Dieser Bielefelder Bäcker setzt voll auf die Karte Qualität - und will nicht jammern

Bielefeld. Alarm rund ums Brot: Mindestens acht Euro müsse es kosten, sagt Bäcker-Innungsmeister Marcus Wulfhorst mit Blick auf steigende Energiekosten. Andere sprechen von zweistelligen Summen pro Laib Brot. Vom Zweifel vieler Betriebe, diesen Winter überhaupt zu überleben, berichtet der auf Bäckereien spezialisierte Bielefelder Unternehmensberater Eyüp Aramaz. Eine andere Tonlage bringt ein Ur-Bielefelder Bäcker in diese Debatte. Marc-Philip Lamm (26) ist mit seinem Bruder Patrick (24) seit zwei, drei Jahren in der Leitung der Bäckerei Lamm, Vater Karsten führt die Geschäfte des 1938 gegründeten Handwerkbetriebes. Marc-Philip Lamm sagt: "Ich bin kein Freund von Panikmache, ich mag nicht in das Horn 'alles schlimm' stoßen, ich mag nicht nölen, denn das hilft uns nicht weiter." Fast 35 Brote Was hilft dann bei drastisch teureren Energie- und auch Rohstoffkosten? Lamm setzt auf Qualität. "Wir werden keine Brote zukaufen, nicht mit Mischungen arbeiten, sondern weiter auf unser reines Handwerk bauen." Dass das alleine aber nicht reichen wird, um gestiegene Preise zu kompensieren, weiß er. Deshalb wird die bisherige Palette von fast 35 Broten verschlankt werden müssen. Besonders Liebhaber-Brote, oft in kleinerer Stückzahl gebacken, füllen die Öfen nicht voll aus. Und der Wechsel von Brot zu Brot kostet auch Energie: Öfen laufen weiter, es sind viele Arbeiten drumherum zu tun, bis die nächste Sorte dran ist. Lamm plant nun, besondere Brote nicht mehr täglich zu backen, sondern zum Beispiel montags, mittwochs und freitags. "So kann der Kunde sein Brot am Montag kaufen und auch am Dienstag noch genießen." So will er Energie sparen. Langfristig werde aber auch das eine oder andere besondere Brot ganz weichen müssen. Weniger ist mehr, wie in so manchem guten Restaurant. Sein Weg: "Ich halte die Handwerksfahne hoch, ich werde also nicht an unseren Mitarbeitern sparen." Gut ausgebildet seien die etwa 100 Menschen, sie seien das Rückgrat des Betriebes. Den Druck auf ihnen abzuwälzen, das lehnt Lamm ab, auch, weil der Fachkräftemangel enorm groß ist. Olderdissen, Leineweber, Lutterlaib Den Familienbetrieb will er als starken Bielefelder Betrieb noch stärker in der Öffentlichkeit positionieren. Brote heißen jetzt Olderdissen, Leineweber, Teutoknust, Lutterlaib und Eiserner Anton. Zwölf neue Namen gibt es. Da, wo der Name fürs Bewerten des Brotes wichtig ist, ändert sich nichts. Ein Dinkelvollkornbrot bleibt ein Dinkelvollkornbrot. Lamm setzt aufs "Bielefeld-Gefühl". Darauf, dass es den Kunden etwas wert ist, Brot aus Bielefeld von Bielefeldern zu bekommen. Von Hand gebacken. Elf Filialen hat er, alle in Bielefeld. Sogar Dinkel lässt er seit sieben Jahren in Bielefeld anbauen. Ziel: kurze Fahrtwege. Lokalität als Markenzeichen. Bäcker-Berater Aramaz setzt auf hohe Kundenzufriedenheit als einem Schlüssel zum Überleben. Das sieht auch Lamm so. Aramaz drängt Betriebe darauf, "Zielgruppen zu vergrößern", besonders über eine starke Online-Präsenz. Lamm versucht das. "Vor allem über Instagram gehen wir mit einem hohen Unterhaltungsfaktor auf die jüngere Generation zu." Er betont: "Nicht reißerisch, auch nicht mit irgendwelche Super-Angeboten, die gibt es bei uns nicht." Aus Prinzip. Der Preis habe seinen Grund. Vielmehr wolle er neugierig machen, neugierig darauf, was gutes Bäcker-Handwerk sei, was es leiste. "Unsere Qualität ist es, mit der ich den Nerv der Leute treffen will." Handwerksbrot statt Fabrikbrot Den enormen Aufwand wolle er "greifbar machen". Und damit dem Trend entgegenwirken, den Innungsmeister Wulfhorst ausgemacht hat: dass immer mehr Menschen im Supermarkt günstig ihr Fabrik-Brot kaufen. Klar ist: Die Handwerks-Bäcker müssen teurer werden. Das geht nur, wenn ihr Brot den Menschen etwas wert ist. Sie wollen also ein größeres Stück vom Kuchen, sprich erreichen, dass die Kundinnen und Kunden mehr Geld bei ihnen ausgeben. Für mehr Qualität als im Supermarkt. Da sind sich Aramaz und Lamm einig, dass hier der Schlüssel zum Erfolg liegt. Wenn Aramaz jedoch fordert, es müsse "das Kauferlebnis optimiert werden", zum Beispiel mit der Frage 'Wollen Sie eine frische Tasse Kaffee zu Ihrem gerade gekauften Brötchen?', dann kann Lamm eher nur mit dem Kopf schütteln. "Das ist ja nun wirklich die gute alte Schule." Also Standard. Gute alte Schule ist natürlich auch die handwerkliche Qualität - und die wollen Bäcker wie Lamm hochhalten. Und hoffen natürlich auch auf die Politik, auf Energiepreisbremsen, die Handwerksbäckern helfen. "Das alleine ist mir aber zu stumpf", sagt Lamm, "wir müssen parallel auch Ideen entwickeln, wie es für uns weitergehen kann."

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