Gefährliches Spiel im Escape-Room: literarisches Menschenexperiment aus Bielefeld

Bielefeld. &bdquo;Hunger Games“ trifft Klimakrise – das hat die Bielefelder Autorin Anika Beer schon öfter gehört, wenn sie auf ihren neuen Roman &bdquo;Succession Game“ angesprochen wird. Ein bisschen stimmt das wohl auch – aber da ist noch viel mehr. Die Idee Zum zwölften Mal finden im Jahr 2054 die &bdquo;Succession Games“ statt: Zehn Teilnehmende treten in fünf Levels gegeneinander an. Nur eine Person kann 2,5 Millionen Euro gewinnen. Anders als bei &bdquo;Hunger Games“ oder &bdquo;Squid Game“ scheiden die Verlierer des Spiels nur aus, niemand wird gezielt getötet. &bdquo;Alle wissen, dass es ,harmlos ist“, sagt die Autorin. &bdquo;Aber nach und nach findest du heraus, welche Abgründe dahinter stehen.“ Schon auf Seite 16 wird klar: So richtig cool ist Gewinnen auch nicht. Augmented Reality Das Leben im Berlin der Zukunft ist in Beers Vision eine reduzierte, graue Masse: Die Stadt wurde neu aufgebaut, die Menschen leben beengter, Teppiche und Deko werden nicht produziert, sondern simuliert: Augmented-Reality-Brillen, die die Realität virtuell erweitern, sind Alltag. &bdquo;Die Welt ist nackt geworden“, sagt Beer. Die Brillen sind ein beliebtes Fluchtmittel aus der tristen Umgebung. Daher überrascht es nicht, dass &bdquo;Succession Game“, das von virtueller Realität gestützte TV-Format, so beliebt ist. Die Teilnehmenden Wolfsmensch, Spinnenfrau, Steelboy: Die Teilnehmenden konfigurieren ihre Personas, in die sie im Spiel schlüpfen, selbst. Durch einen neurochemischen Cocktail verändert sich ihre Persönlichkeit – was natürlich kritische Stimmen auf den Plan ruft. So etwa eine Gruppe, die es sich zum Ziel macht, die Spiele zu beenden. Zwischen fünf Perspektiven wechselt Beer – und zeichnet damit die zwischenmenschlichen Beziehungen, ihre Zweifel und Gewissensbisse nach. Menschenexperimente Für die 38-Jährige ist Medizinethik eines der Kernthemen – doch den Roman könne man auch anders lesen. &bdquo;Muss man etwas tun, nur weil man es kann?“, fragt die Neurobiologin, die selbst die Erfahrung mit der Frage hinsichtlich Tierversuchen gemacht hat. Die Frage ist nicht neu, sie hat eine lange Tradition im Sci-Fi-Genre. Doch in &bdquo;Succession Game“ werden diese Experimente nicht im stillen Kämmerlein durchgeführt, sondern als Instrument der Massenunterhaltung eingesetzt. Und so nimmt Beer ein weiteres Thema in ihr Themengeflecht auf: Reality-TV. &bdquo;Was können Leute unter dem Deckmantel des Trash-TV tun?“ Als Neurobiologin hat Beer Ahnung von Neurotransmittern und Co. &bdquo;Die Grenzen zwischen dem, was es gibt, und dem, was ich mir ausgedacht habe, verschwimmen“, sagt Beer. Die Grundlagen für die erwähnten Technologien bestünden schon heute. Sensibles Schreiben Direkt in der Vorbemerkung spricht die Autorin ein bisweilen heikles Thema an: &bdquo;In der Realität von &bdquo;Succession Game“ ist es gesellschaftlich normalisiert, dass das Geschlecht nicht binär, sondern ein Spektrum ist. Das schlägt sich im alltäglichen Sprachgebrauch durch die Verwendung von Neopronomen nieder“, schreibt Beer. Gemeint ist, dass sich in dieser Zukunftsvision die Mehrheit darauf verständigt hat, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Entsprechend gibt es weitere Pronomen neben &bdquo;sie“ und &bdquo;er“. Ein weiteres Novum ist am Ende des Romans zu finden. Hier weist Beer auf potenziell verstörende oder triggernde Themen wie Experimente an Mensch und Tier, physische und psychische Gewalt und Drogenkonsum hin. Beides zeigt einen Wandel im Verlagswesen auf. Anzumerken ist, dass Beer viel auf englische Sprache setzt – folgerichtig in einer durchdigitalisierten Zukunft, aber mitunter für einige eine Hürde. Am 24. Oktober liest Anika Beer ab 18.30 Uhr im Café im Bürgerpark. Der Eintritt ist frei.

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