Luftnummer: Bielefelds Politik führt in diesem Jahr das Sommertheater "Untersee" auf

In der Politik spricht man von einem Sommertheater, wenn in den Ferien längst abgehakte Themen auf einmal wieder hochgespült und hitzig diskutiert werden. &bdquo;Der Traum vom Untersee“ lautet der Titel des Stücks, das dieses Jahr in Bielefeld aufgeführt wird. Nicht ganz klar ist, um welches Genre es sich dabei handelt. Ist es eher eine Komödie, oder hat die Inszenierung am Ende ein tragisches Moment? Erster Akt Detlef Helling (CDU) und Jan Maik Schlifter (FDP) sind ausgebuffte Politik-Profis. Sie vertreten Bielefeld im Regionalrat, ein Gremium, das kaum einer kennt. Doch da wird gerade ein wichtiges Thema verhandelt: Welche Flächen sollen in den Kommunen des Regierungsbezirks Detmold für welchen Zweck genutzt werden können? Es wird ein Plan geschmiedet, der 20 Jahre lang Gültigkeit haben soll. Zweiter Akt Helling und Schlifter gehören Fraktionen an, die im Regionalrat mit ihren Stimmen die Pläne von SPD und Grünen bislang blockieren können. Sie finden, dass das Bielefelder rot-grün-rote Rathausbündnis zu wenig Raum für Gewerbe und Wohnbebauung bereitstellen will, und möchten im Regionalrat mehr Flächen dafür durchsetzen. Und so ganz nebenbei sorgen sie dafür, dass auch die Johannisbachaue zwischen dem Obersee und Brake als mögliche Fläche für einen Freizeitsee im neuen Regionalplan bleibt. Trickreich. Dabei gibt es in Bielefeld doch längst einen Ratsbeschluss, dass dort ein Naturschutzgebiet entsteht. Dritter Akt Der Höhepunkt des Stücks setzt pünktlich mit dem Ferienstart ein – wie es sich fürs Sommertheater gehört. Auf einmal sind sie alle wieder da. Die Naturschutzverbände sind empört, wollen Hellings und Schlifters Abstimmungsverhalten rechtlich hinterfragen. Rot-Grün-Rot wettert.Die Initiative &bdquo;Mein See für Bielefeld“ dagegen schöpft Hoffnung, dass ihre Idee doch noch Wirklichkeit werden könnte. Der frühere BGW-Chef Herbert Jaspert möchte die Bürger zum Untersee befragen. Wie gespalten die Meinungen dazu sind, zeigt sich in Leserbriefen an diese Zeitung. Die einen sind für den See (Endlich!), die anderen dagegen (Niemals!). Vierter Akt Nach der klassischen Dramenlehre der Moment, wo das Ende der Handlung noch einmal hinausgezögert werden kann, suggeriert wird, alles könnte sich noch einmal wenden. Fakt ist aber: Der Untersee wird nicht gebaut. Nicht in zehn und nicht in 20 Jahren. Es gibt kein Geld und keine politische Mehrheit dafür. Einzelne für ein solches Projekt benötigte Wiesen gehören einem entschiedenen See-Gegner. Sollte die Johannisbachaue als mögliche Seefläche dennoch im Regionalplan bleiben, wäre es allenfalls eine Option für eine ferne Zukunft. Nicht mehr und nicht weniger. Fünfter Akt Hier kommt es in einem Theaterstück gewöhnlich zur Katastrophe (Tragödie) oder zur lustigen Auflösung (Komödie). Doch bei der aktuellen Sommertheateraufführung zeigen sich an dieser Stelle die Schwächen der Inszenierung. Eigentlich erweist sich das Thema als ziemlich abgehangen. Aufgeführt wurde das Stück in der Vergangenheit schon in vielen Varianten. See-Befürworter kauften einst für mehrere Millionen Euro Steuergelder weite Teile der Aue. Darüber spricht heute niemand mehr. Ein früherer Rathaus-Dezernent hatte schon mal vor, an dessen Rand ein Spaßbad zu errichten. Rainer Wend, langjähriger SPD-Bundestagsabgeordneter, wollte in Bielefeld mal OB werden und wurde darüber kurzzeitig zum See-Befürworter. Die Ferien sind vorbei, der Vorhang fällt beim aktuellen Sommertheaterstück. Vom &bdquo;Spielplan“ ist der Untersee aber wohl auch nach Jahrzehnten noch immer nicht ganz zu verdrängen. Wie denken Sie darüber? Ich freue mich auf Ihre Meinung unter michael.schlaeger@nw.de

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