Bielefeld. Das Tierheim des Tierschutzvereins Bielefeld und Umgebung hat ab sofort einen Aufnahmestopp für jegliche Katzen – sowohl Abgabe- als auch Fundtiere – ausgesprochen. Das Katzenhaus an der Kampstraße in Sennestadt ist derzeit komplett gefüllt. Selbst auf den Fluren werden Tiere untergebracht, und das trotz moderater Vermittlungsrate.
„Die Situation ist dramatisch, anders kann man die Lage nicht bezeichnen“, sagt Tierheimleitung Jutta Schaper. „Wir mussten die Reißleine ziehen, wir können die Tiere nicht mehr tierschutzgerecht unterbringen.“ Das Team unter Bereichsleiterin Vanessa Markiewicz arbeitet momentan an der Belastungsgrenze. „Wir versorgen aktuell 260 Katzen“, sagt die Tierpflegerin. Ohne die zusätzlich privaten Pflegestellen des Tierschutzvereins wäre die Lage schon längst nicht mehr tragbar gewesen.
Erschwerend kommt hinzu, dass das Schicksal der Tiere doppelt an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zerrt – sowohl physisch wie psychisch. Denn die Geschichten der einzelnen Tiere gehen keineswegs spurlos an ihnen vorbei. Da gibt es zum Beispiel die beiden Katzen Cookie und Cake, die von einem Unbekannten in der Bielefelder Innenstadt ausgesetzt wurden – auf einem Spielplatz in einer Plastiktüte. Noch schlimmer traf es Katze Mia, die mit ihren sechs Welpen in einem Industriemüllcontainer in Bielefeld-Sennestadt gefunden wurde und wohl nur knapp einem qualvollen Tod entgangen ist.
Gesundheitszustand bereitet zunehmend Sorgen
Auch Tierheim-Tierarzt Mirko Quest wirkt ob der prekären Lage ratlos: „Ich kastriere jedes Jahr schätzungsweise 350 Katzen – Tendenz steigend. Ende des Jahres werden wir wahrscheinlich bei 400 Tieren liegen.“ Eine Hauskatze kann bereits mit sechs Monaten geschlechtsreif werden und bringt bis zu neun Katzenwelpen zu Welt.
Auch der Gesundheitszustand der 260 Katzen bereitet zunehmend Sorgen. Die Tiere seien schlichtweg nicht dafür gemacht, zu so vielen Individuen auf einem derart engen Raum wie dem Katzenhaus gehalten zu werden. „Aktuell haben wir eine große Welle von Infektionen mit Katzenschnupfen“, sagt der Bielefelder Tiermediziner. „Unsere Impfungen schützen die Tiere zwar vor einem schweren Verlauf, aber nicht vor der Infektion selbst.“
Die Kritik vieler Bürgerinnen und Bürger an den Vermittlungsanforderungen des Tierschutzvereins weist Jutta Schaper zurück. „Unsere Standards richten sich nach dem Deutschen Tierschutzgesetz und der Katzenschutzverordnung der Stadt“, beteuert die Tierheimleiterin. Zudem spiele auch die jahrzehntelange Erfahrung der Mitarbeiter bei der Vergabe der Tiere eine wichtige Rolle.
„Täglich werden uns Katzen gemeldet, die niemandem zu gehören scheinen, kaum eine Katze ist kastriert und bei einem Haustierregister registriert. Obwohl die Bielefelder Katzenschutzverordnung die Kastration und Registrierung von männlichen und weiblichen Freigänger-Katzen vorschreibt“, sagt Markiewicz. An dieser Stelle ist dringend das Handeln der Stadt gefordert die Katzenschutzverordnung durchzusetzen. Der Tierschutzverein bittet alle Bielefelder, die nun Katzen finden, das Ordnungsamt unter Tel. 0521 510 zu verständigen. Denn die Kommunen sind für die tierschutzgerechte Versorgung von Fundtieren originär zuständig. Gleichzeitig sollten sie unbedingt aber auch Meldung beim Tierheim unter Tel. 05205 9 84 30 machen, so dass durch die Fundanzeigen auch eventuell vermisst gemeldete Tiere erkannt und wieder an ihre Halter vermittelt werden können.