Lebensbedrohlich Auf Bielefelds Straßen und Plätzen frieren nachts rund 40 Obdachlose

Bielefeld. Es ist kalt, saukalt. Wer jetzt kein Dach über den Kopf hat und draußen schlafen muss, begibt sich in Gefahr. In dieser lebensbedrohlichen Situation befinden sich in diesem Winter etwa 40 Personen in Bielefeld, die unter Brücken, in Hauseingängen oder Vorhallen übernachten – und frieren. &bdquo;Diese 40 sind schwer davon zu überzeugen, eine Unterkunft aufzusuchen“, erklärt Andrea Kröpp, Breichsleiterin von &bdquo;Bethel regional“. Sie und ihre Kollegin Jennifer Ebersberger kümmern sich als Sozialberaterinnen &bdquo;an vorderster Front“ um Menschen, vornehmlich Frauen, in besonderen Lebenslagen. Gründe für diese schwierige Überzeugungsarbeit bei den Obdachlosen auf der Straße gibt es viele. Einige können sich einfach nicht in vier Wände begeben: Suchtprobleme spielen da eine Rolle, psychische Störungen oder (Sozial-)Phobien. &bdquo;Und einige können sich auch nicht an Hausregeln halten“, ergänzt Harald Rademacher von der städtischen Wohnungsgesellschaft BGW. Er muss es wissen, denn auch er ist an vordersten Front: als &bdquo;Herbergsvater“ in der Wohnungslosen-Unterkunft an der Ernst-Rein-Straße. "Einige können sich einfach nicht an Hausregeln halten" Es sind aber mehr, viel mehr Menschen ohne &bdquo;Dach überm Kopp“ als diese 40, um die sich Bethel-Einrichtungen, die Bahnhofsmission, Frauenhäuser, Drogenberatungsstellen, Kirchenorganisationen, das Sozialpfarramt, Wohnungsbaugesellschaften (BGW), die Gesellschaft für Sozialarbeit (GfS) und nicht zuletzt das Sozialamt der Stadt Bielefeld kümmern: &bdquo;Es gibt in unserer Stadt etwa 350 Wohnungslose“, erklärt Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Er verfügt über genaue Zahlen: in den Unterkünften Kreuzstraße (Männer), Teichsheide (Frauen) und Heckstraße (Familien) leben derzeit 158 Menschen. Dazu kommt die Unterkunft für &bdquo;Menschen mit besonderen Hemmnissen“, die Ernst-Rein-Straße, mit weiteren 35 Übernachtungsmöglichkeiten. Die rechnerische Differenz sind so genannte &bdquo;Sofaschläfer“, also Leute ohne festen Wohnsitz, die aber bei Freunden und Bekannten nächtigen können. Außerdem hat die Stadt etwa 500 Dependancen, also Wohnungen, beschlagnahmt – ausgenommen die BIMA-Gebäude, also die &bdquo;Britenhäuser“ der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Diese Häuser werden, je nach Bedarf, sowohl Geflüchteten als auch einheimischen Obdachlosen zur Verfügung gestellt. &bdquo;Beschlagnahmt“ ist ein missverständliches Wort, das auch Nürnberger schwer über die Lippen geht , &bdquo;freundliche Übernahme“ fände er besser. Die Stadt hat 500 Wohnungen beschlagnahmt Ingo Nürnberger lobt ausdrücklich dieses gut funktionierende Netzwerk der Hilfeleistenden für die Hilfesuchenden. Ein Netz, in dem ein großes Loch klaffte, nachdem sich die Heilsarmee von der Versorgung der Obdachlosen vor eineinhalb Jahren zurückgezogen hatte. Der Verein &bdquo;Miteinander stark“ gründete sich, stopfte dieses Loch und schaffte sich einen &bdquo;Suppenbus“ an, der am Hauptbahnhof Bedürftige mit warmen Mahlzeiten versorgt. Und der Sozialdezernent stellt fest: &bdquo;In meiner Amtszeit hat es keinen Kältetoten in Bielefeld gegeben. Niemand muss hier erfrieren“. Diese Amtszeit währt nun schon seit fast acht Jahren. Harald Rademacher fügt eine weitere Masche des dichten Netzwerks hinzu: &bdquo;Wir dürfen nicht die Arbeit der Wachdienste an den Unterkünften unerwähnt lassen. Sie machen einen guten Job“. Es sind nicht die klassischen, kantigen und schlecht gelaunten Türsteher, die vor den Clubs nach Gutdünken die Leute rein lassen – oder eben auch nicht. Diese Security braucht viel Fingerspitzengefühl und Empathie. Security mit Fingerspitzengefühl und Empathie. Das Netzwerk teilt sich auch die Kosten. So sind bei Stadt Bielefeld 3,5 Streetworker-Stellen ausgeschrieben, Bethel regional beschäftigt weitere 1,5 Stellen. Das alles, auch die Tagesversorgung in der &bdquo;Kava“ an der Kavalleriestraße, wo die Leute sich vor der Dunkelheit aufwärmen können, muss finanziert werden. Dafür hat das Land NRW im März 2022 das &bdquo;Kümmerer-Projekt“ ausgerufen im Rahmen der Initiative &bdquo;Endlich ein Zuhause“. Zusätzlich sechs Millionen Euro stehen für die 22 am meisten von Wohnungslosigkeit betroffenen Kreise und kreisfreien Städte in Nordrhein-Westfalen in 2022 bereit. &bdquo;Endlich ein Zuhause“ zu schaffen ist auch das vornehmliche Ziel der Streetworker. "Wir wollen die Obdachlosen in einen Mietvertrag bekommen - durch Anlocken und Vermitteln“, wie Jennifer Ebersberger es formuliert. &bdquo;Genau das ist unsere soziale Arbeit“, fügt Sozialamtsleiterin Gisela Krutwage hinzu. Das ist ihre Aufgabe – mit präventivem Charakter und nicht nur eine Kanne heißen Tee denen vorbeizubringen, die &bdquo;Platte machen“.

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