Anwohnerin reicht's: Schockierende Zustände nach Heimspielen von Arminia Bielefeld

Der Kampf raus aus der dritten Liga ist nicht die einzige Baustelle bei der angeschlagenen Arminia. Seit zehn Jahren wohnt Marina H. im Bielefelder Westen nahe der Schüco-Arena. Und sie hat genug. Genug von Fans, die in Hauseingängen ihre Blase erleichtern. Genug von Scherben auf Gehwegen, von Respektlosigkeiten, von Flaschen und Müll, die die Straßen nach Heimspielen verschandeln. Die Anwohnerin sieht Arminia Bielefeld in der Verantwortung. Auch der Verein selbst beobachtet schwierige Entwicklungen unter den Fans. Dass ein Stadion mitten in einem Wohnviertel liegt, ist selten. Die Bielefelder Alm ist mittendrin: Nachbar des Max-Planck-Gymnasiums, einer Kleingartenanlage und der Menschen, die rund um den Siegfriedplatz zu Hause sind. Das Stadion im Herzen der Stadt schafft für Fans und Verein Heimatgefühl, Nähe, Identität. Einerseits. Marina H. erzählt von der anderen Seite: &bdquo;Es gibt Ältere im Viertel, die sagen: Wenn Arminia spielt, traue ich mich nicht raus.“ Auch die 63-Jährige hat zuletzt Heimspieltage gemieden. Wie berichtet war H. von einer Gruppe Arminia-Fans am Abend eines Heimspiels im Januar angegriffen worden. Die Anwohnerin möchte ihren vollen Namen deshalb nicht in der Zeitung lesen. Aber sie will, dass sich etwas ändert: &bdquo;Ich habe nichts gegen Arminia. Aber die zunehmende Rücksichtslosigkeit einiger Fans im Viertel ist schockierend.“ 40 Verfahren beschäftigten das Ordnungsamt Bielefeld an fünf Spieltagen von Arminia Bielefeld Am schlimmsten sei das ständige Urinieren in Vorgärten und Hauseingänge, das schon mehrfach vor ihren Augen geschehen sei. Beim Ordnungsamt der Stadt bestätigt man, dass das Wildpinkeln an Heimspieltagen &bdquo;unangefochtener Spitzenreiter ist, auf das nahezu alle Anzeigen fallen“. An fünf Spieltagen im April und Mai kamen so zuletzt 40 Verwarn- und Bußgeldverfahren zusammen. Mit vier bis fünf Personen ist das Ordnungsamt laut Stadt bei Heimspielen jeweils im Einsatz. Christian Venghaus ist Stadionsbetriebsleiter bei Arminia Bielefeld und für die Organisation an Spieltagen zuständig. Er sagt: Ein Arminia-Heimspiel ist eine Großveranstaltung. Die Zahl der Beschwerden aus der Anwohnerschaft rund ums Stadion sei seit Jahren etwa gleichbleibend. &bdquo;Wir stehen dazu immer wieder im Dialog mit unseren Nachbarn.“ Seit 1996 sorge der Verein zudem für die Reinigung des Stadionumfelds und habe damit einen externen Dienstleister beauftragt. &bdquo;Gereinigt werden zum Beispiel die Melanchthonstraße und Teile der Schloßhofstraße, aber nicht das ganze Viertel bis zum Siggi.“ Der Umweltbetrieb reinigt im Westen zudem nach gängigen, festgelegten Intervallen. Extraeinsätze nach den Heimspielen gebe es jedoch nicht, so eine Sprecherin. Dafür gab es in der Vergangenheit bereits Kritik. Auch Marina H. sagt, "das reicht nicht". Sie hat Müllsammelaktionen mitorganisiert und wegen der vielen stehenbleibenden Flaschen mit Pfandsammlern am Stadion gesprochen, die jetzt auch Nebenstraßen abgehen. Im Sommer 2022 habe es zudem ein Treffen mit Vereinsvertretern und Fan-Projekt gegeben wegen der Zustände. Was seitdem passiert ist? &bdquo;Nichts“, sagt H., die sich vom Verein eine Kampagne erhofft hatte. &bdquo;Zum Beispiel mit einer Stadiondurchsage nach dem Motto: Nehmt Rücksicht auf dem Weg nach Hause, wir sind hier in einem Wohngebiet.“ Mehr Zuschauer, mehr Emotionalität und mehr Bier in der Schüco-Arena Dass die besondere Lage des Stadions verpflichtet, sieht man auch bei Arminia Bielefeld. Wird es in der aktuellen Saison eine Kampagne dazu geben? &bdquo;Es gibt Ideen, was man in Richtung Nachbarschaft tun kann. Wir sind da dran, auch im Dialog mit Anwohnern und Stadt“, sagt Venghaus. Mehr Details gibt’s nicht. Unterdessen beobachtet auch der DSC seit einiger Zeit Veränderungen im Fanbereich – die sind zum einen erfreulich. Zuletzt habe der Zuschauerschnitt bei Heimspielen der vergangenen Saison über den Erwartungen gelegen, berichtet Venghaus. Das Interesse sei im Vergleich zu der Zeit vor Corona deutlich gestiegen. &bdquo;Die Menschen haben wieder Lust ins Stadion zu gehen. Ein Teil der Zuschauer kommt, um dort eine gesellschaftliche Bühne und ein Ventil zu finden." Mehr Zuschauer bedeuten auch mehr Müll und mehr Konfliktpotenzial. Ein wichtiger Faktor dabei – der Alkohol. &bdquo;Anhand der Verkäufe im Stadion sehen wir, dass der Bierkonsum im Vergleich zur Zeit vor Corona deutlich zugenommen hat“, sagt Venghaus. Die Emotionalität bei den Fans sei ebenfalls höher. &bdquo;Im Guten wie im Schlechten.“ Sei der sportliche Frust groß, könne sich die Stimmung im Stadion stark aufladen. Krawalle, Überfälle, Fußballfrust - das sagen Polizei und Verein zur Sicherheitslage an Heimspieltagen Dass Alkohol, zunehmende Enthemmung und Fußballfrust eine gefährliche Mischung abgegeben, führte zuletzt ein wütender DSC-Fan-Mob beim Relegationshinspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden erschreckend deutlich vor Augen, als zeitweise aufgrund der Fan-Krawalle sogar ein Abbruch der Auswärts-Partie im Raum stand. Und wie blickt die Bielefelder Polizei auf die Sicherheit an Heimspieltagen? Die Zahl der Einsätze halte sich &bdquo;auf niedrigem Niveau“, so ein Sprecher mit Blick auf die vergangene Saison. In der Regel gehe es um Beleidigungen, Diebstahl, Körperverletzung. Das Fanverhältnis zwischen Arminia und Gastverein wirke sich jedoch auf die Sicherheitslage aus – wie zuletzt beim Pokalspiel gegen den VfL Bochum, als Bochumer Fans im Bielefelder Westen von vermummten Arminia-Ultras angriffen und geschlagen wurden. Auch Arminia-Stadionleiter Venghaus sagt, bei Spielen, die ein größeres Publikum anzögen, seien leider Zuschauer dabei, die sich nicht an die Spielregeln hielten. &bdquo;Anders als unsere sehr disziplinierten, langjährigen Fans, die seit Jahren die Besonderheit eines Stadions in der Stadt kennen, schätzen und respektieren“. Unterdessen steht für die Anwohner im Bielefelder Westen am Samstag, 19. August, schon das nächste Hochrisikospiel mit rund 22.500 Zuschauern und 2.500 anreisenden Gästefans wortwörtlich vor der Tür - das Derby gegen Rivale Preußen Münster ab 14 Uhr. Es dürfte wieder hoch hergehen im Viertel. Wer sich am Samstag in der Schüco-Arena oder im Stadionumfeld bedroht oder belästigt fühlt, bekommt hier Hilfe Mehr Emotionen, mehr Aggression im Stadion: Mit der Anlaufstelle &bdquo;Sichere Burg“ will Arminia seit 2023 eine gewaltfreie Vereinskultur stärken. Das niederschwellige Angebot richtet sich an Betroffene, die in der Schüco-Arena oder in deren Umfeld angegriffen, belästigt oder bedroht werden. Sie könnten sich umgehend per WhatsApp, SMS oder Anruf an ein geschultes Team wenden, erklärt der Fanbeauftragte Robert Kröger. &bdquo;Wir helfen, nehmen die betroffene Person aus der Situation heraus. Geschulte weibliche und männliche Erstkontaktpersonen stehen als Ansprechpartner bereit, die unterstützen und an lokale Fachstellen zur Beratung oder auf Wunsch zur strafrechtlichen Verfolgung weitervermitteln.“ Die Kommunikationskanäle seien auch unter der Woche erreichbar. Lesen Sie auch: Flaschenwurf beim Fanmarsch von Arminia Bielefeld trifft Passantin am Kopf

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