Bielefelder Viertel unter Schock: „Ihre Füße, Arme, Rücken – alles verbrannt"

Bielefeld. Die Flammen fressen sich in die eigene Wohnung, einen Ausweg nach draußen gibt es nicht mehr. Scheinbar endlose Momente müssen die Großeltern und ihre Enkel (14, 15, 18) am Freitagabend am Fenster auf Hilfe hoffen, bis endlich die Feuerwehr mit der Drehleiter in die dritte Etage hochfährt, um sie aus der Not zu retten. &bdquo;Wir haben den Tod vor uns gesehen“, sagte eines der Enkelkinder später. Das berichtet Sofia (25, Name geändert), eine Verwandte der Familie. Sie war Ersthelferin an jenem Freitagabend an der Heeper Straße. Sie spricht von Erlebnissen, die die Betroffenen des Dachstuhlbrandes nicht mehr aus dem Kopf kriegen werden. &bdquo;Der Schock sitzt tief – bei allen, bei den Opfern, aber auch bei uns Zeugen.“ Zu ihrer Verwunderung war sie die einzige, die die schwerverletzten Jugendlichen in Empfang nahm, als der Rettungskorb der Feuerwehr mit den fünf Familienmitgliedern auf der Straße ankam. 15-jährige Bielefelderin kam schwer verletzt an &bdquo;Der Rettungsdienst war noch gar nicht bereit“, sagt sie. &bdquo;Die Feuerwehr hat einen tollen Job gemacht. Aber warum haben die Rettungssanitäter nicht gesehen, dass da Schwerverletzte runterkommen?“ Niemand kam ihr entgegen. Ihr Bruder hatte die 15-Jährige, die schwere Verbrennungen am ganzen Körper erlitten hatte, auf den Arm genommen. &bdquo;Ihre Füße, ihre Arme, der Rücken – alles verbrannt“, berichtet die Bielefelderin. Zusammen mit Sofia und den beiden ebenfalls verletzten Brüdern suchten sie nach den Helfern. &bdquo;Aber keiner hat mir gesagt, wo die stehen.“ Es stellte sich heraus, dass die bereits eingetroffenen Rettungseinheiten – kaum sichtbar – hinter der Eisenbahnbrücke standen. Zur Erklärung: Dass sich der Rettungsdienst fernab vom Brandort aufstellt, ist gewollt und erfüllt mehrere Zwecke. Dort, wo sich die Drehleitern aufstellen und sich dann auch hin- und herbewegen, ist kein Platz für weitere Einsatzfahrzeuge. In nächster Entfernung folgen dann Löschfahrzeuge, die für die Wasserversorgung der Angriffstrupps und der Drehleitern zuständig sind. Dass die Rettungswagen am Rande eines solchen Einsatzbereichs stehen, liegt auch daran, dass sie mit den Verletzten fast immer als Erstes wieder abfahren. So ist ihre Abfahrt bestmöglich gewährleistet. Möglicherweise waren die Einsatzkräfte zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht vollständig bereit. Die ersten Minuten dieses dramatischen Feuerwehreinsatzes waren tatsächlich sehr unübersichtlich. Das hatte auch Einsatzleiter Gordon Majewski bereits in der Nacht betont. Sehr viele Schaulustige waren am Brandort eingetroffen und sorgten mit ihren Handys für Ungemach. Mitten unter ihnen die verzweifelten Angehörigen. So auch der Vater der drei Jugendlichen, der völlig außer sich zusehen musste, wie seine Kinder in tödlicher Gefahr waren. "Entweder ich verbrenne oder ich springe" Auch Eleni, die im Nachbarhaus lebt und bereits zu Bett gehen wollte, stand inzwischen auf der Straße und schrie, als sie ihre Verwandten oben am Fenster sah. Insgesamt sieben Menschen wurden bei dem Brand verletzt. Fünf davon erlitten schwere Brandverletzungen und Rauchvergiftungen, wie Polizeisprecher Michael Kötter am Montag mitteilte. Damit korrigierte er die Zahl der Schwerverletzten deutlich nach oben. Bisher galt nur die Großmutter (61) als schwer verletzt. Sie hatte – wie berichtet – an jenem Abend ihre Enkel im Alter von 14 bis 18 Jahren zu Besuch. Als die Flammen in ihr Zimmer vorgedrungen sind, &bdquo;haben sie nur aus dem Fenster geguckt“, erinnert sich Eleni. &bdquo;Sie wollten auf keinen Fall zurückblicken.“ Der 18-Jährige sagte Sofia später: &bdquo;Ich dachte, entweder ich verbrenne oder ich springe.“ Ihr Großvater hatte sogar noch versucht, sie außen zum Fenster der Nachbarwohnung rüberzuholen. Sie hätten dabei alle abstürzen können. Zum Glück sei in diesem Moment der Rettungskorb gekommen. Eleni betont, wie knapp es war: &bdquo;Kaum waren die im Feuerwehrkorb, gab es einen Knall in der Wohnung und alles stand in Flammen.“ Stadt bietet Plätze in Flüchtlingsunterkunft an Die 61-Jährige erlitt schwerste Brandverletzungen, die durch die Hitzestrahlung der Flammen entstanden sein sollen. Sie hatte ihre Enkel schützen wollen und hatte sich vor sie gestellt. Noch in der Nacht musste sie in eine Spezialklinik für Brandverletzte nach Dortmund geflogen werden. Mehrere Hauttransplantationen werden nötig sein. Zu den vier weiteren Schwerverletzten gehören ihre 15-jährige Enkelin und ihr Bruder (18). Beide konnten trotz einiger Verletzungen am Sonntag schon das Krankenhaus verlassen. Die Familie sei bei Verwandten untergekommen. Die Stadt habe für die Bewohner der acht zerstörten Wohnungen nur Plätze in Flüchtlingsheimen anbieten können. Für solche Notfälle vorgesehene Wohnungen seien alle belegt gewesen, hieß es. Kripo Bielefeld nimmt Ermittlungen auf Derweil haben die Brandermittler der Polizei am Montag die Suche nach der Brandursache in dem Geschäfts- und Wohnhaus übernommen. Vieles spricht dafür, dass der Brand am späten Freitagabend im Dachstuhl ausgebrochen war. Das Feuer muss von dort unheimlich schnell um sich gegriffen haben. Denn als die Bewohner das Feuer bemerkt hatten, stand das Treppenhaus bereits in Flammen. Der einzige Fluchtweg war ihnen damit versperrt. Wie ein Sprecher der Hausbesitzergemeinschaft mitgeteilt hatte, war der Treppenraum holzvertäfelt, auch die Treppen waren aus Holz. Das Feuer zerstörte in den oberen Etagen beides vollständig. Ein Bau-Fachberater des THW hatte noch in der Brandnacht eine Benutzung der übriggebliebenen Treppe als gefährlich eingeschätzt. Die acht Wohnungen der betroffenen linken Gebäudeseite sind nicht mehr bewohnbar – entweder ausgebrannt oder durch Ruß und Löschwasser massiv beschädigt. Nach Angaben von Polizeisprecher Michael Kötter gehen die Behörden bisher von einem entstandenen Sachschaden von mindestens 500.000 Euro aus. Konkrete Hinweise auf die Ursache für den Brandausbruch gebe es laut den Ermittlern bisher noch nicht.

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