Polit-Prominenz auf einen Kaffee mit der Polizei in Bielefeld

Bielefeld. Das sieht von weitem nicht gut aus. Unzählige Einsatzwagen, teils mit eingeschaltetem Blaulicht, haben sich auf der Verkehrsinsel vor dem Alten Rathaus platziert. Noch läuft der Verkehr auf dem Niederwall. Zu erkennen ist ein großes, weißes Zelt, das bei Regenwetter von der Spurensicherung der Kriminalpolizei aufgestellt wird, um bei einem Kapitalverbrechen eventuelle Spuren zu schützen. Beim Näherkommen löst sich das Szenario, das nichts Gutes versprach, schnell auf. Herbert Reul, Innenminister des Landes NRW, trinkt genüsslich einen Kaffee und plaudert entspannt mit Polizisten und Bürgern der Stadt. Aus einem alten, grauen, französischen Kleintransporter, umgebaut zu einem kleinen, mobilen Caféhaus, wird ein Kaffee nach dem anderen gereicht. Coffee with a Cop, ein Kaffee mit einem Polizeibeamten, ist am Samstag von 10 Uhr bis 14 Uhr das Thema vor dem Rathaus. Die Mission dieser Veranstaltung besteht darin, die Barrieren zwischen Polizisten und Bürgern, denen sie dienen, abzubauen. Erfunden wurde die Veranstaltung vor 7 Jahren im kalifornischen Los Angeles. Sie schwappte über die ganze Welt und erreichte jetzt zum zweiten Mal auch Bielefeld. Hoher Besuch trotz Karneval-Auftakt Dass es an diesem Tag, dem 11. November, eine eher rheinische Frohnatur wie Herbert Reul trotz Karnevalauftaktes nach Bielefeld zieht, das heißt schon was. Doch der oberste Dienstherr der Polizei hat seine Gründe: &bdquo; Es gibt nichts Wichtigeres, als dass Bürger und Polizei hier zwanglos in Kontakt kommen, ohne Bitte um Hilfe oder bei unangenehmen Situationen, Festnahmen oder Vernehmungen. Hier kommt man ins Quatschen. Der Kaffee macht die Tür auf und dann wird geredet. Dadurch wächst das gegenseitige Verständnis.“ Wie sich der Respekt gegenüber den Ordnungshütern in den vergangenen Jahren entwickelt hat, sieht der Innenminister dann eher kritisch. &bdquo;Es ist Respektlosigkeit in unsere Gesellschaft eingezogen. Dies gilt gegenüber Staatsdienern ganz besonders. Man sieht es bei Einsätzen der Polizei, der Feuerwehr oder im Ausländeramt. Das ist nicht in Ordnung und kann nicht akzeptiert werden“, erklärt Reul. Und ergänzt: &bdquo;Man muss Achtung voreinander haben, menschlich miteinander umgehen. Und das hat nicht nur mit der Polizei zu tun. Das muss eine Haltung in der Gesellschaft sein“, sagt der Innenminister, um sich dann der Polizeipräsidentin Sandra Müller-Steinhauer zuzuwenden. Angst im Dunkeln Viele ihre Kollegen sind an diesem Tag vor Ort, um sich bei einem Heißgetränk die Sorgen und Nöte, aber genau so oft auch ein Dankeschön für ihre Arbeit anzuhören. &bdquo;Ich wollte einfach mal mit der Polizei sprechen. Im Augenblick ist die Situation stark von einer gesellschaftlichen Unsicherheit geprägt. Ich bin beunruhigt, was ich so in der Zeitung lese und traue mich im Dunkeln nicht mehr vor die Tür“. Elisabeth Ruhland schüttet einer Polizeibeamtin ihr Herz aus. Ein junges Ehepaar mit Kind scheint ein wenig überfordert bei dem großen Polizeiaufgebot. Eigentlich wollte ihre Tochter nur mal kurz auf einem Polizei-Motorrad sitzen. Doch dann hat das kleine Mädchen der Mut verlassen vor dem großem, rollenden Ungetüm auf zwei Rädern. Glücklich über die kleine, aber feine Veranstaltung ist die Polizeipräsidentin. Sie rechnet es ihrem Chef, dem Innenminister, hoch an, dass er den Weg nach Bielefeld gemacht hat. &bdquo;Wir sind in Bielefeld immer ein wenig in der Randlage von NRW. Wenn wir heute die Aufmerksamkeit von Herbert Reul für diese Aktion bekommen, ist das eine große Wertschätzung für meine Kollegen. Sie opfern ihr Wochenendel Und für die Bürger der Stadt ist es ein tolles Zeichen“, freut sich Müller-Steinhauer. Man könne einiges tun, um das Miteinander zwischen Polizei und Bevölkerung zu stärken. Die Polizei sei Teil der Bevölkerung, der Gesellschaft. Man könne nicht genug dafür tun, um unsere Offenheit zu zeigen. Menschen auf der Straße würden manchmal glauben, dass es sie nicht gebe. Kaum Zeit für persönliche Gespräche Ein Polizist erzählt, dass es heute kaum noch Zeit für ein persönliches Gespräch mit dem Bürger gebe. Das Zusammentreffen sei meist in irgendeiner Konfliktsituation. Der Fall würde abgearbeitet und dann wende man sich schon wieder dem nächsten Übel zu. Aufgrund von Personalnot bleibe so manches Gespräch &bdquo;über Gott und die Welt“ auf der Strecke. Ein älteres Bielefelder Ehepaar ist auf dem Weg in die Altstand, hält aber doch kurz an, um bei einem &bdquo;Coffee with a cop“ innezuhalten. Letzten Kontakt habe Bernd, knapp 80 Jahre alt, vor drei Wochen mit der Hamburger Polizei gehabt. Er sei zu schnell gefahren, geblitzt worden und fände das nicht so schön. Kriminalhauptkommissar Andreas Westerburg, Leiter der Kriminalprävention, hört sich die Geschichte geduldig an. Gut, dass er bis zum Ende wartet. Denn da kommt noch etwas von Bernd: &bdquo;Ich möchte ihnen persönlich ein Lob aussprechen. Ich rechne ihnen und ihren Kollegen hoch an, was sie in ihrem Dienst tun. Sie setzen sich für Recht und Ordnung ein, scheuen dabei auch keine eigenen Verletzungen!" Und mit seiner Frau an der Hand geht es dann zielstrebig zum Einkaufsbummel in die Altstadt. Es regnet inzwischen immer stärker. Das rollende Caféhaus hat die Fensterläden geschlossen. Die Cops streben ins Wochenende. Auch Herbert Reul hat die Aktion bereits fast unbemerkt verlassen. Nicht, dass er nach Hause gefahren wäre, um sich noch in den Trubel des Karnevalanfangs zu werfen. Kurzfristig hat er seinen Tagesplan abgeändert. Nächste Station ist die Stadthalle in Bielefeld. Dort findet die Jobmesse statt. Und dort werden Interessenten beraten, welche Chancen der Beruf eines Polizisten bietet.Das interessiert ihn dann doch.

Meistgelesen