Exotisch, gesund, lecker: Außergewöhnliche Angebote auf den Bielefelder Wochenmärkten

Bielefeld. Wochenmärkte waren schon immer weit mehr als temporäre Nahrungsmittel-Versorgungszentren. Sie waren und sind immer auch Kommunikationsorte und Nachbarschaftstreffpunkte und als solche von einer größeren Bedeutung als die, einfach satt zu werden. Diese Märkte, zu finden in allen Bielefelder Stadtbezirken, sind auf dem besten Weg, als modernes und Lifestyle-orientiertes Quartierskonzept in ihrer Angebotspalette den Discount- und Supermärkten die Stirn zu bieten. Aber weil das noch nicht reicht, findet man bei genauem Hinsehen auf Bielefelds Wochenmärkten Dinge, die woanders schwer zu finden sind – spannende Dinge, exotische Dinge, gesunde und verdammt leckere Dinge! Mittwoch, Siegfriedplatz Mittwoch, Siegfriedplatz: Hier wurde schon immer gerne viel Kaffee getrunken und viel Fisch gegessen. Viktor Grudovik aus Lotte bei Osnabrück hat die Speisekarte vor ein paar Wochen erweitert – um Nüsse und Trockenfrüchte. Der 23-jährige Jung-Unternehmer ist mit Abstand der jüngste Marketender auf dem Siggi. Mangos aus Thailand, Cranberries aus Kanada, Datteln aus Jordanien (ganz große übrigens), Physalis aus Kolumbien, Paranüsse aus Bolivien, Cashews aus Indien oder Ananas aus Costa Rica – die ganze Welt scheint sich luft- oder ofengetrocknet zu versammeln unter dem bunt gestreiftem Zelt seines Start-Ups www.edel-nuss.de. Über 80 Produkte sind im Sortiment von Grudovik. Schon mal trockenen Kiwi oder kandierten Hibiskus probiert? Im Bielefelder Westen ist das nun möglich. Im Angebot sind auch Mischungen – selbst gemixt, mediterran, Hawaii oder süß-sauer-salzig. &bdquo;Das ist ein Träumchen hier“, frohlockt Sina, die aus der Bürgerwache angerauscht kommt und gar nicht weiß, was sie alles einpacken soll. Rose legt noch einen drauf, sie schwört auf Viktors Studentenfutter: &bdquo;Das hat mein Sohn neulich gefrühstückt und dann seine Klausur bestanden“. Mehr Anerkennung geht nicht! Freitag, Ostmarkt Freitag, Ostmarkt: Bei Ulrike Mrotzinski hat man den Eindruck, als kenne sich jede Kuh, jedes Schaf, jede Ziege, jedes Galloway zwischen dem schottischem Hochland und der südfranzösischen Provence persönlich, in ihrem Hänger sucht man vergeblich nach Industriekäse. &bdquo;Das sind hier High-End-Produkte“, sagt sie. Der Begriff &bdquo;Großhändler“ ist ein Fremdwort für sie. Ihren Pecorino lässt sie direkt in Sardinien abholen und in Paris hat sie eine Freundin, die direkt mit den Milchbauern im Kontakt steht. Nur so kommt man an einen 12 Monate gereiften Roquefort (&bdquo;rassig, vollmundig“), an Ziegenkäse aus der Auvergne oder an Camembert aus der Bretagne. Mrotzinski hat Käse im Blut: &bdquo;Ich hab’ die Leidenschaft für Käse Ende der 1990er im Elsass für mich mich entdeckt“, gesteht sie. &bdquo;Und irgendwann fragte mich mein Mann Marco, ob ich einen Käsehänger haben will“. Marco steht auf dem Ostmarkt übrigens direkt nebenan – mit Fleisch und Wurst. Das erklärt wohl auch, warum Ulrike an einer Ecke ein Stück &bdquo;frei laufende“ Hirtensalami aus dem Baskenland im Angebot hat. &bdquo;Und unser Sohn“, fährt sie fort, &bdquo;verkauft Obst und Gemüse in Sennestadt“. Verhungern wird diese Familie wohl nicht. Irischer Klippenkäse, dänischer Küstenkäse, italienischer Berghofkäse, kanadischer Farmerkäse oder Hirtenkäse aus den Pyrenäen – Mrotzinski hat viel zu erzählen über ihre 50 Sorten. Auch über den &bdquo;Old Scotsman“: &bdquo;Der alte Schotte hat sehr viel Vitamin C, da oben gab es früher kaum Zitrusfrüchte, er wird in Sackleinen eingebunden und diese kann man hier noch an der Schraffierung erkennen“. Samstag, Kesselbrink Samstag, Kesselbrink: Gewürze kann jeder verkaufen, aber wie sieht es mit handwerklich angefertigten Gewürzmischungen aus? Beim Stand vom Drogisten Niggemeier auf dem Kesselbrink kann der Kunde aus 150 (!) Gewürzmischungen wählen. Darunter sind auch Exoten wie &bdquo;Asant Teufelsdreck“ als Knoblauch-Ersatz für die esoterische Küche oder den Allrounder &bdquo;Skippers Pantrywürzer“, geeignet für Meeresfrüchte, Bratkartoffeln oder Tofu. Natürlich gibt es bei Annette Niggemeier auch diverse Varianten für den ambitionierten Grillsportler. Erlesene Einzelteile liegen natürlich auch in den Auslagen, etwa Tanka-Bohnen oder persische Safranfäden. Die gelernte Lebensmittellaborantin zeigt auf ein unauffälliges Beutelchen spanischen Paprika Edelsüss hin: &bdquo;Dieses Gewürz hat einen sehr hohen (dreistelligen) ASTA-Wert. Ist schwer zu bekommen in unseren Breiten“. ASTA ist eine Qualitätseinstufung und misst die Farbintensität von Paprikapulver. Auch der Familienbetrieb aus Oelde schwört eher auf Direktimport. &bdquo;Unsere Vanille beziehen wir direkt von einer Plantage auf Madagaskar“. &bdquo;Aromatherapie in Ihrer Küche – Essen sie sich glücklich“, heißt es auf der Niggemeier-Homepage www.drogist-n.de. Aber genau vom Gegenteil berichtet Annette Niggemeier, ein unglücklicher Moment, der sich an jenem Morgen zugetragen hatte: &bdquo;Ein türkischer Kunde blieb vor einem Säckchen getrockneter Aprikosen aus Malatya in Ostanatolien stehen. Ihm schossen die Tränen in die Augen. Seine Heimatprovinz wurde in letzter Zeit mehrmals von Erdbeben heimgesucht – zuletzt letzte Woche – Häuser stürzten ein, Menschen starben. Das war schon ergreifend“. In Supermärkte oder bei Discountern hätte es diesen Moment sicher nicht gegeben.

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