"Innenstadt völlig verschandelt": Bielefelder fordert Verbot dünner Plastiktüten

Bielefeld. Sie sind federleicht, hauchdünn, gerne weiß, aber auch grün und orange-farben. In den Obst- und Gemüseabteilungen oder auf dem Wochenmarkt sind sie kaum wegzudenken - die Hemdchenbeutel. Oder vielleicht doch? Einem Bielefelder oder einer Bielefelderin ist es unlängst so sehr gegen den Strich gegangen, dass an Markttagen auf dem Kesselbrink die fludderigen Plastiktüten überall umherfliegen oder in den Strauchrosenrabatten hängen, dass er/sie per Bürgerantrag nun ein Verbot der Beutel forderte - anonym. Die fliegenden Beutel machten einen schlechten Eindruck auf die Besucherinnen und Besucher von Bielefeld. "Außerdem ist hinlänglich bekannt, welche Auswirkungen Plastik für unsere Erde hat." Als Vorbild wurde Italien genannt, wo die Hemdchenbeutel seit 2018 verboten sind, beziehungsweise die Sacchetti auch nur noch gegen Gebühr abgegeben werden. Was allerdings anfangs für einen Sturm der Entrüstung gesorgt hat. Drei Milliarden Beutel pro Jahr Nach Auskunft des Bundesverbraucherschutzministeriums (BMUV) sind in den Obst- und Gemüseabteilungen dieses Landes 2020 etwa drei Milliarden Hemdchenbeutel verbraucht worden. Sie sorgten für einen hygienischen Umgang mit Lebensmitteln, und bislang gebe es dazu kaum eine umweltfreundliche Alternative, so das BMUV. Ohne die Beutelchen würden neue (Vor-)Verpackungen kreiert und damit wieder nur mehr Müll produziert. Einige Handelsketten hätten allerdings bereits damit begonnen, bei Gemüse und Obst Verpackungen gänzlich wegzulassen oder den Kunden Mehrwegalternativen in Netzform anzubieten. Daher seien die Hemdchenbeutel, so sie denn eine Wandstärke von weniger als 15 Mikrometer aufweisen, vom generellen Einwegtüten-Plastikverbot ausgenommen. Auch in Bielefeld können weiter Waren oder Take-away-Essen in die Beutelchen gepackt werden. Der Haupt- und Wirtschaftsausschuss hat sich einstimmig gegen ein zusätzliches Verbot auf den Wochenmärkten ausgesprochen. Neben der fehlenden rechtlichen Grundlage und dem Umstand, dass sich die Händler gegenüber dem stationären Handel benachteiligt sehen könnten, wird auch befürchtet, dass dies zu einem weiteren Rückgang der Beschicker auf den Märkten und damit zu einem eingeschränkteren Angebot kommen könnte. Außerdem würden Kunden, die sich spontan zu Einkäufen auf den Märkten entschließen, diese Möglichkeit ohne Hemdchenbeutel genommen, so die Meinung der Verwaltung. Kompostierbare Kunststoffbeutel wenig umweltfreundlich Gleichwohl sollen die Markthändler durch die Bielefelder Abfallberaterin noch einmal sensibilisiert werden, möglichst auf die Plastiktüten zu verzichten. Carla Steinkröger, CDU-Vertreterin und Landwirtin, machte darauf aufmerksam, dass es bereits kompostierbare Hemdchenbeutel gebe, die den Originalen total ähnlich sehen. Das BMUV hat zu solchen Produkten allerdings auch eine klare Meinung: Kunststoffe aus Pflanzen wie Zucker, Kartoffeln oder Mais seien nicht unbedingt umweltfreundlicher. Sie ließen sich kaum recyceln und der Anbau von Pflanzen für die Kunststoffproduktion sei häufig mit verstärktem Pestizideinsatz verbunden und finde in Monokulturen statt. Gelangen sie in die Umwelt, verbleiben sie dort sehr lange und können genauso schädlich wirken wie Rohöl-Kunststoffe. Außerdem würden die vermeintlich biologisch-korrekten Tragetaschen dazu verleiten, diese nicht sachgerecht zu entsorgen. Mehrweg-Taschen aus dickem Plastik dürfen sein Mehrweg-Taschen aus Plastik und Polyester mit mehr als 50 Mikrometer Dicke seien eine gute Alternative. Bereits nach drei Nutzungen seien die zumeist aus recyceltem Material hergestellten Taschen umweltfreundlicher als eine Einweg-Plastiktüte, erklären die obersten Verbraucherschützer. Noch besser seien selbst mitgebrachte Taschen, Körbe, Rucksäcke oder Ähnliches. Papiertüten, so das BMUV, seien nicht wirklich besser als Einweg-Plastiktüten. Allerdings würden sie eher recycelt und landeten selten in der Umwelt, wo die Papierfasern zudem schnell zerfielen.

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