Bielefelds ältester Traditionsbetrieb: umräumen, abreißen und neu bauen für die Zukunft

Bielefeld. Draußen türmen sich noch die Trümmer, wo vor fast drei Wochen der verheerende Dachstuhlbrand auf dem Betriebsgelände von Delius Delcotex rund ein Viertel einer Fabrikhalle zerstörte. Drinnen herrscht dagegen große Betriebsamkeit: Das Gros des verbliebenen, heilen Teils des alten Backsteingebäudes haben die hauseigenen Handwerker mittlerweile durch eine provisorische Mauer von der offenen Flanke getrennt und so gegen Nässe und Kälte isoliert. Dort arbeitet im hellen Licht der Baustrahler eine Putzkolonne in weißen Schutzanzügen an den großen grünen Webmaschinen, die das Inferno überlebt haben. Das zumindest hoffen alle Beteiligten, Belegschaft wie Management, dass wenigstens die 17 erhaltenen und äußerlich unversehrt gebliebenen Maschinen nach der Grundreinigung wieder die auf dem Weltmarkt begehrten technischen Spezialgewebe aus Bielefeld produzieren können. Allerdings nicht an alter Stelle: Die teils zerstörte Fabrikhalle aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts mit dem markanten Sheddach sei dem Abriss geweiht, erklärt Geschäftsführer Marc Schmidt beim Rundgang durch den historischen Komplex. Zehn der kostbaren Maschinen seien bei dem Brand zerstört worden. Nicht direkt durch das Feuer, das über Stunden in dem Sheddach wütete, sondern durch die Trümmer, als die durchgebrannte Dachkonstruktion zusammenbrach und alles unter sich begrub. An dem Freitag, es war der 9. November, hatte der Brand an einer Maschine über die Abluftanlage den 30 Meter hohen Schornstein in einen feuerspeienden Schlot verwandelt. Die alarmierten Feuerwehren kühlten erfolgreich den bereits glühenden Stahl und bewahrten den Koloss vorm Einsturz, konnten jedoch nicht verhindern, dass sich das Feuer ins Dachgebälk fraß und dort weiter ausbreitet – von oben geschützt durch die Metallhaut und von unten durch eine mit Bitumen isolierte Decke. Gutachten der Brandermittler steht noch aus An dem von morgens bis in die Nacht dauernden Großeinsatz beteiligten sich fast alle Bielefelder Feuerwehren, in der Spitze waren bis zu 150 Brandbekämpfer vor Ort. Über Stunden vereitelten sie das Übergreifen der Flammen auf eine benachbarte Halle, und nachdem ein Abrissbagger eine Brandschneise durch Dach und Halle gebrochen und den Weg planiert hatte, gelang es final, die Flammen zu löschen. Die Trümmer werden noch eine Weile sichtbar sein, doch die Planungen fürs Aufräumen, Abreißen und Neubauen haben längst begonnen. Sofort nach der Freigabe der Brandstelle durch die Polizei habe man mit dem Aufräumen angefangen. Der abschließende Bericht der Brandermittler liege allerdings noch nicht vor, als Ursache gehe man weiter von einem technischen Defekt aus. Während das behördliche Gutachten noch aussteht, laufen bei Delius die Planungen für die Rückkehr zu betrieblicher Normalität und voller Produktion bereits auf Hochtouren bei einem ambitionierten Timing. &bdquo;Es wäre schön, wenn der Neubau in einem Jahr stehen würde“, sagt Geschäftsführer Marc Schmidt auf seine ruhige Art und erklärt die Etappenziele: Nach Möglichkeit sollen die geretteten Webmaschinen bereits im Dezember in die Nachbarhalle umziehen, dort weitere Tests durchlaufen und spätestens bis zum Juni wieder im Schichtsystem produzieren. Bis dahin müssen Stromversorgung und Abluftanlage funktionieren, sowie das Herstellen von konstanter Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit gewährleistet sein für die sensible Technik. Ein großes Glück sei es in der Situation, dass der Schornstein stehen bleiben könne, der Brand dessen Statik nicht ruiniert habe. Einmal Sandstrahlen und dann könne er zukünftig wieder arbeiten. Im Idealfall wäre es Mitte 2025 so weit, nachdem die Belegschaft mit dem alten Maschinenpark, ergänzt um die neuen und von den Mitarbeitern auf Delius-Knowhow umgerüsteten Exemplare, nach erneutem Umzug an alter Stelle unter neuem Dach wieder weben kann. Gegenwärtig arbeiten die betroffenen 25 bis 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der spezialisierten Abteilung des Unternehmens in einer Drei-Tage-Woche. Sie koordinieren die speziellen Putzarbeiten und packen mit an, konzentrieren sich demnächst auf Reparaturen an den Maschinen, wie den Ersatz von Verschleißteilen und sollen die Maschinen dann wieder zum Laufen bringen – viel Hoffnung ruht auf ihrem Wissen und Können. Die Krise als Chance: mit viel Elan zurück zur Normalität Das sie später in einer Produktionsstätte entfalten können, die nach modernsten Kriterien gebaut werde und die höchsten und besten Standards entspreche, sagt Schmidt. Das sei die Chance, die sich nach der Krise durch den Großbrand biete. Entsprechend sitzen die weiteren Hoffnungsträger in dem komplexen Projekt im Bauamt. So würde eine zügige Baugenehmigung nach Einreichen der Dokumente einiges erleichtern. Denn der Zeitfaktor spiele eine bedeutende Rolle in der gesamten Planung. Zwar beläuft sich bei einem Nettopreis von 300.000 Euro für eine Webmaschine aus dem Katalog allein der materielle Schaden bei der Technik auf mindestens drei Millionen Euro. Und dazu kommen noch die Kosten für Abriss und Neubau. Doch das sei alles versichert, sagt Schmidt. Die Zeit aber sei gegenwärtig die unbekannte Größe.

Meistgelesen