Wegen Mängel: Bielefeld Mieter formieren Widerstand gegen Hausverwaltung Reanovo

Bielefeld. Der Gestank beißt in der Nase und lässt nichts Gutes ahnen. Zwar stehen weiterhin zwei schwarze Kunststoffboxen im Gang der mit Ratten kontaminierten Keller, doch die schlechte Luft in den Katakomben der Senne-Siedlung weist darauf hin, dass die Fallen seit Monaten von den Tieren praktisch ignoriert werden. Ein Grundproblem mit der Hausverwaltung Reanovo sei die mangelnde Kommunikation, klagen die Mieter, als sie gemeinsam mit einer kleinen Delegation der Senner SPD durch die Wohnanlage spazieren und einige Orte ihres Unmuts präsentieren. Dabei sei der Keller mit den Ratten symptomatisch für die Gesamtsituation, berichten die Anwohner: Zwar habe Reanovo mit Aushängen in den Hausfluren darauf hingewiesen, den Schädlingsbekämpfern die Kellerverschläge zu öffnen – allerdings nur in deutscher Sprache, was längst nicht jeder in der Siedlung lesen könne. Und da offenbar kein Hausmeister die Maßnahme begleitete, landeten die Boxen im Flur und stellen dort eher eine Gefahr für Kinder dar als für die Ratten. Einige Mieter hätten bereits externe Lagerboxen angemietet für ihr noch nicht angefressenes Hab und Gut. Mitte August hatte Rechtsanwalt Ridvan Ciftci zu einer Mietersprechstunde in die Buschkampschule geladen, bei der rund 50 Bewohner der Siedlung ihre Probleme mit der Hausverwaltung und die Mängel in den Wohnungen schilderten. Der Katalog reichte von den Klassikern wie Schimmel und unbehobenen Schäden in Zimmern oder Balkonen bis hin zum Sperrmüll vor der Tür, Einkaufswagen in den Grünanlagen und nicht nachvollziehbaren Nachzahlungen in Höhe von zum Teil mehreren tausend Euro wegen mutmaßlicher Mietrückstände. Als Fachmann für Mietrecht plädierte Ciftci im Fall der Mängel für eine angekündigte wie angemessene Mietminderung. Erste Selbsthilfe-Whatsapp-Gruppe &bdquo;Ich hatte mich noch am gleichen Abend hingesetzt und ein entsprechendes Schreiben formuliert“, berichtet Milla Wolter beim Gang von Hotspot zu Hotspot. Sie wohne gerne mit ihrer Familie in der Senne-Siedlung, erzählt sie, die parkähnliche Anlage samt der guten Infrastruktur durch Kitas, Schulen und Nahversorger würde eine hohe Lebensqualität bieten – wäre da nicht der permanente Stress mit der Hausverwaltung. Als sie in der Selbsthilfe-Whatsapp-Gruppe von ihrem Schreiben berichtet habe, seien sofort Bitten um Kopien eingegangen: Die ersten Mieter organisieren sich. Bild: SenneSiedlungDa ein Großteil der Mieter zu den Beziehern von sozialen Leistungen gehöre, werde die Wohnaufsicht genau hinschauen, ob die Mieter auch erhalten, was ihnen zustehe, erklärte Sozialdezernent Ingo Nürnberger, der an dem Nachmittag ebenfalls zum Ortstermin in die Senne gekommen ist. Günstige Kaltmieten von sechs Euro pro Quadratmeter würden in keinem Fall solche Zustände rechtfertigen. Auch plädierte er für eine Mitgliedschaft im Mieterbund zur Wahrung der eigenen Rechte. Mietrecht-Experte Ciftci hatte bereits bei der Sprechstunde dazu geraten, einen Mieterrat zu gründen, um der Hausverwaltung entschlossen und geschlossen begegnen zu können. Bis zum November versprach er eine Broschüre, die über Rechte und Pflichten von Mietern informiert und zugleich Musterschreiben präsentiert, die den Mietern helfen sollen beim Kontakt mit der Hausverwaltung. Die sich gegenwärtig offenbar Mühe gibt beim Aufarbeiten der Altlasten: So hängen in den Hausfluren neue Telefonlisten sowie ein Schreiben zum Konflikt-Thema Sperrmüll und Einkaufswagen. Reanovo reagiert mit mehrsprachigen Aushängen &bdquo;Bloß was steht auf dem neuen Aushang?“, fragt Tijen Akbaba und präsentiert die beiden Fotokopien am schwarzen Brett neben den Briefkästen. Unter dem Titel &bdquo;Bekanntmachung“ folgen auf dem DIN-A4-Blatt vier Ansprachen in vier Sprachen: &bdquo;Wir sprechen zuhause Deutsch und Türkisch – aber das können wir leider nicht lesen“, sagt die Mutter von zwei Kindern. Der Google-Übersetzer identifiziert Ukrainisch, und Bulgarisch in lateinischer Schreibweise sowie Rümänisch und Arabisch. Der Tenor: Wer Müll aufs Grundstück werfe, müsse die Kosten tragen, und die Mitnahme der Einkaufswagen sei Diebstahl. Bild: SenneSiedlungWährend die Hausverwaltung eine neue Einnahmequelle wittert, wartet Tijen Akaba mit ihrer Familie seit über einem Jahr vergeblich auf die Reparatur der arg absturzgefährdeten Verkleidung des Jalousiekastens vorm Wohnzimmerfenster. Ein Ärgernis und eine Gefahr für spielende Kinder. Genauso wie die Drähte, die aus einer Laterne baumeln oder einem defekten Türschloss. &bdquo;Damals in der Allianz-Zeit waren wir zwei Hausmeister, da waren solche Zustände undenkbar“, erzählt Frank Goldammer. Der Hausmeister im Ruhestand weiß um alle Defizite in der Siedlung und dient der Gruppe als Guide. Die sich auch über einen Parkplatz wundert, auf dem seit einer Ewigkeit schrottreife Autos gammeln sowie vermooste Wohnwagen und ein ausgedientes Segelboot auf Hängern mit gültigen Nummernschildern. Auch dieser Umstand soll in der nächsten Zeit geklärt werden. Immerhin seien eine Woche nach dem Starkregen, der einige Keller in der Siedlung geflutet hatte, die Bautrockner in Betrieb gegangen, das lasse hoffen, sagt ein Anwohner.

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