Chefarzt aus Bielefeld muss nach Tod seiner Frau plötzlich Zweitwohnsitzsteuer zahlen

Bielefeld. Großes Echo hat unsere Berichterstattung am Dienstag über Oberarzt Franz Ruderich gefunden. Dieser hatte sich an die NW gewandt, weil seine Frau, eine Krankenschwester für Intensivmedizin, nicht bereit war, in Bielefeld Zweitwohnungssteuer zu zahlen. Sie entschloss sich stattdessen am Klinikum Bielefeld nach drei Monaten wieder zu kündigen und zurück in die fränkische Heimat Hammelburg zu ziehen. Dorthin, wo ihr Erstwohnsitz ist und aus Heimatverbundenheit auch bleiben soll. Um das Geld sei es im Grunde nicht gegangen, sagt Ruderich. Die Entscheidung sei aus Prinzip getroffen worden. Der Oberarzt kritisiert, dass seine Frau für ihre Arbeit, die in Bielefeld dringend gebraucht werde, noch Steuern zahlen solle. Schließlich würden Krankenschwestern in ganz Deutschland händeringend gebraucht. Seine Frau habe das als Bestrafung empfunden und nicht eingesehen, die elf Prozent der Monatsmiete zu zahlen. Für sie war es sozusagen ein politisches Statement. Die Summe, um die es ging, betrug monatlich 120 Euro. Ist das eine übertriebene oder gar ungerechtfertigte Reaktion der Familie? Die Meinungen der Leser fielen gemischt aus. Einige befanden, dass ein Oberarzt genug verdiene, um für seine Frau die Summe zu zahlen. Sie zeigen kein Verständnis dafür, dass eine Krankenschwester den Job kündigt, weil sie Zweitwohnungssteuer zahlen muss. Andere Leser empfahlen, einfach den Hauptwohnsitz nach Bielefeld und den Zweitwohnsitz nach Hammelburg zu verlegen. Denn dort müsse man keine Zweitwohnungsteuer zahlen. Wieder andere unterstützen Ruderich. Zweitwohnsitzsteuer fördere den Bielefelder Fachkräftemangel Die Jungen Liberalen forderten die Abschaffung der Bagatellsteuer. Zweitwohnungsteuer fördere den Bielefelder Fachkräftemangel. Die Jungen Liberalen würden daher die frühere Initiative der Bielefelder FDP, die Zweitwohnsitzsteuer ganz abzuschaffen, unterstützen. Gerade in Bielefeld würden Fachkräfte dringend gebraucht. Es sei ein Armutszeugnis, wenn die ohnehin längst überflüssige Zweitwohnungssteuer, den Standort Bielefeld derart unattraktiv zum Wohnen und Arbeiten macht, dass diese Menschen wieder weggehen“, findet der Vorsitzende der Jungen Liberalen. In der Redaktionskonferenz wurde das Thema ebenfalls kontrovers diskutiert. Anlass war ein Anruf in der Redaktion von Werner Bader. Er ist Chefarzt der Gynäkologie am Universitätsklinikum und zahlt ebenfalls Zweitwohnungsteuer. Aber erst seit wenigen Jahren. Vor zwei Jahren starb seine Frau. Bis dahin musste er nicht zahlen, denn die Steuer wird nicht erhoben, wenn ein Ehepaar durch den beruflichen Umzug eines Partners räumlich getrennt ist. Als Witwer gilt er nun jedoch als ledig. Man könnte es als pietätlos empfinden , dass ihn die Stadt Bielefeld nur wenige Wochen nach dem Tod seiner Frau auf die zu zahlende Steuerpflicht hinwies. Bader lebt mit seinen Kindern in Höxter und pendelt meist. Nur in Ausnahmefällen bei langen Schichten übernachtet er in Bielefeld. Baders Fall wirft kein gutes Bild auf die Bagatellsteuer. Doch auch er verdient genug, um sie zu zahlen. Anders ist das bei Studenten. Auch sie werden zur Kasse gebeten. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich möglichst viele entscheiden, Bielefeld als Hauptwohnsitz anzumelden. Das spült Geld in die Stadtkasse, denn für jeden Einwohner erhält Bielefeld Zuwendungen vom Land. Die Stadt belastet Ausbildungswillige Doch die Stadt belastet damit auch Ausbildungswillige, die aus einem anderen Orten nach Bielefeld ziehen, um hier ihr Studium zu machen. Das kann aber auch längst dazu geführt haben, dass mehr Studierende aus dem Umland nach Bielefeld pendeln, als dies ohne Steuer der Fall wäre. Oder noch schlimmer: Sie bevorzugen gleich andere Studienorte. Es gibt Kommunen, die inzwischen Prämien zahlen, wenn sich ein Student für die Anmeldung des Hauptwohnsitzes entscheidet. In Fulda, Flensburg oder Paderborn erhalten Auszubildende und Studenten ein Begrüßungsgelder von 100 Euro, in Bremen und Dresden 150 Euro. Cottbus zahlt laut mystipendium.de sogar 450 Euro. Insgesamt sind knapp 60 deutsche Städte aufgelistet, die Prämien zahlen. Wie wäre es mit einem besseren Signal? Statt bildungswillige junge Menschen abzukassieren, könnte man ihnen den Zuzug in die Universitätsstadt erleichtern. Bielefeld kämpft um kluge Köpfe wie jede andere Stadt.

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