Bärendienst für den Klimaschutz: Bielefelder Amt gibt 55.000 Euro für eine Party aus

Der Klimawandel ist längst Realität. Nicht jedes Extremwetterereignis lässt sich darauf zurückführen, aber die Anzeichen mehren sich auch hier in Bielefeld. Der September ist beispielsweise der wärmste seit 140 Jahren. Gleichwohl gingen vergangene Woche Mittwoch Regen, Blitz und Donner auf die Stadt hernieder mit Wassermengen von 50 bis 60 Litern pro Quadratmeter – so viel kommt sonst im ganzen Monat runter. Die meist so beschauliche Lutter verwandelte sich in Heepen in einen reißenden Fluss und richtete viel Schaden an. Die Frage ist, wie wir als Stadtgesellschaft mit dem Klimawandel umgehen. Bereits 2019 hat der Rat der Stadt auch auf Druck der Fridays-for-Future-Bewegung den Klimanotstand ausgerufen und damit den Klimaschutz auch in Bielefeld zu einer Aufgabe von höchster Priorität deklariert. Ziel: Bis zum Jahr 2030 soll die Stadt klimaneutral sein. &bdquo;Dieses Ziel wird klar verfehlt“, warnt Anfang des Monats das Klimabündnis Bielefeld, in dem sich rund 30 Organisationen zusammengeschlossen haben, in einem offenen Brief. Keine wirklich relevanten Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und zum Schutz der Arten seien in Bielefeld festzustellen. Vielmehr würden &bdquo;folgenreiche Straßenbauprojekte“ wie die L712n, die B61n und die Pläne für eine vierspurige Herforder Straße vorangetrieben. Zudem würden weiterhin Gewerbeflächen in Wasser- und Naturschutzgebieten geplant und alte Bäume gefällt. Öffentlicher Nahverkehr attraktiver werden Vergangenen Freitag gingen so auch in Bielefeld mehrere tausend Menschen auf die Straße, um unter dem Motto &bdquo;We are watching you“ gegen den globalen Klimawandel zu demonstrieren. Aufgerufen hatte wieder die Fridays-for-Future-Bewegung. Unter den Demonstranten waren auch Lotta und Mathis, beide 17 Jahre alt. Beide gehen noch zur Schule und machen keinen Hehl aus ihrer Sorge um die Klimakrise. Für eine kurzfristige Umsetzung der Klimaziele in Bielefeld, &bdquo;sollte die City bald autofrei, und der öffentliche Nahverkehr attraktiver werden, indem die Preise sinken“, so Lottas Forderung. Das wird Wasser auf die Mühlen von Martin Uekmann gewesen sein. Dem Mobiel-Chef ist schon von Berufs wegen an der Reduzierung des Autoverkehrs durch Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gelegen. Erklärtes und durchaus ehrgeiziges Ziel der Stadt ist es, den motorisierten Individualverkehr bis 2030 zu halbieren. Der Anteil von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr soll möglichst 75 Prozent ausmachen. Das heißt aber auch, dass kräftig in den Ausbau des Stadtbahnnetzes investiert werden muss, wie beispielsweise in die Verlängerung der Stadtbahnlinie 1 bis nach Sennestadt. Doch das kostet Geld. Der Stadtkämmerer, Rainer Kaschel, hat jüngst vorgerechnet, dass sich die Betriebskostenzuschüsse der Stadt für das Verkehrsunternehmen künftig jährlich auf 29 bis 30 Millionen Euro erhöhen würden. Schlussfolgerung: In naher Zukunft werde es angesichts dieser Entwicklung vorrangig um den Erhalt des Status quo als um den Ausbau des ÖPNV gehen. Das ist eine inakzeptable Aussage für eine Stadt, die den Klimanotstand ausgerufen hat. Einsparungen und Einschnitte beim ÖPNV können fatale Folgen haben. Menschen, die vielleicht gerade erst über das neue Deutschland-Ticket für Bus und Bahn gewonnen wurden, kann man im Zweifel schnell wieder verlieren. Das Gegenteil, so Uekmann, müsse der Fall sein: Fahrgäste könnten in hohem Maße gewonnen werden, wenn das Netz ausgebaut werde. 110.000 Euro für Imagefilm und Party Mahnt mit Kaschel der eine städtische Dezernent in einer Brandrede, dass angesichts der dramatischen finanziellen Lage der Stadt das Geld zusammengehalten werden müsse, so gibt es mit Martin Adamski ein anderer Dezernent für ein jüngst kritisiertes Projekt wieder aus. Sicherlich brauchen wir neue Wege, um die Bielefelder bei einschneidenden Veränderungen zugunsten des Klimaschutzes zu informieren und möglichst viele mitzunehmen. Doch darf der gut fünfminütige Imagefilm &bdquo;Bielefeld fährt Rad“ wirklich 55.000 Euro kosten? Und die Premierenfeier im Ravensberger Park noch einmal 55.000 Euro dazu? Meine Antwort dazu ist ein klares Nein! Es gibt viele Familien in Bielefeld, die angesichts von Inflation und stark gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht wissen, wo sie das Geld hernehmen sollen. Und da gibt ein städtisches Amt 55.000 Euro für eine Party mit geladenen Gästen aus? So kann man den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt Klimaschutz und Radfahren nicht schmackhaft machen – ganz im Gegenteil. Was noch ein bitterer Beigeschmack bei den Kosten für dieses Projekt ist, dass ausgerechnet die AfD das ganze durch eine Anfrage an die Verwaltung publik gemacht hat. Denn es bereitet gerade den Rechtspopulisten den Boden, wenn Menschen Vertrauen in demokratische und öffentliche Institutionen verlieren.

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