei wichtig: &bdquo;Niemand muss sich in Gefahr bringen.“ Aber Hilfe anbieten oder Hilfe holen, kann jeder. Für die Strafverfolgung sei auch wichtig, dass sich Beobachter des Geschehens als Zeugen anbieten und eine möglichst genaue Täterbeschreibung liefern. Zwei Männer helfen einem bedrängten Mädchen heldenhaft Dass so eine Situation auch viel besser ausgehen kann, zeigt ein anderes Beispiel aus Bielefeld. Die siebenjährige Tochter einer Bielefelderin geht jeden Tag von der Klosterschule zur Arbeitsstelle der Mutter nach Bethel. Am 28. November stürmt gegen 15 Uhr am Betheleck ein offenbar stark betrunkener Mann auf das Kind zu, pöbelt das Mädchen an und drängt sie in einen Stichweg: &bdquo;Er rief: ’Du musst da jetzt reingehen’“, berichtet die Mutter, die in diesem Moment sehr glücklich ist, dass ihre Tochter sehr mutig reagierte, und rief: &bdquo;Nein, das muss ich gar nicht.“ Der Mann wiederum wurde daraufhin sehr wütend, das Mädchen fing an zu weinen. Vorbildlich: Zwei Augenzeugen eilen dem kleinen Mädchen zu Hilfe In diesem Moment eilten zwei Augenzeugen dem Mädchen zu Hilfe. &bdquo;Der eine Mann hat den Mann vertrieben und der andere hat sich um meine Tochter gekümmert“, lobt die Mutter. Während sich der aggressive Mann in die Sparkasse flüchtete, brachte der andere Helfer die Siebenjährige zu ihrer Mama. &bdquo;Ich bin den zwei Helfern sehr dankbar“, sagt sie. Über die Polizei hat sie inzwischen die Namen der beiden Retter erfahren: &bdquo;Ich werde mich noch persönlich bei ihnen bedanken“. Dennoch will sie ein großes Dankeschön an die beiden &bdquo;Helden vom Betheleck“ über die NW vorausschicken. &bdquo;Meiner Tochter geht es gut. Trotzdem stand sie an diesem Tag echt unter Schock. Ich bin so dankbar, dass die Zeugen so toll geholfen haben.“ Bielefelderin appelliert an alle Eltern: &bdquo;Spielt solche Situationen durch“ Der Bielefelderin sei es wichtig, dass Eltern ihre Kinder auf solche Situationen vorbereiten und mit ihnen gedanklich durchspielen. Durch einen Polizisten in der Familie seien ihre Kinder immer auf wichtige Verhaltenstipps hingewiesen worden: Kinder sollten wissen, dass es in Ordnung sein kann, zu Erwachsenen &bdquo;Nein“ zu sagen. Im Notfall muss ihnen klar sein, dass sie den Fremden sogar anschreien dürfen. Kinder soltlen Fremde grundsätzlich siezen, damit Zeugen erkennen, dass es sich hier um Unbekannte handelt. Im Ernstfall sollten Kindern laut werden, &bdquo;Hilfe““ rufen – oder noch besser &bdquo;Feuer!“. Denn auf Feuer-Rufe reagieren die Menschen. Aber auch für die stummen Fahrgäste in der Stadtbahn hat sie einen praktischen Tipp: &bdquo;Wenn ich Angst vor der Reaktion des Mannes habe, dann kann ich doch zumindest das Mädchen da wegholen und mit ihr zum Fahrer gehen oder die Polizei rufen.“ Doch auch das ist in der voll besetzten Bahn nicht geschehen. Sie alle sollten sich ein Vorbild nehmen an den beiden Männern vom Betheleck.

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