„Es reicht“: Bielefelder Kita-Eltern haben endgültig die Nase voll

Bielefeld. Reduzierte Leistung bei vollem Preis: Das würden ihre Kunden definitiv nicht mitmachen, sagen Volker Rose und Fabian Kunert aus dem Elternrat der Kita Jakobus. Aber ums Geld gehe es ihnen nicht. Sie, und viele andere Eltern, wollten nur eines: Dass die Kitabetreuung endlich wieder zuverlässig und vernünftig läuft. &bdquo;Und wir nicht ständig wieder eine E-Mail bekommen, an welchen Tagen der Betrieb gar nicht, oder nur eingeschränkt, möglich ist.“ Mit einem offenen Brief fordern Elternvertreter Oberbürgermeister Pit Clausen und das Jugendamt jetzt auf, der Misere mit aller Kraft entgegenzuwirken. E-Mails mit Hiobsbotschaften gehören zur Tagesordnung. &bdquo;Wegen Unterbesetzung sollen die Kinder möglichst zu Hause betreut oder früher abgeholt werden, Gruppenzusammenlegung sind aufgrund einer sehr gespannten Personalsituation in Planung, Betreuung nur bis 14 statt bis 16 Uhr, Betreuung in Ü3-Gruppe nur bis 15 Uhr oder gar keine Betreuung“: Nachrichten wie diese aus den vergangenen Wochen, die Elternvertreter der AWO-Kita Lange Wiese jetzt in ihrem offenen Brief aufzählen, kennen und fürchten viele. Für einige Eltern sei die Situation existenzbedrohend, sagen der Webdesigner Rose und Geschäftskundenberater Kunert. Wie für eine alleinerziehende Mutter, die gerade einen neuen Job angefangen hat. &bdquo;Längst nicht jeder kann so flexibel arbeiten wie wir.“ Die Eltern sind frustriert, besorgt, enttäuscht – und fühlen sich machtlos. Es müsse endlich etwas passieren. &bdquo;Es reicht.“ Besorgniserregend, wie überlastet die verbleibenden Erzieherinnen und Erzieher sind Die Stimmung sei bei allen Beteiligten sehr angespannt, berichten Rose und Kunert. Die Elternvertreter der AWO-Kita ergänzen in ihrem Schreiben, es sei besorgniserregend, zu sehen, wie überlastet und alleingelassen die verbleibenden Erzieherinnen und Erzieher seien &bdquo;mit der Bemühung, den Laden am Laufen zu halten“. Auch Kitaleitungen wüssten mittlerweile nicht mehr weiter. Ihnen sei bewusst, was sie den Eltern zumuten, wenn die Betreuungszeiten wieder eingeschränkt werden müssen. &bdquo;Wir fordern Sie daher auf, sich aktiv darum zu bemühen, den Personalmangel zu beheben und sicherzustellen, dass Schließzeiten der Kita im Voraus angekündigt werden, um den Eltern ausreichend Zeit zu geben, alternative Betreuungsmöglichkeiten zu organisieren“, schreiben die Eltern an den OB und ans Jugendamt. Und sie haben konkrete Vorschläge, was die Stadt machen könnte: Den kitaübergreifenden Vertretungspool ausbauen oder Gelder für kurzfristige personelle Unterstützung, beispielsweise über Zeitarbeitsfirmen, bereitstellen. Was ist mit den rund 700.000 Euro, die Bielefeld vom Land bekommen hat, um die Betreuungszeiten auszubauen? Das Geld könne leider nicht anderweitig im Kita-Bereich eingesetzt werden, sondern müsse demnächst zurückgezahlt werden, berichtet Sozialdezernent Ingo Nürnberger auf Nachfrage. &bdquo;Da gibt es leider keine Bereitschaft, die Gelder umzuwidmen.“ Dass Eltern nachfragen, ob ihnen Kita-Beiträge erstattet werden, sei nachvollziehbar. Viele zahlten 600 Euro pro Monat oder sogar noch mehr, so die Eltern. Die einkommensabhängigen Gebühren deckten jedoch nur einen Teil der Kosten, seien lediglich eine Beteiligung, so Nürnberger. Eine Erstattung sei nicht geplant. Oberstes Ziel sei es, wieder aus der Notlage herauszukommen und den Familien die vollen Leistungen zu bieten. Stadt kündigt große Ausbildungsoffensive an E-Mails und Schreiben wie das von den Elternvertretern der AWO-Kita Lange Wiese bekomme er aktuell öfter, ergänzt der Sozialdezernent. Einige Kitas und Eltern seien ganz besonders gebeutelt. Zum Fachkräftemangel kämen Krankheitsfälle hinzu. Das sei dann nicht mehr mit dem normalen Vertretungspool aufzufangen. &bdquo;Ich kann verstehen, dass die Eltern die Nase voll haben“, sagt Nürnberger. Die Situation bringe Familien an den Rand der Handlungsfähigkeit – zudem bliebe die frühkindliche Förderung auf der Strecke. Mit einer großen Ausbildungsoffensive wolle die Stadt jetzt gegen die Misere ankämpfen. Wenn diese Azubis fertig seien, seien ihre Kinder allerdings längst in der Schule, so Rose und Kunert. Kurzfristige Hilfe sei gefragt. Dass es in den Kitas aufgrund des aktuellen Streiks weitere Ausfälle gibt, komme jetzt noch hinzu. Leidtragende seien allerdings nicht die Arbeitgeber, sondern wieder einmal die Eltern. &bdquo;Wir haben Verständnis dafür, dass die Erzieherinnen und Erzieher mehr Lohn fordern“, sagen die beiden Väter. &bdquo;Aber es wäre schön, wenn sie die große Aufmerksamkeit jetzt auch nutzen würden, um auf die Missstände und wichtigen Kita-Themen wie Zuverlässigkeit und Verbesserung der Betreuungsqualität hinzuweisen.“ Dass sie &bdquo;den einen Tag kommen dürfen, den nächsten dann nicht“, verunsichere viele Kinder sehr. Auch das müssten die Eltern ausbaden. Die Arbeit im Kita-Elternrat sei zudem sehr zeitintensiv, ergänzt Rose. &bdquo;Dann ist es doppelt frustrierend, wenn sich seit Monaten einfach nichts ändert.“

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