Gefahr für Blinde auf dem Bielefelder Jahnplatz - Chefplaner erklärt Radweg-"Brücke"

Bielefeld. Der neue Jahnplatz lässt die Bielefelder nicht los. Zuletzt gab es Verwirrung rund um die Vorfahrtsregeln zwischen Radlern und Fußgängern - insbesondere mit Blick auf Blinde und Sehbehinderte, die per Leitsystem über den Radweg geführt werden. Zwei Leser beschwerten sich über die Gefahr, die diese Wegeführung berge. Dabei wurden zwei Thesen aufgestellt, die bei näherem Hinsehen nicht zu halten waren. Jetzt klärt Dirk Vahrson, federführender Jahnplatz-Planer beim Amt für Verkehr, die Rätsel vom Jahnplatz auf. Auslöser dafür war Thorsten Böhm, der als früherer ADFC-Vorsitzender in Bielefeld lange Zeit beratend an der Planung des Jahnplatzes beteiligt war. Er wies schnell darauf hin, dass auf dem Jahnplatz weder eine richtige Mischverkehrszone existiere (Aussage der Radverkehrsbeauftragten), noch der Radweg aufgehoben sei. Letzteres hatte Andreas Bruder, Vorsitzender des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Bielefeld, formuliert, um zu erklären, dass Fußgänger und insbesondere die durch die Blinden-Leitrippen geführten Menschen mit Sehbehinderung dort Vorrang hätten. Experte widerspricht der Darstellung von Amt und Blindenverband Doch Böhm sagte eindeutig: "Diese beiden Annahmen sind sachlich nicht zutreffend." Auch der Farbwechsel der Radwege von Rot an Oberntorwall und Herforder Straße auf Schwarz auf dem Jahnplatz sei lediglich ein optischer, aber kein verkehrsrechtlicher Wechsel. Die Lokalredaktion trifft sich daraufhin mit Dirk Vahrson und Lea Bergmann vom Team Verkehrssicherheit beim Amt für Verkehr auf dem Jahnplatz. Und schon bei der Frage nach der Benutzungspflicht des Radweges, der auf der Altstadtseite den Jahnplatz überquert, kommt es zu einer überraschenden Erkenntnis. Radwegschild vorm Jahnplatz vergessen Die Stadt hatte bereits deutlich gemacht, dass Radfahrer jederzeit auch die Straße nutzen dürfen. Doch die Benutzungspflicht des Radweges, der durch die Bushaltestelle beim Café Europa führt, ist gar nicht aufgehoben. An der Einmündung Notpfortenstraße steht das blaue Schild mit dem Fahrrad, das eindeutig die Pflicht ausweist, diesen Radweg zu benutzen. Dirk Vahrson ist erstaunt: &bdquo;Das Schild an der Notpfortenstraße hätte eigentlich schon weg sein müssen.“ Es zu entfernen, ist offensichtlich vergessen worden. Die Planer wollen den Radfahrern hier die Wahl lassen, ob sie die Fahrbahn zusammen mit dem Autoverkehr nutzen oder den Radweg durch die Haltestelle nehmen. Blinde werden direkt über den Jahnplatz-Radweg geführt Zurück zu den Leitstreifen für Sehbehinderte und Blinde. Die Rippensteine führen tatsächlich an mehreren Stellen direkt über den Radweg. &bdquo;Wenn ich einem solchen Streifen ohne Unterbrechung folgen kann, überquere ich normalerweise keine Straße oder einen Radweg“, erklärt ein 45-jähriger Bielefelder, der 90 Prozent seiner Sehkraft verloren hat. Hier ist das anders. Die Rippen leiten ihn direkt über den Radweg. Andreas Bruder, Vorsitzender des Blinden- und Sehbehinderten-Vereins Bielefeld, berichtet, dass das trotzdem so gewollt sei. Denn der Radweg ist auf Höhe der Leitstreifen durch Pflastersteine unterbrochen: &bdquo;Dadurch ist der Fußgänger an dieser Stelle bevorrechtigt“, erklärt Bruder. Radweg ist für wenige Meter aufgelöst Das stimmt nicht so ganz: Laut Barbara Choryan, Nahverkehrsbeauftragte der Stadt, handelt es sich bei dem für wenige Meter unterbrochenen Bereich offiziell um eine Mischverkehrszone, in der theoretisch alle gleichberechtigt sind. Die Pflasterung fungiert quasi wie eine Brücke über den Radweg. Doch wer vom Oberntorwall oder von der Herforder Straße heranradelt, bemerkt diese "Brücke" kaum - die optische Unterbrechung besteht nur wenige Metern: Eine Auflösung der Radwegs in Form eines Schildes findet sich nicht. &bdquo;Die Stadt weiß gar nicht, wie sie diesen Bereich beschildern soll“, sagte Bruder bereits. Rechtliche Situation ist schwierig Vahrson erklärt: &bdquo;Wir wollten nicht jede Querung mit Verkehrsschildern und Ampeln versehen. Die Pflasterunterbrechung ist ein visuelles Mittel, um die Radler auf diese Besonderheit hinzuweisen.“ Auf eine 6 Zentimeter-Kante zwischen Rad- und Fußweg, die für Blinde besser erkennbar gewesen wäre, habe die Stadt verzichtet, weil das zu "unfallträchtig" gewesen wäre, so Vahrson. Tatsächlich gibt es hier kaum Verkehrszeichen. Eigenverantwortung ist das Ziel. Doch die rechtliche Situation auf dem kurzzeitig unterbrochenen Radweg bleibt unklar. Ist der Radweg dort aufgelöst? Sind Fußgänger und Radler gleichberechtigt oder haben die Fußgänger Vorrang? Barbara Choryan betont:&bdquo;Auch für uns ist das alles Neuland.“ Sie hofft, dass man mit Aufklärungskampagnen mehr Klarheit schaffen könne. Vahrson argumentiert, dass sich schon in den ersten Wochen die verschiedenen Verkehrsgruppen sehr gut aufeinander eingestellt hätten. Von Unfällen sei bisher nichts bekannt. Geforderte Zebrastreifen abgelehnt Thorsten Böhm hatte in der frühen Planungsphase zusammen mit den Behindertenverbänden bereits Zebrastreifen gefordert. &bdquo;Das wäre eine für jedermann erkennbare, klar definierte Lösung.“ Die nun gewählte Unterbrechung sei im verkehrsrechtlichen Sinne schwierig. Dirk Vahrson, Leiter der Abteilung Verkehrswegebau, bestätigt, dass Zebrastreifen intensiv besprochen worden seien. Doch die Experten der Bezirksregierung hätten dies am Ende abgelehnt: &bdquo;Die Menschen hätten sich auf diesen Zebrastreifen zu sicher gewähnt.“ Bergmann betont: &bdquo;Wir wollen verhindern, dass die Radler dort Vollbremsungen durchführen.“ Deshalb solle die Unterbrechung als visuelles Zeichen für Aufmerksamkeit sorgen. Nach dem Motto: "Achtung, hier vorsichtig fahren!" Die Stadt werde die Situation vor Ort weiter beobachten. Noch gebe es keinen Anlass, einzugreifen oder Änderungen zu veranlassen, sagt Vahrson.

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