"Wir können die Kinder ja nicht auf dem Kesselbrink unterrichten"

Drei Viertel des städtischen Investitionsprogramms sollen in den Schulbau fließen. Mindestens 650 Millionen Euro. Ist die Stadt schnell genug bei der Umsetzung? Georgia Schönemann: Wir können und wollen die Kinder ja nicht auf den Kesselbrink setzen und dort unterrichten lassen. Deshalb musste für die bestehenden Bedarfe zeitnah eine Lösung her. Die haben wir für alle Schulformen aufgestellt. Dabei hat uns die ganzheitliche Schulentwicklungsplanung sehr geholfen. Es gibt jetzt sehr präzise und verlässliche Angaben dazu, wie sich die einzelnen Schulformen entwickeln werden und was bis wann zu tun ist. Die Papierform stimmt, aber es lässt sich nicht alles zeitnah umsetzen. Schönemann: Es gibt Parameter, die können wir nicht beeinflussen. Dazu gehören Lieferschwierigkeiten und steigende Kosten am Bau, aber auch die schwierigere Haushaltslage der Stadt. Ich bin mir aber sicher, dass auf dem Bereich Schule auch in Zukunft ein Schwerpunkt des städtischen Handelns liegen wird. Wir haben Standorte für zwei neue Gymnasien und auch eine weitere integrierte Schulform, eine Sekundar- oder Gesamtschule, und für drei neue Grundschulen festgelegt. Das war nicht immer einfach, aber es ist uns gelungen. Sie haben die Schulentwicklungsplanung angesprochen. Daran haben Politik und Verwaltung lange herumgewerkelt. Schönemann: Mit einem hervorragenden Ergebnis. Das fußt vor allem auf der soliden Arbeit unserer eigenen Fachleute und der guten Zusammenarbeit in der Verwaltung, aber auch auf einer guten Kooperation mit anderen Partnern. Ich habe immer großen Wert auf die Zusammenarbeit auch mit Dritten gelegt, die ihre Kompetenzen eingebracht haben. Damit haben wir uns ein Netzwerk in ganz Deutschland aufgebaut. Und am Ende gab es für den Plan auch eine große Akzeptanz. Jetzt lässt sich transparent und auf jede einzelne Schule heruntergebrochen sagen, wie es dort in den kommenden Jahren weitergeht und welche Erfordernisse sich daraus ergeben. Die ausführliche Arbeit daran hat sich in jedem Fall gelohnt. Zum Schluss Ihrer Dienstzeit hat der Rat die Digitalstrategie für Schulen beschlossen. Es gibt Kritik daran, dass zwei Schüler auf ein Endgerät kommen und die Schülerinnen und Schüler keine eigenen Geräte mitbringen sollen. Schönemann: Fremde Geräte zu nutzen, ist nicht zielführend, weil man mit einem unterschiedlichen technischen Standard nicht gut im Unterricht gemeinsam arbeiten kann. Im Zweifel richtet sich der Unterricht dann nach dem schwächsten Gerät. Bei dieser Frage geht es auch um Bildungsgerechtigkeit. Es soll die gleichen guten Voraussetzungen für Lernerfolge für alle Schülerinnen und Schüler geben. Die 1:2-Ausstattung bedeutet ja nicht, dass sich zwei Kinder hinter ein Gerät klemmen. Die Schule disponiert den Einsatz der Endgeräte so, dass in Unterrichtseinheiten jedes Kind sein Gerät bekommt. Aber nicht in jedem Unterrichtsfach müssen die überall parallel genutzt werden. Es besteht auch die Gefahr, dass sich wegen der rasanten technischen Entwicklung die Digitalstrategie schnell überholt. Schönemann: Endgeräte haben eine begrenzte Nutzungszeit, das stimmt, und danach werden neue Geräte zu beschaffen sein. Aber wir haben es jetzt geschafft, alle Schulen an das Glasfasernetz anzuschließen. Überall ist jetzt WLAN in den Unterrichtsräumen verfügbar. Wir sind dabei, dass in allen 3000 Klassenräumen der Stadt Präsentationsmedien eingesetzt werden können. Das ist ein echter Quantensprung. Haben Corona und das Home Schooling diese Entwicklung beschleunigt? Schönemann: In dieser Zeit waren gewaltige Kraftanstrengungen nötig. 2020 haben wir 10.000 Endgeräte in die Schulen gebracht, die Lehrerinnen und Lehrer mit weiteren 3300 Geräten ausgestattet. Es mussten in kürzester Zeit ganz neue Strukturen aufgebaut werden, unter anderem der Support auf die Beine gestellt werden. Haben Sie sich in der Corona-Zeit vom Schulministerium manchmal im Stich gelassen gefühlt? Schönemann: Es war schon so, dass manches aus Düsseldorf erst Freitag abends spät kam und wir dann dafür sorgen mussten, dass es zum Wochenstart noch bei den Schulen umgesetzt werden konnte. Vieles war auch für uns völlig neu. Wir haben uns darum gekümmert, dass ausreichend Corona-Schnelltests, Lollitests und Masken in den Schulen vorrätig waren. Das war schon eine logistische Herausforderung. Später ging es um die Frage, wer wann geimpft werden sollte oder wollte und wie wir millionenschwere Förderprogramme des Bundes und des Landes NRW zur Begegnung von Corona-Folgen schnell in die Schulen bringen. Da ging es um Bildungs- und Betreuungsangebote, von denen die Bielefelder Schülerinnen und Schüler auch jetzt noch profitieren. Geht man jetzt zu locker mit Corona um? Schönemann: Es ist gut, wenn die Schulen wieder einen Schritt in die Normalität tun. Ich bin mir aber sicher, dass die Schulen um die anhaltenden Gesundheitsrisiken durch das Virus wissen und damit verantwortungsvoll umgehen. In diesem Jahr sind mehr als 1000 schulpflichtige Kinder aus der Ukraine nach Bielefeld gekommen. Ist deren schulische Integration gelungen? Schönemann: Die Einschulung der Kinder hat diesmal besser funktioniert als bei der Flüchtlingskrise 2015. Das liegt auch daran, dass wir von den seinerzeit aufgebauten Strukturen profitieren konnten. So konnten wir die Grundlagen für die Bildungsbiografie dieser Kinder und Jugendlichen schaffen. Eine Herausforderung ist das allemal. Aber abgesehen von solchen Sonderereignissen spielt der professionelle Umgang mit Zuwanderung in den Schulen schon seit langem eine wichtige Rolle. Denn Zuwanderung ist auch unabhängig von Flüchtlingsbewegungen vorhanden. Aus Ländern der Europäischen Union zum Beispiel und auch aus weiteren Ländern. Aber ich schätze an Bielefeld, dass es eine so vielfältige und offene Stadt ist.

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