"Das hab ich noch nie erlebt": Bielefelder Konditorei eine Woche lang dicht

Bielefeld. Das hat Jörg Kraume auch noch nicht erlebt: Der Chef der gleichnamigen Bielefelder Konditorei muss in dieser Woche seinen Cafébetrieb an der Stapenhorststraße einstellen – weil seine Mitarbeiter ausfallen. &bdquo;In 50 Jahren gab’s das noch nie“, sagt er. Sein Verkaufsteam sei von einer Erkältungswelle erwischt worden, schrieb er am Sonntag auf Facebook. &bdquo;Es tut uns von Herzen weh, aber wir sind einfach zu wenig Leute, um den Betrieb vollumfänglich offen zu halten“, sagt er. Kraume spricht von einer Verkettung ungünstiger Umstände: Auszubildende, die nur in den Ferien Urlaub nehmen könnten, und Mitarbeiter mit Kindern hätten gerade frei. &bdquo;Wir hatten ohnehin also schon eine Notbesetzung für die Ferien“, sagt er. Hinzu kam jetzt aber eine Corona-Erkrankung, zwei andere Kräfte liegen mit anderen Krankheiten flach. 20 Mitarbeiter beschäftigt er, sechs davon seien derzeit raus. Kraume ist aber nicht der einzige, den es hart trifft: Viele Bielefelder Unternehmen gehen gerade auf dem Zahnfleisch, weil sich ihre Mitarbeiter krank melden. Betroffen ist auch das Klinikum Mitte. Laut Sprecher Axel Dittmar sind etliche Mitarbeiter derzeit erkrankt und könnten nicht arbeiten. Die Versorgungssicherheit der Patienten sei aber gewährleistet. Schichtpläne wurden angepasst, so dass die Arbeit auf den Stationen weitergehen kann. Dittmar wundert der hohe Krankenstand nicht: &bdquo;Wir haben zwei Jahre Maske getragen“, sagt er. &bdquo;Die hat uns nicht nur vor Corona, sondern auch vor anderen Krankheiten geschützt.“ Die Arztpraxen sind voll Nach einer aktuellen Auswertung der AOK Nord-West sind die Krankschreibungen in den vergangenen Wochen sprunghaft angestiegen. Von der 35. bis zur 38. Kalenderwoche schnellten die Arbeitsunfähigkeitsfälle bei den AOK-Mitgliedern in Westfalen-Lippe wegen Krankheiten des Atmungssystems um 43,7 Prozent von 15.270 Fälle auf 21.946 Fälle in die Höhe, heißt es von der AOK. Die Arztpraxen sind voll – wenn sie denn geöffnet sind: Von fünf Arztpraxen, die die &bdquo;Neue Westfälische“ am Montag versucht hat zu erreichen, waren vier geschlossen. Bei der fünften war die &bdquo;NW“ Nummer 17 in der Warteschleife. Bielefeld schnieft und schnupft – und es ist noch keine Besserung in Sicht: &bdquo;Aufgrund der Jahreszeit muss in den nächsten Wochen mit einer weiteren Zunahme von Virusinfektionen gerechnet werden“, sagt Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Nord-West. Vor allem Rhinoviren seien derzeit weit verbreitet, die typische Symptome wie Husten, Schnupfen, Halsweh und Kopfschmerzen verursachen. Aber auch die Krankschreibungen wegen Covid-19 nehmen in Westfalen-Lippe aktuell wieder leicht zu, heißt es. Bei der BKK Gildemeister Seidensticker ist der Kranken-Anstieg ebenfalls bemerkbar: Lag die Arbeitsunfähigkeitsquote laut Sprecherin Josephin Ulrich im August noch bei 5,6 Prozent, kletterte sie im September bereits auf 6,1 Prozent. Gestiegen seien im Vergleich zum Vorjahr auch die Krankengeldausgaben, sagt Ulrich. Und auch die Angestellten der BKK Gildemeister Seidensticker sind von der Krankheitswelle betroffen. &bdquo;Wir haben gerade viele Ausfälle“, sagt sie. 490 Beschäftigte arbeiten für die BKK an den Standorten Bielefeld und Friedrichshafen am Bodensee, die Krankheitsquote unter den Mitarbeitern lag laut Ulrich im August bei 8,3 Prozent, im September bei 9,6 Prozent und jetzt im Oktober sei man auch schon wieder bei 9 Prozent. Fahrpläne wurden bereits angepasst Auch Mobiel meldet einen hohen Krankenstand. Das hat Auswirkungen auf die Bielefelder: So sind laut Sprecherin Yvonne Liebold bereits Fahrten ausgefallen, Mitte September mussten dann die Fahrpläne angepasst werden. &bdquo;Unseren Fahrgästen bieten wir damit wieder mehr Verlässlichkeit, weil es viel weniger kurzfristige Ausfälle geben wird“, sagt Mobiel-Geschäftsführer Martin Uekmann. &bdquo;Wichtig war uns bei der Fahrplananpassung, dass keine Verbindung alternativlos gestrichen wird.“ Betroffen von der Krankheitswelle ist auch die Gastronomie: So hatte Seekrug-Wirt Christian Schulz Anfang Oktober das Einheits-Grillen ausfallen lassen müssen. Ihn hatte eine Erkältung kalt erwischt. Einen kleinen Trost gibt’s für die Kunden von Jörg Kraume: Der Ladenverkauf an der Stapenhorststraße läuft wie gewohnt, die Filiale Am Wellbach sei von den Einschränkungen nicht betroffen. Ab Samstag soll es dann wie gewohnt weitergehen. Reservierungen könnten auf den Wellbach umgebucht werden.

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