Kürzere Öffnungszeiten, kalte Räume: In Bielefeld beginnt das große Energie-Sparen

Bielefeld. Das große Dimmen hat begonnen: Die ersten Schaufenster bleiben am Abend dunkel, Raumtemperaturen nähern sich den von der Bundesregierung angeregten 19 Grad und in den Saunen fällt der eine oder andere Aufguss aus. Ob Einzelhandel oder öffentliche Einrichtungen, jeder sucht sein Einsparpotenzial und manche machen dabei überraschende Entdeckungen. Ein Überblick: Einzelhandel &bdquo;Wir haben doch schon im Mai begonnen“, sagt Jan Tangerding vom Loom und berichtet von bedarfsgesteuerter Lichttechnik auf den Parkdecks und Leuchten in den Gängen, die sich beim genauen Hinsehen als überflüssig erwiesen. Zudem starte die große Lüftungsanlage später. In der Altstadt besuchte Energieexperte Steffen Hamann von den Stadtwerken auf Initiative der Kaufmannschaft bereits 20 Geschäfte und fahndete gemeinsam mit den Händlern nach heimlichen Stromfressern wie alten Geräten und Glühbirnen oder rund um die Uhr aktiven Standby-Schaltungen. Der Handelsverband will Mitglieder und Kunden mit einer Plakatkampagne sensibilisieren. Supermärkte Die Öffnungszeiten zeigen sich in Bielefeld stabil: Edeka, Marktkauf, Rewe, keiner der angefragten Läden signalisierte einen späteren Einlass der Kunden oder früheren Kassenschluss. &bdquo;Wir haben die Leuchtmittel optimiert und Kühlschränke abgebaut, die jetzt nicht mehr nötig sind“, sagt Ines Quermann vom Rewe-Supermarkt in Babenhausen. Möbelgeschäfte Das Möbel-Unternehmen Poco kürzt auch in Bielefeld die Öffnungszeiten, wie Sprecherin Lisa Kreyenbaum bestätigt. Montags bis freitags wird eine halbe Stunde eher geschlossen, um 19 Uhr. Samstags öffnet die Filiale statt um 9 Uhr um 10 Uhr, dafür bleibt sie bis 18 Uhr geöffnet. Die Außenbeleuchtung erlischt eine halbe Stunde nach Ladenschluss und damit mehrere Stunden früher als bisher. In den Märkten sollen 20 Grad Celsius herrschen. Porta behält in Bielefeld seine Öffnungszeiten bei, ebenso Ikea. Kirchen Das Credo von Dechant Norbert Nacke lautet, die Temperatur in den Kirchen der Witterung anpassen – Risiko Luftfeuchtigkeit. Sonst könnte eine spätere Sanierung viel mehr Geld kosten als moderates Heizen. So solle die Grundtemperatur bei mindestens 9 Grad liegen, zu den Gottesdiensten aber möglicherweise von bisher 15 auf 12 Grad gesenkt werden. Die evangelischen Innenstadtgemeinden legen ihre Gottesdienste zusammen. Sonntags wechseln sie zwischen der Altstädter, Neustädter und Süsterkirche. Andere Gemeinden verlegen die Gottesdienste ins Gemeindehaus, dort gelten dann 19 Grad. Kultur &bdquo;Einschnitte im Angebot gibt es bei uns nicht“, sagt Nadine Brockmann, Sprecherin der Bielefelder Bühnen. Die Pandemie habe gezeigt, dass Kulturbetriebe für die Bielefelderinnen und Bielefelder &bdquo;immens wichtige soziale Orte sind“, die mit einem breiten Angebot für alle geöffnet sein müssen. &bdquo;Das Raumklima in unseren Zuschauersälen werden wir so regulieren können, dass es für unsere Gäste weiterhin angenehm ist“, so Brockmann. Dasselbe gilt für die Bielefelder Kinos, die bisher keine Spätvorstellungen absetzen. Heizung und Beleuchtung der Bar noch weiter runterzufahren sei kaum möglich, sagt &bdquo;Liv“-Betreiber Ivo Klumpp: &bdquo;Man will und kann nicht den Betrieb einschränken.“ Die Öffnungszeiten zu reduzieren, könne er sich in der jetzigen Situation nicht leisten. Das sagt auch &bdquo;Cutie“-Inhaber Hendrik Wortmann: Er habe das Kühlhaus ausgestellt, aber mehr Stellschrauben gebe es nicht. Der Kunde bekomme eigentlich nichts mit. Bibliotheken Die Stadtbibliothek habe wie gewohnt geöffnet, sagt Verwaltungsleiter Sascha Neubauer. &bdquo;Wir fungieren als dritter Ort und bieten Menschen Raum“, erklärt er die gesellschaftliche Relevanz. Dafür sei die Außenbeleuchtung der Schriftzüge abgestellt, ebenso wie die Strahler zum nächtlichen Beleuchten des Gebäudes. Im Haus wurde die Beleuchtung reduziert, um 50 bis 75 Prozent. Kunden-PC und Scanner werden allesamt auf Stand-by gesetzt und nach Arbeitsschluss ausgestellt. Die Bibliothek der Universität Bielefeld dagegen schließt vorübergehend drei Stunden früher, um 22 Uhr. Die Raumtemperatur wird auf 19 Grad reduziert, das Warmwasser fürs Händewaschen in den WC-Anlagen abgestellt. Ein Novum: Jacken und Mäntel dürfen mit in die Bibliothek genommen werden. Fitnessstudios Schweißaffine Mitglieder von Fitnessstudios müssen sich schon jetzt noch mehr an den Gewichten austoben oder in den Kursen, denn Sauna und Dampfbad bekommen verstärkt Auszeiten. Alleine die Studio Kette Fitness First rechnet mit Mehrkosten für Energie in Höhe von rund 4, 5 Millionen Euro, was pro Studio rund 90.000 Euro bedeutet. Darum bleibt dort über Mittag die Sauna kalt. Auch die &bdquo;Fitnessloft“-Filiale in Bielefeld hat ihre Saunazeiten gekürzt, aber immerhin die Damensauna beibehalten. Bielefelder Bäder Die Öffnungszeiten der Bielefelder Bäder werden nicht reduziert, sagt Stadtwerkesprecherin Yvonne Liebold. Im April und August wurden die Wassertemperaturen bereits gesenkt, auf 26 Grad (Sportbecken), 29 Grad (Kinderbecken) und 31 Grad (Babybecken). Wie weit noch abgesenkt werden könne, wo die Schmerzgrenze von Badegästen liege, sei so pauschal nicht zu beantworten. &bdquo;In einer Freizeitanlage wie dem Ishara ist der Anspruch an die Temperatur durchaus höher als etwa in einem Hallenbad mit Sportbecken“, sagt Liebold. Uni und FH Die Raumtemperatur in Seminarräumen, Hörsälen und Büros der Universität Bielefeld wurde auf 19 Grad reduziert, in Sporthallen und -stätten auf 17 Grad. Flure werden nicht geheizt, kleine Aufzüge außer Betrieb gesetzt. Das Schwimmbad bleibt leer. Die Mitarbeiter rücken zusammen, sodass ganze Gebäudeteile nicht mehr geheizt werden müssen. Das Gebäude H ist ganz geschlossen. In der ersten Januarwoche bleiben viele Räume kalt, weil keine Vorlesungen anstehen. In der Fachhochschule werden Flure und weitere Verkehrsflächen nicht mehr beheizt, sofern diese keine ständigen Arbeitsplätze sind, sagt Pressesprecher Lars Kruse. Öffnungszeiten in den Randzeiten werden gekürzt, Laufzeiten der technischen Anlagen reduziert und Toleranztemperaturen geprüft, etwa bei der Kühlung von Serverräumen. Eine Etage der Tiefgarage im Hauptgebäude ist geschlossen. ÖPNV Frieren in Bus und Bahn? Stadtwerkesprecherin Yvonne Liebold winkt ab und gibt Entwarnung: In den Stadtbahnen seien die Temperaturen von 18 Grad auf 15 Grad gesenkt worden, für die Fahrgäste kaum spürbar. Kalt werde es also nicht. &bdquo;In Bussen kann es auch mehr sein, da wir dort Wärme nutzen, die sonst verloren gehen würde“, sagt Liebold.

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