Briefe kommen bei Bielefelder nicht mehr an - das ist die Erklärung der Post

Bielefeld. Seit rund sechs Wochen ärgert sich Klaus Zielke jedes Mal, wenn er in seinen Postkasten schaut - denn der ist allzu oft leer. Viele Briefe kommen bei dem Senner Rentner nur sehr verspätet, einige offenbar gar nicht an. Die Deutsche Post AG verweise auf zu wenig Personal, einen erhöhten Krankenstand und immer neue Infektionswellen, berichtet er. Als kleines Trostpflaster habe sie ihm ein paar Briefmarken geschickt. "Das ist doch einfach nur albern", meint der 72-Jährige. Der Bielefelder ist eigentlich ein friedfertiger Mensch. Dass ein Brief mal länger auf sich warten lasse oder dass montags gar nichts mehr ausgeliefert werde - geschenkt, meint er, das könne man durchaus akzeptieren. Doch das Chaos, das er bei der Zustellung jetzt seit über einem Monat erlebt, bringt ihn wirklich auf die Palme. Rechnungen kommen verzögert Bespiele gibt es inzwischen genug. Ein Brief mit Unterlagen der Stadt Bielefeld etwa sei am 7. November abgestempelt, bei ihm aber erst am 18. November eingetroffen, schildert der 72-Jährige. "Darauf hatte ich dringend gewartet." Eine von zwei Rechnungen seines Zahnarztes - er ist privat versichert - erreichte ihn "nur" drei Tage verspätet. "Da ging es aber lediglich um 15,25 Euro." Schon vorher aber sei die größere der beiden Rechnungen, über 400,10 Euro, verschickt worden, am 14. November. Die brauchte zwei Wochen. Am 28. November lag sie endlich im Postkasten. Da hatte Zielke längst nachgehakt und sich die Rechnung erneut per E-Mail schicken lassen, um keine Mahnung zu riskieren. Die ihn am Ende wohl ebenfalls verspätet erreicht hätte. Kontrollbrief ist verschwunden Der Brief eines Freundes aus Hagen, am 18. November verschickt, ist bis heute nicht da. Das Gleiche gilt für den Kontrollbrief, den Zielke sich selbst am 20. November gesendet und höchstpersönlich in den Postkasten, wenige Meter von seinem Haus entfernt, eingeworfen hat. "Der ist auch nicht in der Post-App", berichtet der Senner; er hat sich aus dem App-Store die App "Briefe" (ihr Symbol ist ein Luftpostbrief) heruntergeladen, die ihm seine Post im Vorfeld ankündigt. "Damit kann ich zumindest einiges nachvollziehen." Aber er wisse natürlich nicht, was dort alles gar nicht erfasst werde. Beschwerde bei der Post Bereits Mitte November hat sich Zielke das erste Mal bei der Post beschwert. Gelandet ist er in einem Callcenter, "vermutlich in Polen. Aber alle sind sehr nett dort und sprechen super Deutsch". Kurz darauf trudelte ein Entschuldigungsbrief der Post ein, inklusive sechs 0,85-Cent-Marken. "In den betroffenen Gebieten arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Verzögerungen für Sie als Kunden auf ein Minimum zu begrenzen und die gewohnte Qualität wieder sicherzustellen", schreibt das Kundenservice-Team. Geändert hat sich seitdem nichts. Zielke hat sich erneut beschwert, der Antwortbrief der Post ist in der App avisiert. "Wahrscheinlich der gleiche wie der, denn ich schon habe." Kein Einzelfall Der Senner ist bundesweit kein Einzelfall. In vielen Regionen stöhnen Bürger seit Monaten über massive Probleme bei der Zustellung. Die Bundesnetzagentur vermeldet allein für das dritten Jahresquartal bundesweit 11.500 Beschwerden, überwiegend bei der Briefzustellung. 2021 gab es zwar sogar 15.100 Beschwerden - allerdings im gesamten Jahr. Keine Prognose für Besserung Rainer Ernzer, als Pressesprecher der Deutschen Post DHL Group auch für Ostwestfalen zuständig, räumt ein, dass es in Bielefeld in den vergangenen Wochen "temporär und punktuell" Probleme gegeben habe. "Das poppt mal hier, mal da auf." Eine Prognose, wann es grundsätzlich besser werde, könne er "seriös" nicht geben. 11 Millionen Sendungen rund um Weihnachten Ernzer verweist aber auch auf die bis zu 11 Millionen Sendungen, die in Spitzenzeiten wie rund um Weihnachten verschickt werden. Sowie auf den ungewohnt hohen Krankenstand und das fehlende Personal, unter dem viele andere Branchen ebenfalls litten. Eine Sendezeit von über zehn Tagen kann er sich gleichwohl nicht erklären. Für verschwundene Briefe - dafür gebe die unterschiedlichsten und unwahrscheinlichsten Gründe - hat er aber einen Tipp: Manche landeten in der Briefe-Ermittlungstelle in Marburg; wenn etwa die Adresse nicht mehr leserlich oder unvollständig sei. "Auf jeden Fall online einen Nachforschungsantrag stellen", sagt er. "Der kostet nichts." Allerdings dauere das, da der gesamte Versendungsweg überprüft werde. Expressbrief: sicher, aber teurer Wer auf der sicheren Seite sein möchte - bei wertvollen Dokumenten etwa -, dem rät der Postsprecher nicht zum Einschreiben: "Da gibt es nur den Nachweis, dass es eingeliefert und wieder ausgeliefert wird, ansonsten aber geht es den Weg eines ganz normalen Briefes." Besser sei der Expressbrief, der allerdings deutlich teurer sei. Aber dafür durchlaufe der ein gesondertes Netz, "von Hand zu Hand", und bekomme bei jeder Stationen einen Scan. "Er ist überall nachzuverfolgen." Senner setzt auf E-Mails Klaus Zielke hat indes die Nase voll. Er überlegt, künftig zumindest bei eigenen Briefen seine App zu nutzen, mit der man auch E-Mails verschicken kann, die im Layout wie ein ganz normaler Brief aussehen. Unterschreiben kann er mit dem Finger auf dem Bildschirm. "Und ich kann's ja dann auch nochmal ganz normal verschicken", meint er mit deutlicher Selbstironie. "Die Briefmarken dafür habe ich ja jetzt."

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