Fans stinksauer: Das sagen Bielefelder zum Arminia-Eklat, den Chaoten und den Chancen

Bielefeld. Fassungslos und beschämt sind die allermeisten Bielefelder nach dem Auftritt des DSC Arminia und der mitgereisten Fans in Wiesbaden. Eine Schande für die Stadt, so oft der Tenor. Viele schließen sich Trainer Uwe Koschinat an, der gesagt hatte: "Heute wurden Grenzen im extremsten Maße überschritten." Athletiktrainer Niklas Klaasen soll verletzt sein. Es gibt aber auch andere Stimmen. Stinksauer sind zwei junge Frauen. Sie berichten, sie hätten im Fernsehen gleich drei Freunde im Fanblock erkannt, alle höchst peinlich in ihren Aktionen. Aggressiv, am Zündeln beteiligt, Testosteron-Pyromanen. Nun werde im Freundeskreis heftig über die Freunde und ihr Verhalten diskutiert. "Die allermeisten finden das peinlich und schämen sich." Pyromanen treiben Keil in Freundeskreis Es sei ein Keil in die Gruppe getrieben worden, sagt die eine der beiden, 21 Jahre alt, ihren Namen mag sie lieber nicht sagen. Zu sehr ist sie mit dem beschäftigt, was Freunde von ihr angerichtet haben. Dass die Tickets für die Auswärtsfahrt sogar von den Spielern als Wiedergutmachung für den vermeintlichen Tiefpunkt in Magdeburg bezahlt worden sind, sei eine weitere Facette, die das Verhalten der Fans und ihrer Freunde noch schlimmer erscheinen lasse. Nach Jahren voller Fehlleistungen und gefühlt unendlich vielen Trainern sei der Frust verständlich, findet ein älterer Herr. Er habe Verständnis, sehe es ein bisschen wie Fabian Klos, der vor allem die Mannschaft hart angegangen war. Dennoch dürfe es auf den Tribünen "nicht so ausarten". Clausen: "Kriminelles Handeln bestrafen" Das sieht auch Oberbürgermeister Pit Clausen so. "Das Verhalten einiger Fans hat mich entsetzt, ich hoffe, dass sie identifiziert und bestraft werden." Clausen: "Dieses kriminelle Handeln hat dem Sport, dem Verein und dem Team geschadet." Sportlich glaubt er nicht mehr an Arminia, "das war's wohl mit der zweiten Liga, auch wenn die Hoffnung ja bekanntlich zuletzt stirbt". Nur 23 Siege aus 103 Spielen Zu den Fakten: Inklusive des Wiesbaden-Spiels hat Arminia von 103 Ligaspielen in den vergangenen drei Saisons genau 23 Spiele gewonnen. Gut jedes fünfte also. Der ältere Herr, der ein wenig Verständnis für die Fans hat, ist selbst Fan und sagt: "Und trotzdem saß der Verein zuletzt immer weiter auf einem sehr hohen Ross, alleine, dass die Dauerkartenbesitzer, also die treuesten Fans, fürs Heimspiel erst auch noch bezahlen sollten, erzählt viel über Arminia Bielefeld." Im Gefühl Bundesliga, im Handeln und Auftreten eher Regionalliga, so sein Fazit. Doch es gibt auch andere Stimmen. Achim Rekate: "Meine Reaktion? Ich habe mir jetzt erst einmal ein Fabi-Klos-Trikot gekauft." Er findet: "Dass es da Feuerwerk gab, das hat doch wohl niemanden ehrlich überrascht." Er findet, "dass man eigentlich keine Relegationsspiele machen sollte, da geht es eben einfach um zu viel." Ansonsten sei das, was passiert sei, erwartbar gewesen. Abstieg? Nicht zwingend. Ist Arminia abgestiegen? Rekate sagt: "Ich erinnere mich noch an ein Spiel gegen Braunschweig, da waren wir auch fast weg und haben 6:0 gewonnen. Warum also nicht, es kann auf der Alm sehr schnell kippen." Ein Arminia-Trikot trägt der kleine Sohn der Familie Kley. Als einziger, weit und breit. Seine Mutter, Hilke, sagt: "Ich finde, man sollte Stadt und Sport trennen, das, was passiert ist, ist ein Arminia-Problem." Ihr Mann Philipp sieht es sogar eher als Problem aller größeren Vereine: "Bengalos werden doch überall gezündet, da muss man ran, bei allen Vereinen." "Verein fehlt komplett die Bindung zu Fans" Arminias Problem sei ein anderes: "Außer Fabian Klos kann in so einer Situation keiner an den Zaun zu den Fans gehen, kein Spieler, kein Verantwortlicher." Alle seien zu weit weg von den Fans, hätten keine Beziehung zu ihnen. "Nur Klos wird akzeptiert, nur er konnte mit den beiden Rädelsführern sprechen." Es fehle dem Verein komplett an Bindung zu seinen Fans. Kley: "Diese Eskalation war doch, wenn man ehrlich ist, erwartbar." Ehefrau Hilke: "Die Fans mussten so lange so viel ertragen, ich fand schon eher überraschend, dass es so lange ruhig blieb." Rentner Uli P. geht hingegen hart mit Arminia zu Gericht: "Das war schon immer ein Chaotenverein, einfach nur traurig." Er sagt: "Nur Fabi Klos hat eine Bindung zu Arminia - der Rest hat gegen den Verein gespielt, um ablösefrei wegzukommen." Das Bittere sei: "Arminia war gerade konsolidiert, und jetzt gehen viele Millionen Euro wieder flöten." Gut ein halbes Jahrhundert liegt altersmäßig zwischen ihm und Lazar Cvjetkovic (14), der sagt: "Ich fand das absolut peinlich, auch, dass es nun von der ersten über die zweite direkt in die dritte Liga geht, ist peinlich - aber was die Fans dann da machen, das macht es wirklich nicht besser." Es sei doch Sport, da solle der Spaß im Vordergrund stehen, auch bei Niederlagen. Schaden wird auf Ebay gespiegelt Wie groß der Schaden ist, zeigt ein Schlaglicht von Ebay: Ein Fan namens H. bot hier zwei Karten fürs Heimspiel an, wurde überrannt, wartete aber noch ab mit dem Verkauf, weil eine Verwandte Interesse hatte. Die mag nun nicht mehr. Und jetzt? "Das Interesse ist nahe null, das schlimme Auftreten der Fans hat viele abgeschreckt, das war offenbar vielen sehr sehr peinlich." Für ganz kleines Geld wurde der Fan die beiden Tickets gerade noch so los, "fast verschenkt", so sein Fazit. Ein anderes Sinnbild des Fan-Frustes auf Ebay: "Sebastian" verkauft zwei Tickets, schreibt: "Ich verkaufe, weil ich nach dem gestrigen Spiel lieber Wiesbadenern die Aufstiegsfeier gönne." Fast schon höhnisch merkt er an: "Bielefelder dürfen die Karten aber auch haben." Von denen sind jetzt übrigens wieder viele auf dem Markt. Lange dabei als Fan ist auch Stefan Homann. Er sagt: "Ich kann mich ja wenigstens noch an Zeiten erinnern, wo es noch Spaß gemacht hat, zu Arminia zu gehen - aber mein Sohn, mit dem ich in den vergangenen Jahren bei allen Heim- und vielen Auswärtsspielen war, der erlebt fast nur schlimme Spiele, Spaß gemacht haben diese Saison vielleicht fünf." Frust pur. Nur zwei Leute machen ihm Hoffnung für die 3. Liga: Klos und Trainer Koschinat.

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