Einfach auch mal ein Hoch auf Bielefeld

Bielefeld. Aufreger gibt’s ohne Frage mal wieder genug: Eine Frau muss in Bielefeld 50 Euro Strafe zahlen, weil sie ihre Pfanddose für Bedürftig samt Geldspende darunter in der Innenstadt auf einen Mülleimer gestellt hat. Das Ordnungsamt kennt kein Pardon. Die neuen Bielefelder Wasserstoff-Müllwagen müssen zum Tanken nach Rheda fahren, weil’s die Bürokratie so will. Und Kinder wie die zehnjährige Henja aus Heepen müssen jeden Tag quer durch die Stadt, weil vor Ort Schulplätze fehlen. Das ist absolut nicht lustig, und viele schütteln nur noch den Kopf. Auch wir als Medien sind nicht unschuldig an den vielen Negativschlagzeilen. Streit, Ärger, Stress: Das läuft immer. Und es gehört zu unseren Aufgaben, Missstände aufzuzeigen. Das ist auch wichtig, denn oft gerät dann doch etwas in Bewegung. Johannes Oerding, Kontra K und Ben Zucker beim Open-Air im Ravensberger Park in Bielefeld Aber, und das sollte unbedingt auch mal hervorgehoben werden, es gibt aktuell auch ganz viel Tolles, was ganz unterschiedliche Akteure hier in Bielefeld auf die Beine stellen. Gerade erst das mega Jan-Delay-Konzert und Philharmonie im Bürgerpark, offene Ateliers, kürzlich Rudelsingen auf dem Kesselbrink, Wackelpeter-Kinderkulturfest, Tanz auf dem Jöllenbecker Marktplatz. Und allein am vergangenen Wochenende gab es so viele Angebote, dass man schon gar nicht wusste, was man davon mitnehmen soll: Theaterfest für die ganze Familie mit anschließender Party, große Altstadt-Frühstückstafel mit Kleinkunst-Programm drumherum, Open-Air im Ravensberger Park mit Johannes Oerding, Kontra K und Ben Zucker, Familien-Spieltag auf dem Kesselbrink, Rad-Kultur-Tour, Anwohner-Flohmärkte in den Stadtteilen. Und das ist längst noch nicht alles, was die Bielefelderinnen und Bielefelder geboten bekommen und selbst mitgestalten. Vieles davon ist sogar auch noch kostenlos. Das ist doppelt wertvoll in Zeiten, wo alles teurer, das Geld knapper und deshalb einiges eben auch nicht finanzierbar ist. Das habe fast ein bisschen Kiez-Charakter, sagt ein Bielefelder, der sonst eher für Hamburg und New York schwärmt. Stimmt, denn es sind nicht nur die großen, professionell organisierten Veranstaltungen und Angebote, die dafür sorgen, dass man einfach mal aus dem nicht immer einfachen Alltag abtauchen, den Augenblick genießen und Kraft tanken kann. Wenn man beim Straßenfest mit den Nachbarn zusammenrückt und sich umschaut, haben doch viele ihr Päckchen zu tragen, auch wenn sie nicht aus ihrer Heimat fliehen mussten und es ihnen finanziell sogar gutgeht. Da tut nettes Beisammensein einfach gut – und macht Mut. Gute Stimmung sei zudem gesundheitsförderlich, sagen zwei junge Fachärzte, die gerade eine große Praxis in der Innenstadt übernommen haben. Sie würden überall mit Kusshand genommen, haben sich aber für Bielefeld entschieden. Hier könne man gut leben. Auch bei anderen Fachkräften, die aktuell in vielen Bereichen gesucht werden, punktet die Stadt. Im Vergleich zum Land NRW sei Bielefeld sehr gut aufgestellt, was die Besetzung von Lehrerstellen angeht, bestätigte die Bezirksregierung jetzt. Also, auf jeden Fall weiter so mit den positiven Punkten und kreativen Ideen, auch wenn’s nicht immer einfach ist. Stadt Bielefeld lädt zum kostenlosem Yoga für Alleinerziehende und ihre Kinder ein Wie aktuell durch die riesige Baustelle an der Hauptstraße in Brackwede. Aber, anstatt über die Schwierigkeiten zu lamentieren, gibt Gina Just, Inhaberin der dortigen Buchhandlung Klack, weiter Vollgas und zieht mit hochkarätigen Autorenlesungen die Menschen an. Vorbildlich. Ebenso der Einsatz des in Kirchdornberg neu gegründeten Vereins, der wieder Leben in den leerstehenden Dorfkrug bringen will und am heutigen Samstag einen Flohmarkt rund um den Kirchplatz organisiert. Solch Engagement scheint ansteckend, vielerorts in der Stadt finden jetzt unterschiedliche Aktionen, wie ein gemeinsames Kochen in Ummeln, statt. Auch die Stadt selbst zieht mit, mit kreativen Angeboten, wie kostenlosem Yoga für Alleinerziehende und ihre Kinder. &bdquo;Muss das denn sein?“, fragt man sich dann allerdings wieder, wenn Bielefelder, die Verschenk-Kisten mit Hausrat und Spielzeug vors Haus stellen, mit einem Verwarngeld rechnen müssen. Nachhaltigkeit statt Wegwerfen ist doch angesagt. Aber wir richten den Blick lieber wieder auf das viele Gute. Genießen und feiern Sie Bielefeld. Auch, wenn das ostwestfälische Wetter mal wieder nicht mitspielt: Im Regen tanzen ist angesagt, anstatt immer nur auf Sonnenschein zu warten. Sprüche wie diesen liest man übrigens, wenn man vor Ort in der Buchhandlung stöbert, statt schnell online zu bestellen. Nebenbei stärkt man mit seinem Einkauf den lokalen Handel und trägt dazu bei, dass es weniger Leerstand und mehr Leben in der Innenstadt und den Stadtteilen gibt. In diesem Sinne: Einfach auch mal ein Hoch auf Bielefeld.

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