Lesung: Die tollsten Geschichten aus dem Bielefelder Nachtleben

Bielefeld. Erst kamen die Kakerlaken und danach die Kellergeister. Der dritte Teil des lokalen Lokal-Bestsellers von Willibald A. Bernert und Frank Tippelt kommt frisch aus der Druckerpresse und wird nächste Woche ausgeliefert. &bdquo;Kneipen, Kult und Kümmerlinge“ heißt das feuchtfröhliche Kompendium, ein launiger Abriß des Bielefelder Nachtlebens zwischen 1960 und 1990 ist es wieder geworden, reichlich illustriert mit historischen Schnappschüssen – diese teils mit Fremdschäm-Faktor. Eine Pflichtlektüre für alle, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts im Schutze der Dunkelheit mehr oder weniger stramm durch die Häuserschluchten Bielefelds zogen. Wie schon beim zweiten Teil &bdquo;Kneipen, Kult und Kellergeister“ begeben sich Tippelt und Bernert darin auf Wanderschaft und nehmen bei ihren vier Gastro-Routen nicht nur den imaginären Bollerwagen, sondern auch ihre Leser mit. Und dafür nehmen sie sich Zeit, 96 Seiten lang. &bdquo;In keinem Buch waren mehr Fotos als in diesem Neuen, 150 Bilder, davon etwa 100 bislang unveröffentlichte“, spoilert Frank Tippelt, der, wie auch der Dokumentarfilmer und Weltenbummler Bernert, eine diebisch-schelmische (Vor-) Freude auf das neue Werk versprüht – und dadurch neugierig macht. Eigendynamik von Kakerlaken und Kellergeistern Die Kakerlaken und Kellergeister scheinen eine gewisse Eigendynamik entwickelt zu haben, Tippelt: &bdquo;Für unserer ersten Band, die Kakerlaken, haben wir fast drei Jahre gebraucht, nun geht das alles fast von selbst“. Der Journalist präsentiert eine stattliche Datenbank auf seinem Laptop – weit mehr als eine Excel-Tabelle. Hierin finden sich nicht nur tausende Namen, Adressen und Telefonnummern, Bilder, Hinweise und Archivmaterial, hier verbirgt sich längst der vierte und fünfte Teil der Buchreihe, die, wie schon die ersten Teile, wie &bdquo;geschnitten Brot“ über den Verkaufstresen gehen wird. In der frisch gedruckten &bdquo;Kümmerlinge“- Edition erfährt der geneigte und trinkfeste Leser so einiges über die &bdquo;goldenen 70er“ in Bielefeld, genauer in Brackwede – Schauplatz einer der vier historischen Gastro-Routen als es noch Läden wie den &bdquo;Euro-Club“ (später &bdquo;B-Movie“) an der Hauptstraße gab. Auszug aus der Gästeliste dieses Etablissements: Roberto Blanco, Gitte Haenning (&bdquo;Ich will ’nen Cowboy als Mann“), Dunja Rajter (Winnetou 1), Howard Carpendale oder Ireen Sheer. Promi-Alarm in Brackwede Man erfährt in dem Buch auch, dass Euro-Club-Gast Mike Krüger bei einem anderen Gast, Costa Cordalis, aufs Konzert wollte, aber, weil Supernase Krüger keinen Eintritt zahlen wollte, nicht reingelassen wurde. Auch in einer weiteren Brackweder Kneipe, dem &bdquo;Mauseteich“ herrschte Promi-Alarm. Hier kehrten Didi &bdquo;Palim Palim“ Hallervorden, Hildegard Knef, Max Merkel oder Ruth-Maria Kubitschek (Monaco Franzes &bdquo;Spatzl“) ein und in der &bdquo;Kwetsche“ an der Hauptstraße hoppelten Playboy-Häschen oben ohne im Schankraum umher – Sodom und Gomorrha in Brackwede, allein an der Hauptstraße soll es annähernd 30 Kneipen gegeben haben, so Tippelt. Ein kurzer Abstecher dieses Spaziergangs führt den interessierten Lokalhistoriker auch nach Quelle in die Waldquelle. Feuchtfröhlich war hier Standard bei den Bademantel-Partys. &bdquo;Friede, Freude, Frotteelook“ war das Motto oder auch &bdquo;Freibier im Freibad“. In der Kneipe &bdquo;Die Gruft“ am Queller Waldbad trieben sich die ein oder anderen Schwarzkittel herum, der Wirt dekorierte seinen Laden mit Särgen und alten Grabsteinen – &bdquo;Rest in Peace“. &bdquo;Friede, Freude, Frotteelook“ Die beiden anderen Rundgänge durch das Bielefelder Nacht- und Kneipenleben leider längst vergangener Tage führen in &bdquo;Kneipen, Kult und Kümmerlinge“ durch das Bahnhofsviertel als es weder eine Boulevard-Discomeile noch eine &bdquo;Tüte“ gab (jedenfalls nicht als schmuddeliger Treff am U-Bahn-Abgang) und entlang der Strecke vom Kesselbrink Richtung Ravensberger Park immer ostwärts (Ex oriente lux), als es noch soziale Treffpunkte gab wie das &bdquo;Alte Brauhaus“, &bdquo;Eingang 7“, später Magnus, Stockbrügger (&bdquo;Die älteste Kneipe der Stadt, 120 Jahre alt“, so Frank Tippelt), das Milestones (früher &bdquo;Café Pönk“), das &bdquo;Potemkin“ (heute ’ne coole Punkrock-Absteige) oder das &bdquo;Gegenüber“ (früher &bdquo;Bogarts“.) &bdquo;Wir wollen die Leute ein Stück zurückbringen in die gute alte Kneipenzeit“ beschreibt Willibald A. Bernert den Grund und den Ansporn für die kultigen Kneipenbücher. Und sein Kompagnon Frank Tippelt ruft in Erinnerung: &bdquo;Kneipen waren die Brennpunkte sozialen Lebens“. &bdquo;Kneipen waren die Brennpunkte sozialen Lebens“ Mehr Weisheiten aus der Welt der Gastwirtschaft werden die Beiden preisgeben bei ihrer Premierenlesung in der Stadtbibliothek am Neumarkt am Freitag, 10. November, ab 20 Uhr – und das bei freiem Eintritt. Steve Haggerty wird mit seiner Gitarre zusätzlich Schwung in die Sache bringen. Das Buch – ab nächster Woche bei der NW erhältlich – wird 15,90 Euro kosten. Nicht nur Frank Tippelt kann spoilern: Im Band 4, bereits in Arbeit, wird in irgendeiner Bielefelder Kneipe ein Pferd auf dem Flur stehen – mehr davon irgendwann vor Weihnachten 2024.

Meistgelesen