Anwalt: Bielefeld könnte heißbegehrte Kasernen für wenig Geld zurückfordern

Bielefeld Die frühere Rochdale-Kaserne und die die ehemaligen Catterick Barracks sind städtebauliche Filetstücke. Die Stadt verhandelt mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgabe (BIMA) über die Rückgabe der Flächen. Dabei geht es um viel Geld. Aus Sicht der Bielefelder Initiative für sozialökologische Stadtentwicklung (BISS) hätte die Stadt gute Chancen, die Areale lediglich gegen geringe Abschlagszahlungen zurückzuerhalten. Sie drängt die Stadt zur Klage gegen die BIMA. Grund dafür ist der sogenannte Garnisonsvertrag, den das frühere NS-Regime 1935 mit dem Rathaus geschlossen hatte. In dem ging es um die Überlassung von Grundstücken für den Kasernenbau. &bdquo;Es sprechen einige Argumente für die Annahme, dass der Garnisonsvertrag bereits 1935 wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht unwirksam, somit nichtig gewesen ist“, sagt der Bielefelder Rechtsanwalt Ridvan Ciftci. "Spezielle Aufgabe" Ciftci hatte im Auftrag der BISS eine rechtliche Bewertung des Vertrages erarbeitet. &bdquo;Eine sehr spezielle Aufgabe“, sagt er. Aber auch eine überaus spannende. Garnisonsverträge schloss das damalige Deutsche Reich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung mit einer Vielzahl von Kommunen. &bdquo;Die Verträge sahen wie eine Blaupause überall gleich aus“, sagt Christian Presch von der BISS. Die neuen Machthaber wollten mächtig aufrüsten, benötigten dafür immer mehr Kasernen. Sie lockten die Städte mit wirtschaftlichen Vorteilen, die dadurch entstünden, dass sie Garnisonsstadt würden. Doch auch nach der Machtergreifung galt völkerrechtlich betrachtet der Versailler Vertrag von 1919, der Friedensvertrag nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg, fort. Darin war das militärische Engagement Deutschlands stark beschränkt worden. Truppenausweitungen hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen – und damit auch keine neuen Kasernenanlagen. Der Versailler Vertrag sei in nationales Recht eingegangen, argumentiert Ciftci. Insoweit hätte das Deutsche Reich keine Verträge mit den Kommunen schließen dürfen. Auch der Zweite Weltkrieg ging verloren, jetzt nutzten – wie in Bielefeld die Briten – häufig die Alliierten die Kasernenanlagen weiter. Sie blieben im Eigentum des Bundes. Im Grundgesetz wurde geregelt, dass Vermögen, das dem Reich von den Gemeinden zur Verfügung gestellt worden war, wiederum Vermögen der Gemeinde würde, soweit der Bund als Rechtsnachfolger das Vermögen nicht für seine eigenen Aufgaben benötigt. Das war nach dem Abzug der Briten eigentlich gegeben. In Bielefeld wird die Catterick-Kaserne derzeit noch vom Bund genutzt, befindet sich dort eine Ausbildungsstätte der Bundespolizei. Im Fall der Rochdale-Kaserne will die BIMA die Fläche freigeben. Über mögliche Entschädigungen wird verhandelt. Bis zu 600 Wohnungen könnten auf dem innenstadtnahen Areal entstehen. Weiteres Gutachten In der Stadt tagt regelmäßig der Runde Tisch Konversion, in dem unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen über die künftige Nutzung der Kasernenflächen sprechen. &bdquo;Dort ging es immer wieder auch um den Garnisonsvertrag“, sagt Horst Börner, der das Sozialforum Bielefeld in dem Gremium vertritt. Die Stadt habe aber stets gemauert, scheue die rechtliche Auseinandersetzung mit der BIMA. Doch nachdem in der jüngsten Sitzung am Montag auch über die rechtliche Stellungnahme von Anwalt Ciftci gesprochen worden war, wurde der einstimmige Beschluss gefasst, bei der Uni Bielefeld ein ausführliches Gutachten zu diesem Komplex einzuholen. Gerichtsverfahren um die Garisonsverträge hatte es schon häufig gegeben. Auch die Stadt Bielefeld hatte bereits prozessiert, etwa für das ehemalige Offizierscasino an der Osningstraße, das ebenfalls unter diese vertragliche Regelung fiel, einen Millionenbetrag erstritten. Dabei wurde jedoch nie angezweifelt, dass der Garisonsvertrag im Grundsatz rechtswidrig sein könnte. &bdquo;Bielefeld hätte die Chance, als bundesweit erste Stadt genau dies durchzufechten und ein Zeichen zu setzen“, sagt Christian Presch.

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