Bauen im Bestand Von 1894: Bielefelder Initiative landet Coup und kauft Altbau zur Kernsanierung

Bielefeld. Überwiesen und unterschrieben: Mit Bravour meisterte die Initiative "Petristraße 2" die erste Hürde beim Monopoly um den sanierungsbedürftigen Altbau und zieht weiter aufs nächste Feld namens Bauantrag. Für dessen Abgabe beim Bauamt existiert ebenfalls eine vom Immobilienservicebetrieb der Stadt (ISB) gesetzte Frist. Ob dieselbe Bedingung auch für die Verwaltung gilt, ist dagegen nicht bekannt. Für den Kauf der Immobilie musste die Initiative rund 300.000 Euro beschaffen. Über den konkreten Betrag haben beide Parteien das rituelle Stillschweigen vereinbart, als Orientierung fungiere der Bodenrichtwert. 2022 taxierte der Gutachterausschuss das Gebiet zwischen Hakenort und Ziegelstraße mit 370 Euro pro Quadratmeter. Nach dem ersten großen Einsammeln bei Sympathisanten des selbstverwalteten Wohnprojekts sei sogar noch Geld übrig für die nächsten Aufgaben, erzählen die Bauleute in ihrer Zentrale mit Ausblick. Die liegt im ersten Stock des 1894 gebauten Hauses. Die alten Fenster mit den eleganten Eisenknäufen lassen viel Licht ins Zimmer - und Kälte. Warm angezogen sitzen Ruth, Hannah, Katharina und Azik am Freitagmittag im Baubüro und berichten von den Fortschritten der vergangenen Monate. So seien sie überwältigt von den vielen Hilfsangeboten aus der direkten Nachbarschaft wie von der Unterstützung auch aus den bürgerlichen Kreisen der Stadtgesellschaft, die bisher nicht unbedingt zur Zielgruppe der Initiative zählten. Sicherheit unterm Dach des Mietshäuser-Syndiakts Das Quartett repräsentiert die Hälfte des Baukollektivs, in dessen Verantwortung die Sanierung der betagten Immobilie vorangehen soll. Acht junge Leute trauen sich die Mammutaufgabe zu, das über Jahrzehnte vor sich hinsiechende Gebäude, weil einst durch die Stadt dem Abriss gewidmet, für die eigenen Wohnzwecke wieder herzurichten. Um noch mehr Sicherheit für die Zukunft zu generieren, möchte das Kollektiv unter dem Dach des "Mietshäuser Syndikats" agieren, doch brauche es dafür erst einmal ein eigenes renoviertes Dach über dem Kopf, denn die Freiburger prüfen die Aufnahme-Anträge anhand strenger Kriterien und hoher Ansprüche: Nur wer auf unbefristete Dauer den Bewohnern auch eine günstige Miete garantiere, besitze eine Chance auf Kooperation mit den Gegnern des kapitalistischen Rendite-Denkens. Das Credo laute Solidarität, sagen die vier, und Haushund Bruno bellt dazu. Vor Freude über den Ball, der durchs Zimmer kullert. Gespräche mit den großen Gewerken für die Renovierung des Dachstuhls und die Elektro-Installation seien bereits im Gange, und es haben sich auch schon etliche Helfer gemeldet, die beim Entrümpeln für die Kernsanierung mit anpacken. Denn sobald der positiv beschiedene Bauantrag vorliege, solle es auch gleich weitergehen. Schließlich warte irgendwo im komplexen Vertragswerk die nächste Frist. Wobei die vom ISB gesetzten Zeitlimits das Team nicht stressen. Ganz im Gegenteil: "Unsere Fristen unterschreiten sogar noch die der Stadt, wir möchten ja selbst so schnell wie möglich mit dem Projekt fertig werden." Während die Initiative noch am Bauantrag arbeitet, liegt der positive Bescheid bereits bei Karl Jörg Kollmeyer auf dem Schreibtisch. Der Speditionsunternehmer hätte ebenfalls sehr gerne das einst vom Uropa errichtete Elternhaus renoviert, doch die Stadt als damalige Eigentümerin entschied anders. Sie eröffnete ihm die Option, auf dem angrenzenden Garargengelände ein neues Mehrfamilienhaus zu bauen. Kollmeyer akzeptierte den politischen Kompromiss und das Architekturbüro Baulampe entwarf in seinem Auftrag ein Gebäude, das sich optisch am markanten Eckhaus aus der Gründerzeit orientiert, aber es eben nicht imitiert. Theoretisch könne sein Bauprojekt im März oder April starten. An die Nachbarn gerichtet sagt er: "Ich freue mich, dass das Haus erhalten bleibt und hoffe, dass es entsprechend saniert wird."

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