Giftmord-Prozess: Wie eine Frau die mutmaßliche Täterin in eine Falle locken wollte

Bielefeld. Seit Mitte Juni bereits geht es im sogenannten Giftmord-Prozess um die Frage, wer dem Bielefelder Tufan Y. (40) eigentlich den Cocktail verabreicht hat, der ihn umbrachte. Angeklagt sind seine Ehefrau Selma Y. (50) und ihr zwischenzeitlicher Liebhaber Mohamad A. (44) aus Hamburg – allerdings beschuldigen sich beide seit ihrer Festnahme im Januar gegenseitig. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sie gemeinsam handelten. Nun wurde erstmals die Zeugin befragt, die die Mordermittlungen überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte. Sie berichtete vorm Landgericht von ihrem Plan, die Täter endlich zu überführen. Wie berichtet, hatte Tufan Y. am 30. April 2022 über große Magenschmerzen geklagt. Am nächsten Morgen war er tot. Ein toxikologisches Gutachten bestätigte viele Monate später, dass der Bielefelder an einem Giftcocktail aus dem Heroin-Ersatzstoff Methadon, der Epilepsie-Arznei Pregabalin, das die Wirkung des Opiates noch verstärkt, und dem Beruhigungsmittel Clonazepam gestorben war. Doch ohne die Zeugin wüssten die Behörde selbst heute noch nichts von dem Gift. Der Verdacht gegen die Bielefelderin soll sich verdichtet haben Direkt nach dem Tod waren zwar Todesermittlungen der Kripo aufgenommen worden, aber zunächst monatelang im Sande verlaufen. Trotz Autopsie war keine offensichtliche Todesursache zu identifizieren. Das bereits beauftragte toxikologische Gutachten stand angesichts fehlender Dringlichkeit nicht sehr weit oben auf der Liste der Rechtsmedizin. Doch für die 28-jährige Zeugin, sie ist die Schwägerin des Toten, hatte sich längst ein Verdacht ergeben. Aus einem Gefühl heraus hatte sie die Ehefrau noch am Tag des Todes gefragt: "Warst Du das?". Später lieferte ausgerechnet der nun mitangeklagte Ex-Liebhaber die Indizien, die ihren Verdacht erhärteten. Handyaufnahme soll das Geständnis der Bielefelderin sichern Deshalb schmiedete sie Anfang Januar mit ihrem Ehemann, der Mutter des Toten und einer weiteren Verwandten den Plan, Selma Y. eine Falle zu stellen. Obwohl die 28-Jährige schon länger keinen Kontakt mehr zu der 50-Jährigen gepflegt hatte, wollte sie zum Schein auf die Witwe zugehen und ihr Unterstützung anbieten. Während des Gespräches, das die Bielefelderin heimlich mit ihrem Handy aufnahm, wollte sie Selma Y. zu einem Geständnis bringen. Doch Selma Y. entwickelte zunächst nur mehrere Szenarien, wie ihr Liebhaber ihren Mann vergiftet haben könnte. &bdquo;Es wirkte so, als wollte sie sich herausreden.“ Die Zeugin gab zu, dass sie während des Gespräches auch Druck ausübte. Schließlich soll Selma Y. zugegeben haben, dass sie ein wenig Pulver in das Glas ihres Mannes gemischt habe. "Aber nur ein bisschen Pulver", soll sie gesagt haben. Dann kam der Anruf: Sie wolle jetzt doch auspacken Die Familienangehörigen, die das Gespräch über das Handy mithörten, kontaktierten sofort die Polizei, in der Hoffnung, dass Selma Y. nun endlich verhaftet würde. Doch die Beamten winkten ab und sagten, sie sollten die neuen Beweise erst vorlegen. Die 28-Jährige brach daraufhin ihr Vorhaben ab, und verließ das Haus der 50-Jährigen, nicht ohne nochmals auf diese eingewirkt zu haben. Sie betonte, dass sie sich stellen müsse. Allein schon, damit ihre Kinder nicht miterleben müssten, wie sie von der Polizei abgeführt würde. Aber auch, damit Mohamad A. seine gerechte Strafe erhalte. Kaum hatte die 28-Jährige das Haus verlassen, um mit den Aufnahmen zur Polizei zu fahren, rief Selma Y. sie an. Sie habe gerade eine neue Drohung ihres Ex erhalten. Daher wolle sie bei der Polizei nun auspacken. Die Zeugin holte daraufhin die 50-Jährige ab. Zu zweit seien sie daraufhin zur Kripo gefahren, wo Selma Y. das inzwischen widerrufene Geständnis abgab, das endlich die Ermittlungen der Mordkommission Cocktail auslöste. "Sie wollte Luxus und ihre Lippen botoxen" Doch warum hatte Liebhaber Mohamad A. der Zeugin überhaupt die Indizien zukommen lassen, die ihn zum Teil zumindest als Mitwisser belasten? Es ging offensichtlich um verletzten Stolz: Denn der zwischenzeitlich verlassene Liebhaber hatte vorher schon seine Ex bereits mit selbst gemachten Sex-Videos bei ihrer Familie verunglimpft und alle Beteiligten – auch die Zeugin und ihre Kinder – mit üblen Gewaltdrohungen in Angst und Schrecken versetzt. Trotzdem kehrte Selma Y. immer wieder Mal zu ihm zurück. Vor dem Tod von Tufan Y. soll die 50-Jährige mehrere Male den Partner gewechselt haben, berichtete die Zeugin. Immer wieder sei sie anschließend zum anderen zurückgekehrt. &bdquo;Sie ist immer zu dem gegangen, der ihr gerade am meisten bieten konnte“, sagte die 28-Jährige. Die Angeklagte interessierte sich für Luxus, wollte &bdquo;ihre Lippen botoxen“ und ihr Erscheinungsbild verbessern. War kein Geld mehr da, habe sie sich abgewandt. Ellenlanger Chatverlauf zwischen den Angeklagten Als die 28-Jährige diese Eigenschaften der Angeklagten vorbrachte, zeigte diese eine ihre wenigen emotionalen Regungen. Ansonsten verfolgte sie die Zeugenaussage hauptsächlich reglos, teilweise mit geschlossenen Augen. Interessant: Mohamad A. hatte die Zeugin und ihre Familie zwischenzeitlich so massiv bedroht, dass sie lange vor dem Tod ihres Schwagers bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Hamburger erwirkt hatte. Doch nach dem Tod des Schwagers habe sie den Kontakt zu dem verhassten Mann wieder zugelassen, um endlich die von dem 44-Jährigen angekündigten Beweise für einen Mord zu erhalten. Schließlich hatte er ihnen einen ellenlangen Chatverlauf zwischen Selma Y. und ihm übermittelt, in dem sie zweimal geschrieben haben soll &bdquo;Ich stelle mich“. Auch weitere Andeutungen in diesen Chats hätten den Schluss zugelassen, dass die Ehefrau gemeinsam mit ihrem Liebhaber einen Giftmord geplant habe, sagt die Zeugin. Heimlich aufgenommnes Gespräch ist ein wesentliches Beweismittel Wer dabei die treibende Kraft war und wer von den Beteiligten mit seinen Beschuldigungen lügt, ist bisher offen. Diese Fragen muss nun die I. Große Strafkammer des Landgerichts im weiteren Verlauf des Prozesses beantworten. Das von der Zeugin heimlich aufgenommene Gespräch und der Chatverlauf des Mitangeklagten sind dabei wesentliche Beweismittel.

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