Jugendliche Intensivtäter: Bielefeld kämpft gegen ein sich zuspitzendes Problem

Bielefeld. Immer mehr, immer jünger, immer schlimmer? Die Stadt kämpft mit einer sprunghaft angestiegenen Zahl von Straftaten, die Kinder oder Jugendliche begehen. Sie klauen, dealen, drohen mit Messern oder schlagen ihre Opfer zusammen. Jetzt wurde ein 15 Jähriger Intensivtäter angeklagt. Er muss sich vor dem Jugendgericht wegen der Brandstiftung im Jahnplatztunnel im vergangenen Dezember verantworten. Die anderen drei Kinder die bei der Tat dabei waren, kommen ohne Strafe davon. Sie sind unter 14 Jahre alt, also strafunmündig. Die Ermittlungen gegen ein Mädchen und zwei Jungs sind entsprechend eingestellt worden. Es ist erst einige Tage her, dass Schüsse Anwohner und Passanten am Kesselbrink aufgeschreckten. Die Polizeibeamten reagierten schnell und erwischten vier Personen in unmittelbarer Nähe. Es waren polizeibekannte Intensivtäter. Ihr Alter: 15, 16 und 18 Jahre. Fünf andere schafften es etwas weiter, wurden aber von der Autobahnpolizei aufgegriffen – mit Schreckschusswaffe, Messer, Brechstange und Schlagring im Gepäck. Die jungen Männer sind 18, 19 und 20 Jahre alt. Solche oder ähnliche Vorfälle häufen sich. Während die Zahl der tatverdächtigen Kinder innerhalb eines Jahres von 304 auf 458 stiegen (+51 Prozent), sprang die Zahl krimineller Jugendlicher von 742 sogar auf 1.067 (+44 Prozent). Dass diese Entwicklung so nicht hinnehmbar ist, ist inzwischen in allen politischen Lagern im Stadtrat angekommen. Die CDU fordert &bdquo;Null-Toleranz“ gegenüber den Straftätern. Polizei und Ordnungsamt wollen ihre Zusammenarbeit intensivieren. Verstärkte Patrouillen durch die Innenstadt sollen das Sicherheitsgefühl der Bielefelder Bürger verbessern Verstärkte Patrouillen durch die Innenstadt sollen das Sicherheitsgefühl der Bürger verbessern. Die neue Polizei-Präsidentin Sandra Müller-Steinhauer hatte jüngst in einer Festrede im Alten Rathaus vor 200 Gästen eingestanden, dass ihr das Thema keine Ruhe lasse. Sie verwies auf umstrittene Rap-Songs, die Gewalt verherrlichen und zu Respektlosigkeit gegenüber Beamten aufrufen. Ob Musik von Skandal-Rappern tatsächlich die Bereitschaft von Jugendlichen erhöht, Straftaten zu begehen, ist umstritten – und ein Stück vergleichbar mit der lange geführten Debatte über den Einfluss bestimmter Computerspiele auf Gewalttaten. Jugendliche Intensivtäter beginnen ihre kriminelle Karriere häufig schon im Kindesalter. Einmal in der Abwärtsspirale, haben sie es schwer, dort wieder hinauszukommen. Das hat sehr viel mit dem Elternhaus zu tun. Die Situation in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen spitzt sich zu. Erzieher berichten von aggressiven Kindern in der Kita, Grundschullehrer von Achtjährigen, die bereits aus der Bahn geraten sind. Standardrezepte wie Gespräche mit der Familie oder Beratungen stoßen an ihre Grenzen. Das Jugendamt sucht aktuell eine Immobilie für Notschlafstellen. Das sind Orte, wo Jugendliche im Alter von 14 bis bis 18 Jahren eine Zuflucht finden. Oft haben diese Kinder Stress mit ihren Eltern, sind von zuhause abgehauen oder rausgeworfen worden. Das Angebot müsse niederschwellig sein, sonst komme niemand, hat die Bielefelder Jugendamtsleiterin betont. Wichtig sei, dass es warm und trocken ist, die Jugendlichen sicher schlafen und sich satt essen können. Natürlich ist es wichtig und gut, dass in Bielefeld solche Angebote entstehen sollen. Einsperren hilft nicht - Häuser des Jugendrechts sinnvoll Aber gleichzeitig ist es alarmierend. Die Frage ist nicht nur, warum immer mehr Kinder gewaltbereit sind, sondern auch, wie man mit ihnen umgeht. Was ist das richtige Rezept, wenn Gespräche und Beratungen ins Leere laufen? Wie bringt man die Jugendlichen auf den richtigen Weg? Viele von ihnen werden ohne Abschluss die Schule verlassen. Danach dreht sich die Spirale noch weiter nach unten. Es muss also frühzeitig darum gehen, dass die Jugendlichen ihr Verhalten und ihre Lebenseinstellung ändern – das schafft man nicht durch Einsperren. Eine intensive Sozialarbeit in den Familien kann helfen. Netzwerke in der Nachbarschaft oder im Sportverein sind wichtig. Gute Erfahrungen macht man in den &bdquo;Häusern des Jugendrechts.“ Solche Einrichtungen gibt es in NRW beispielsweise in Dortmund, Paderborn oder Münster. Dort arbeiten Polizei, Staatsanwaltschaft und Institutionen der Jugendhilfe unter einem Dach zusammen. So hat man einen besseren Überblick, kann Verfahren beschleunigen, sich untereinander abstimmen und die Jugendlichen intensiv betreuen. Auch in Bielefeld könnte das einer von vielen wichtigen Schritten sein, um Jugendkriminalität effektiv anzugehen.

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