ÖPNV-Streik in Bielefeld verpufft überraschend wirkungslos

Bielefeld. 7.35 Uhr am Dienstagmorgen vor dem Ratsgymnasium: Von einem Verkehrschaos oder gar wütenden Eltern, die in der engen Waldhofstraße im Stau stehen und hoffen, dass es ihre Kinder noch rechtzeitig zur Schule schaffen, ist nichts zu sehen. Ganz im Gegenteil. Nur vereinzelt fahren Autos vor, viele Schüler kommen zu Fuß oder mit dem Rad. Gleiche Uhrzeit, gleicher Tag, anderer Ort: Diesmal Detmolder Straße. Fast schon gähnende Leere, wo sich sonst Stadtbahnen und Autos im morgendlichen Berufsverkehr bekriegen. Dritter Knotenpunkt der Stadt: Die OWD-Ausfahrt in Richtung Artur-Ladebeck-Straße. Zwar kommt es hier immer wieder zu kurzen Rückstaus und sporadischen Hupkonzerten, ein längerer Stau oder gar Unfälle sind nicht zu beobachten – trotz Baustelle am Adenauerplatz. Kein ÖPNV = Weniger Autos: Wie passt das zusammen? Es scheint, als liefe an diesem Morgen alles reibungslos, als gäbe es keine Probleme. Dabei streiken die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und damit auch Mobiel – viele Busse und alle Stadtbahnen stehen still. Eigentlich hätte sich daher ein ganz anderes Bild auf den Straßen zeigen müssen. Wie passt das zusammen? Wo waren all die Menschen und wie sind sie von A nach B gekommen? Homeoffice und Fahrgemeinschaften Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Homeoffice funktioniert. Nicht wenige Arbeitnehmer, vor allem Eltern von kleinen Kindern, werden darauf gestern zurückgegriffen haben. Schließlich wurden auch Kitas bestreikt. In einigen Fällen wurde eine Notbetreuung gewährleistet. Somit wurden gestern nur 28 Prozent der städtischen Kitakinder betreut, teilt die Stadt auf Nachfrage mit. Das sind 883 von 3.080 Kindern. Die restlichen wurden Zuhause von ihren Eltern oder anderen Angehörigen betreut. Ein Grund, warum auf den Straßen so wenig los war. Ein anderer: Die Menschen haben Fahrgemeinschaften gebildet. So auch Pendler Lloyd Grant. Er ist aus Lippstadt nach Bielefeld gekommen. Einziges Manko: Er musste etwas früher aufstehen als sonst. Bike-Sharing Statt auf das Auto setzten viele bei dem sonnigen, aber doch bitterkalten Wetter direkt aufs Rad. Wohl aber nicht unbedingt aufs eigene. Mobiel verzeichnete schon beim Streik Anfang Februar einen deutlichen Anstieg der Ausleihzahlen der Siggi-Räder. Damals wurde mit 2.095 Ausleihen gar ein neuer Rekord verzeichnet – an normalen Tagen liegt der Schnitt bei 800 Ausleihen.Auch wenn für gestern noch keine Zahlen vorliegen, lässt sich ähnliches erwarten. Nicht wenige, vor allem Schüler, waren – quer durch die Stadt – auf Siggi-Bikes zu sehen. Auch E-Scooter waren gefragt. Eingespielt Da die Streiks schon einige Tage vorher angekündigt werden, können sich diejenigen die auf Bus und Bahn angewiesen gut vorbereiten. &bdquo;Das lässt sich dann immer gut regeln“, sagt Fahrgast Fotios Menonas. Zumal gestern doch einige Busse unterwegs waren. Am Jahnplatz fuhren teilweise im Minutentakt Busse ab. Dass der ÖPNV-Streik seine Wirkung nicht gänzlich entfaltet hat, ist auch den Streikenden nicht verborgen geblieben. &bdquo;Wir müssen umdenken“, sagt Verdi-Bezirkschefin Martina Schu. &bdquo;Unsere Streiks müssen spürbar bleiben.“ – verärgern wolle man die Bevölkerung aber nicht, versichern sie. An einen mehrtägigen Streik glaubt Schu nicht. Die Arbeitskämpfer 800 bis 900 Arbeitskämpfer waren beim gestrigen Streik mit dabei. Ihr Protestzug führte sie vom Hauptbahnhof, über den Jahnplatz bis hin zur Hechelei. Trotz einer knapp 10 minütigen Sperrung des Jahnplatzes gegen 10 Uhr, blieben auch hier größere Staus aus. Schu bekräftigte auf der zentralen Kundgebung noch einmal: &bdquo;Das Angebot der Arbeitgeber ist eine Frechheit.“ Nächste Streiks Unterstützt wurden die Streikenden von Beschäftigten der Diakonie. Sie erklärten auf einer Kundgebung am Betheleck ihre Solidarität. Schon für Freitag kündigt Verdi den nächsten ganztägigen ÖPNV-Streik an. Bereits heute streikt die Gewerkschaft Komba, an dem Tarifbeschäftigte der Stadt Bielefeld teilnehmen. So bleibt etwa der Wertstoffhof Nord dicht.

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